UPFs sind industriell hergestellte Produkte, die modifizierte Lebensmittelbestandteile umfassen, die mit einer Vielzahl von Zusatzstoffen neu kombiniert werden, die in dieser Form nicht zu Hause zubereitet werden können. Die Studie, durchgeführt von Reynalda Córdova von der Abteilung für Ernährungswissenschaften der Universität Wien und DOC-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), basiert auf Daten der Studie „European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC, https.//epic.iarc.fr)“. Córdovas Fazit: Ein erhöhter Konsum von UPFs ist mit einem Anstieg des Risikos für Multimorbidität von Krebs und kardiometabolischen Erkrankungen verbunden.
Die Studie liefert auch Hinweise auf einen differenzierten Zusammenhang zwischen Untergruppen von ultra-verarbeiteten Lebensmitteln und Multimorbidität. Insbesondere wurde ein Zusammenhang mit hochverarbeiteten tierischen Produkten sowie mit Süßstoff und mit Zucker gesüßten Soft-Drinks festgestellt. Andere Untergruppen, wie hochverarbeitete Getreideprodukte oder pflanzliche Alternativprodukte, zeigten keinen Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko. Zudem fand das Forscherteam heraus, dass der Zusammenhang von hohem UPF-Konsum und dem Risiko von Multimorbidität für Männer und Frauen, Raucher und Nichtraucher sowie in unterschiedlichen europäischen Ländern gleichermaßen gültig ist. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, sich mit den Auswirkungen von hochverarbeiteten Lebensmitteln zu befassen und wie wichtig es ist einen universellen Zugang zu frischen und weniger verarbeiteten Lebensmitteln zu gewährleisten“, betont Córdova.
Frage nach der Kennzeichnung kritischer Lebensmittel
Multimorbidität ist nicht nur in Europa, sondern in immer mehr Regionen der Welt ein wachsendes Gesundheitsproblem. Durch die neuen Erkenntnisse können präventive Strategien für die Verringerung des Risikos der Multimorbidität von Krebs und kardiometabolischen Erkrankungen durch Ernährungsempfehlungen, gesundheitspolitische Maßnahmen und Interventionen verbessert werden. Studienmitautor Prof. Dr. Karl-Heinz Wagner von der Universität Wien sagt: „Die Ergebnisse unserer Studie können mit bestehenden Ernährungsempfehlungen, möglichst Fleischprodukte zu reduzieren und sich hauptsächlich von pflanzenbasierten Lebensmitteln zu ernähren, gut in Einklang gebracht werden“.
Besonders bei UPFs und anderen kritischen Lebensmitteln ist eine Kennzeichnung wichtig. Dr. Heinz Freisling, Mitautor und Studienleiter bei der IARC sagt dazu: „Kritikerinnen und Kritiker der Klassifizierung von manchen Lebensmitteln als UPF meinen, dass die Definition unpraktisch sei und dass manche als UPF definierte Lebensmittel einen wichtigen Beitrag zur Nährstoffversorgung von bestimmten Bevölkerungsgruppen leisten (z.B. bei älteren Menschen). Unsere Studie unterstreicht, dass man nicht vollständig auf UPF verzichten muss, um einem etwaigen Multimorbiditätsrisiko entgegenzuwirken, sondern lediglich den Verzehr so weit möglich einschränken sollte“.
Hintergrund: Hochverarbeitete Lebensmittel sind Teil eines modernen Lebensstils und machen in Deutschland ca. 46 % der täglichen Energieaufnahme aus. Querschnitts- und Kohortenstudien belegen Assoziationen zwischen dem Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel und nichtübertragbaren Erkrankungen (Übergewicht, Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Depressionen). Als Ursache für diesen Zusammenhang werden neben einer hohen Energiedichte und einer veränderten Lebensmittelmatrix eine ernährungsphysiologisch unausgewogene Zusammensetzung, ein hoher glykämischer Index, sowie abträgliche Zusatzstoffe und Kontaminanten durch Verarbeitung und Verpackung diskutiert (Fedde S et al., DMW, 2022).
Die Früherkennung ermöglicht nicht nur, das Potential der Prävention voll auszuschöpfen, sondern birgt auch die Chance auf bessere Therapieergebnisse.
Die Prävalenzen neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere von Alzheimer und Parkinson, steigen drastischer als allein mit der Alterung der Gesellschaft zu begründen ist: Bis zum Jahr 2050 wird weltweit eine Verdopplung der Betroffenen vorausgesagt. Doch es gibt noch andere Gemeinsamkeiten: Beide Erkrankungen beginnen Jahre, sogar Jahrzehnte, bevor die ersten klinischen Symptome sichtbar werden. Wie Prof. Dr. med. Michael Heneka (Luxemburg) beim DGN-Kongress 2023 ausführte, ist damit die Alzheimer-Krankheit eigentlich überhaupt keine Alterserkrankung, wie bisher angenommen, sondern eine Erkrankung des mittleren Lebensalters. Das, was man allgemein unter dieser Krankheit versteht, ist bereits das „Endstadium“ eines langsamen, aber stetigen Abbauprozesses von Nervenzellen.
Diese Erkenntnis kann auch erklären, warum Therapien oft nicht mehr greifen, wenn bereits klinische Symptome vorliegen und sich der Zustand der Betroffenen zunehmend verschlechtert. „Denn je früher Therapie und Sekundärprävention einsetzen, desto erfolgversprechender sind sie. Das gilt für jede Krankheit, auch für Alzheimer und Parkinson“, ergänzte Kongress-Präsidentin Prof. Dr. med. Daniela Berg (Kiel).
Bluttests für die Früherkennung
Allerdings fehlten bisher verlässliche Früherkennungstest für neurodegenerative Erkrankungen, weshalb die Diagnose erst anhand der klinischen Symptome – und damit im höheren Alter – erfolgt.
Für Alzheimer wie für Parkinson werden aktuell Bluttests für die Früherkennung entwickelt, die schon in wenigen Jahren in die Klinik überführt werden könnten. „Damit hat man die Möglichkeit, diese Erkrankungen bereits in den Frühstadien zu behandeln und früher in die Erkrankungskaskade einzugreifen – und damit effektiver zu bekämpfen“, so Berg. Tatsächlich, so erklärte Heneka, gleicht das Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen einem Staffellauf: Eine krankhafte Veränderung stößt die nächste an und hierbei spielen auch noch unterschiedliche Krankheitsmechanismen eine Rolle. Diese Veränderungen finden zeitgleich in verschiedenen Hirnregionen statt, so wie bei einem Staffellauf mehrere Teams parallel neben- und gegeneinander laufen. Ideal wäre es demnach, Patienten in einem Krankheitsstadium zu behandeln, in dem sie noch klinisch beschwerdefrei sind.
Welche Konsequenzen hätte ein Screening auf neurodegenerative Krankheiten?
Die neuen, greifbaren Möglichkeiten der Frühdiagnostik und Therapie machen das möglich, werfen aber gesellschaftliche Fragen auf: Sollte man auf neurodegenerative Krankheiten screenen? Wenn ja, ab welchem Alter? Wie viele potenzielle Betroffene müssten dann medikamentös versorgt werden – und wäre dies gesundheitsökonomisch überhaupt zu stemmen? Dr. med. Eva Schäffer (Kiel) führte aus, dass es ohne Prävention nicht gehen werde. Diese wiederum habe ein großes, bisher weitgehend ungenutztes Potential: Bis zu 40 % der neurodegenerativen Erkrankungen könnten durch die Vermeidung von Risikofaktoren verhindert werden. Viel habe man selbst in der Hand, vor allem durch eine gesunde Lebensführung. Doch es gebe auch äußere Risikofaktoren, wie z. B. die Exposition gegenüber Umwelttoxinen. Beispielhaft führte sie Pestizide an, die nicht nur in Verdacht stehen, die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen zu begünstigen, sondern sogar in der Forschung genutzt werden, um in Versuchstieren Parkinson auszulösen. „Hier bedarf es ein gesellschaftliches Umdenken, der Einsatz solcher Gifte muss sehr viel restriktiver gehandhabt werden“, lautete der abschließende Appell der Kongresspräsidentin Berg. „Neurodegenerative Erkrankungen sind auf dem Vormarsch und wir müssen jetzt konsequent handeln, um ihnen Einhalt zu gebieten.“
In den 5 Jahren, die seit der letzten Aktualisierung der S3-Leitlinie „Therapie des Typ-1-Diabetes“ vergangen sind, haben deutliche Veränderungen in der Versorgung stattgefunden – auch bei der Leitlinie waren damit umfangreichere Anpassungen nötig. „Insbesondere im Bereich der Glukosesensoren hat es in dieser Zeit einige technische Neuerungen gegeben“, sagt Professor Dr. med. Thomas Haak (Bad Mergentheim), der die Arbeit an der Leitlinie für die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) koordiniert hat. Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) im Unterhautfettgewebe sei mittlerweile zum Standard geworden. Sie ermöglicht es, den Gewebeglukosespiegel nahezu in Echtzeit zu verfolgen und die Therapie wesentlich präziser zu steuern. Allein, aber vor allem in Kombination mit automatischen Insulinpumpen (AID), könne die CGM das tägliche Diabetesmanagement deutlich erleichtern. „Weil Studien zum langfristigen medizinischen Effekt dieser Systeme bislang fehlen, basiert dieser Teil der Leitlinie auf kurzfristigeren Studien, sowie auf Erfahrungsberichten von ärztlicher und von Patientenseite“, sagt Haak. Diese belegten den großen Nutzen, etwa die Vermeidung von Unter- und Überzuckerungen durch die eingebaute Warnfunktion, müssten aber in Zukunft noch durch wissenschaftliche Studien untermauert werden. Bereits jetzt gilt als gesichert, dass die Messwerte der CGM gut mit dem HbA1c korrelieren. Damit seien sie auch aussagekräftige Parameter zur Beurteilung der langfristigen Diabeteseinstellung.
Bessere Stoffwechselkontrolle möglich
Die Vorteile moderner Diabetes-Technologie sind auch ein Schwerpunkt der aktualisierten Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“. „Für junge Menschen mit Diabetes und ihre Familien ergeben sich dank des großen technischen Fortschrittes auch Erleichterungen bei der Integration und Teilhabe in KiTa und Schule durch eine bessere Stoffwechselkontrolle und neue Möglichkeiten, z. B. Follower-Funktion, Alarme und anderes“, sagt der Leitlinien-Koordinator Dr. med. Martin Holder (Stuttgart). Denn die Auswirkungen einer Diabeteserkrankung betreffen nicht nur das Leben der jungen Patienten selbst: In den meisten Fällen tragen Eltern maßgeblich zur Pflege und Behandlung bei. Diese zusätzliche Verantwortung und Sorge stellt oft eine erhebliche Belastung dar und kann sogar zu finanziellen Einbußen führen, insbesondere da erfahrungsgemäß Mütter häufig ihre berufliche Tätigkeit reduzieren müssen und eine Betreuung in KiTa oder Schule sicherzustellen. Die Integration moderner Technologien, wie Insulinpumpen, kontinuierliche Glukosemesssysteme (CGM) und automatische Insulinabgabesysteme (AID), können eine wirksame Unterstützung bieten. „Da diese Technologien eine weitgehend uneingeschränkte und altersgerechte Integration bei gleichzeitig guter Kontrolle des Blutzuckers ermöglichen, empfehlen wir, sie nach Möglichkeit allen Kindern und Jugendlichen anzubieten“, so Holder.
Empfehlungen für Heranwachsende
Darüber hinaus aktualisiert beziehungsweise erweitert die Leitlinie nun auch die Themen Telemedizin, Ernährungstherapie, Risikofaktoren, Früherkennung und Prävention. „Auch die wichtige Phase der Transition wird jetzt in einem eigenen Kapitel behandelt“, sagt Leitlinien-Koordinator Dr. med. Ralph Ziegler (Münster). In dieser Zeit verringert sich meist die Unterstützung der Eltern beim Krankheitsmanagement. Nach dem Schulabschluss stehen Berufseinstieg oder Wohnortwechsel für ein Studium an. Manchmal verschieben sich auch einfach die Prioritäten der Heranwachsenden und der Diabetes rückt zu sehr aus dem Blick. „Die Leitlinie gibt nun wertvolle Empfehlungen dazu, wie junge Menschen adäquat und bestmöglich behandelt werden können, so dass sie möglichst ein Leben ohne Einschränkungen führen können und eine optimale Betreuung erhalten“, sagt Ziegler, der nicht nur an der Kinder- und Jugend-Leitlinie, sondern auch an der Leitlinie zum Typ-1-Diabetes der Erwachsenen beteiligt war.