Zu den häufigsten Krankheitsbildern in der Kardiologie gehören Herzrhythmusstörungen. Heute weiß man: Auch Mikronährstoffe haben Einfluss auf das Myokard, insbesondere auf Energiehaushalt und elektrophysiologische Stabilität. Hieraus lässt sich eine potenziell therapeutische Relevanz für Prävention und Therapie ableiten.
Herzrhythmusstörungen wie ventrikuläre Extrasystolen, vor allem aber Vorhofflimmern (VHF), gehören zu den häufigsten kardiologischen Komplikationen mit nennenswerter Morbidität und Mortalität. Kardiologen bzw. Kardiologinnen bedienen sich hierbei Routinebehandlungen wie Antiarrhythmika, Device-gestützten Therapien oder Katheterinterventionen. Darüber hinaus existieren immer mehr Studien, die einen direkten Einfluss subklinischer Mikronährstoffdefizite und metabolischer Dysbalancen auf die elektrophysiologische Stabilität des Myokards belegen. Vor diesem Hintergrund rückt die orthomolekulare Therapie – als mögliche Ergänzung zur konventionellen Behandlung von Rhythmusstörungen, nicht als deren Ersatz – in den Fokus.
Kurzüberblick zum pathophysiologischen Hintergrund
Stark vereinfacht lassen sich Herzrhythmusstörungen durch 3 sich überlappende Mechanismen erklären: mitochondriales Energiedefizit, oxidativer Stress und Ionenstromdysfunktionen (insbesondere Na+, K+, Ca²+). Gefördert wird die Entstehung und Persistenz von rhythmologischen Störungen durch atriale Strukturremodellierung (z. B. bei Fibrose), ein gestörtes Membranpotenzial sowie intrazelluläre Calciumüberladung. Mikronährstoffe sind hier vielfach beteiligt: Sie nehmen Einfluss auf die Ionenaustauschsysteme, antioxidative Kapazität, membranlipidale Eigenschaften und die mitochondriale ATP-Synthese. Darauf aufbauend lassen sich Defizite als „rythmologische Schwachstellen“ interpretieren, die durch gezielte Substitution potenziell adressierbar sind.

Kalium und Magnesium als Basis für kardiale Erregungsleitung und Elektrolytstabilität
Magnesium fungiert als zentraler Regulator in der Herzmuskulatur. Es wirkt als natürlicher Calciumantagonist und beeinflusst die Dauer der QT-Zeit sowie des Aktionspotenzials. Zudem unterstützt Magnesium die Aktivität der Na+/K+-ATPase. Niedrige Magnesiumwerte werden klinisch mit erhöhter VHF-Inzidenz assoziiert [1,2].
In einer entsprechenden Analyse war eine Hypomagnesiämie mit einem erhöhten Risiko für VHF verbunden [2]. Studien mit akuten VHF-Patientinnen und -Patienten bei schneller ventrikulärer Antwort (RVR) zeigten, dass eine intravenöse Magnesiumgabe in einer verglichen mit der Kontrollgruppe signifikant niedrigeren Herzfrequenz im Verlauf von 24 h (85/min vs. 96/min, p < 0,05) resultierte [3]. In einer Metaanalyse der Magnesiumgabe bei VHF/RVR (n = 1 048) zeigte sich eine Odds Ratio (OR) für Erreichen von Rate- und Rhythmuskontrolle von 1,87 bzw. 1,45 [4]. Ebenfalls mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für spontane Sinusreversion assoziiert war die Kombination aus Magnesium- und Kaliumgabe (OR 1,98; 95%-KI 1,53–2,57), wie eine große Register-Analyse aufzeigt [5]. Hieraus lässt sich ableiten, dass auch bei normalem Serum-Magnesium höhere intrazelluläre Anteile klinisch relevant sein können – die Studienlage spricht klar für eine Nährstofftherapie in Situationen erhöhter Arrythmieanfälligkeit (z. B. Herzinsuffizienz, postoperativ). Aussagen über konkrete Dosierungsempfehlungen können in Ermangelung von randomisierten Studien im Long-Term aktuell nicht abgegeben werden.
Vitamin D und sein Einfluss auf Entzündung und kardiale Reizleitung
Sowohl in glatten Gefäßzellen als auch in Kardiomyozyten befinden sich Vitamin-D-Rezeptoren. Werden diese aktiviert, können das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), die Ca²+-Kanalexpression sowie entzündliche Signalwege moduliert werden. Eine Metaanalyse mit 13 Studien (n = 74 885, 6 519 VHF-Fälle) zeigt: Ein 10 ng/ml niedrigerer 25(OH)-D-Spiegel erhöht das VHF-Risiko um etwa 12 % (RR 0,88; 95%-KI 0,78–0,98) [6]. In einer älteren Analyse zeigte sich bei Vitamin-D-Defizienz (< 20 ng/ml) eine Risiko-OR von 1,31 (95%-KI 1,06–1,62) für VHF [7]. Begründen lässt sich dies höchstwahrscheinlich durch direkte Modulation der Ca²+-Kanäle, antiinflammatorische Effekte (beispielsweise Reduktion IL-6, CRP) sowie Hemmung des RAAS [8].
Für Aufmerksamkeit sorgen Resultate postoperativer Situationen: So zeigt eine kleine, aber aktuelle Studie beim Akut-Koronarsyndrom (ACS) mit 1 g Omega-3 über 5 Tage eine signifikante Reduktion von VHF-, PAC- und PVC-Episoden (VHF von 26,66 % auf 11,66 %, p = 0,015) – gleichwohl wurde Vitamin D hier nicht primär untersucht, der prinzipielle Ansatz bleibt jedoch analog.
Trotzdem bleibt die Evidenz einer Nährstoffsupplementation zur Primärprävention von Herzrhythmusstörungen begrenzt. Größere randomisierte Interventionsstudien mit Rhythmusendpunkten fehlen größtenteils. Dementsprechend empfiehlt sich eine Vitamin-D-Supplementation nur bei gesamtkardiologischem Monitoring und bei eindeutig diagnostiziertem Mangel.
Coenzym Q10: Mitochondriale Energieversorgung des Myokards
Das lipophile Coenzym Q10 (Ubichinon) ist ein integraler Bestandteil der mitochondrialen Elektronentransportkette (Komplex I/II → III). Daraus ergibt sich eine entscheidende Rolle für antioxidative Kapazität und ATP-Produktion. In der Q-SYMBIO-Studie (Herzinsuffizienz) führte die Ergänzung von 100 mg × 3/d über 2 Jahre zu einer signifikanten Reduktion sowohl der kardiovaskulären als auch der Gesamtmortalität [9]. Eine Übertragung auf die Rhythmologie ist plausibel, obwohl sich diese Daten nicht primär auf Arrhythmien beziehen: Denn eine mitochondriale Dysfunktion fördert durch Energiemangel elektrische und strukturelle Remodellierungen, die als Arrhythmiegerüst gelten.
Eine statininduzierte CoQ10-Depletion kann das Risiko von Herzrhythmusstörungen zusätzlich erhöhen [10]. Insgesamt erscheint CoQ10 bei Herzinsuffizienz und gleichzeitig labiler Rhythmusstörungen eine lohnende Ergänzung zu sein. Zu beachten sind Präparate mit hoher Bioverfügbarkeit sowie mögliche Wechselwirkungen, wie beispielsweise mit Statinen und Antikoagulanzien.
Antiarrhythmische Wirkung und Membranfluidität durch Omega-3-Fettsäuren
Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) reduzieren membrane Spannung, modulieren spannungsabhängige Ca²+- und Na+-Kanäle, reduzieren außerdem die Tendenz zu früher Nachdepolarisation und nehmen Einfluss auf die Myokardmembran.
Eine Metaanalyse zeigte eine reduzierte Rate von Vorhofflimmern (VHF) und plötzlichem Herztod; die Studienlage war jedoch heterogen [11]. Dem gegenüber zeigte eine AHA-Analyse eine erhöhte VHF-Inzidenz durch hochdosierte Omega-3-Supplementation [12]. Aktuell erschien eine kleine kurzzeitige RCT bei post-ACS-Patientinnen und -Patienten (5 Tage, n ≈ 70): Hier zeigten sich weniger AF/PAC/PVC-Episoden unter 1 g/d Omega-3, wobei die Ergebnisse aufgrund des Studiencharakters nicht auf eine Langzeitprävention übertragbar sind [13]. Diese Daten sprechen für eine kurzzeitige Omega-3-Supplementation bei akut erhöhtem Arrhythmierisiko. Konkrete Nachweise fehlen bisher für eine Langzeitprävention bei VHF. Dosierung, Ausgangsstatus (zum Beispiel niedriger Omega-3-Index), EPA:DHA-Verhältnis und Population (zum Beispiel gesund vs. Herzinsuffizienz) sind aber entscheidend.
B-Vitamine und L-Carnitin: Synergien im Energiestoffwechsel
L-Carnitin transportiert langkettige Fettsäuren in die Mitochondrien und fördert so die Oxidation und ATP-Produktion – ein Faktor für die Myokardenergieversorgung und somit indirekt für einen stabilen Rhythmus. Eine randomisierte Studie zeigt: L-Carnitin (3 000 mg/d präoperativ) senkte bei 134 CABG-Patienten und -Patientinnen die VHF-Inzidenz von 19,4 % auf 7,5 % (p = 0,043) [14]. Im Widerspruch dazu stehen Mendelian-Randomisierungs-Analysen, die einen eindeutigen Nutzen bei VHF verneinen und stattdessen eine mögliche Assoziation von L-Carnitin mit erhöhtem KHK-Risiko (OR 1,07; 95%-KI 1,02–1,11) aufzeigen [15]. Weil sie zur Minderung von endothelialem Stress, der Reduktion von Homocystein beitragen und damit das Myokard elektrisch stabilisieren, sind auch B-Vitamine (B1, B6, B12, Folat) durchaus relevant. Konkrete Endpunkte gibt es kaum, sodass der klinische Nutzen größtenteils ephemer und theoretisch bleibt.
Perspektiven und Grenzen der orthomolekularen Therapie
Mikronährstoffe sind allerdings kein Ersatz für die etablierten Therapien wie Device-gestützte Verfahren oder Katheterinterventionen. Sie sind vielmehr als komplementärer Ansatz zu verstehen, v. a. wenn folgende Bedingungen vorliegen: therapieresistente Arrythmieanfälligkeit, dokumentierte Mangelerscheinungen sowie metabolische Belastungszustände (z. B. Statintherapie, Herzinsuffizienz) oder strukturelle Herzveränderungen. Die Evidenz für B-Vitamine, L-Carnitin und Vitamin D ist limitiert, am fundiertesten ist sie bei Magnesium, CoQ10 und Omega-3. Vor einer flächendeckenden Etablierung braucht es Studien zu: individualisierter Dosierung (beispielsweise mittels Vitaminstatus oder Metabolomics), kombinierter Supplementation, Langzeitendpunkten bei Arrhythmie-Rezidiven. Zukunftspotenzial hat eine präzisionsmedizinische Ausrichtung („Welcher Patient bzw. welche Patientin mit welchem Status profitiert von welchem Nährstoff?“). Sie könnte die Nährstofftherapie in der Rhythmologie etablieren.


Dr. med. Edmund Schmidt
Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie, Ernährungsmedizin, Reisemedizin, Schmerztherapie, Vitalstofftherapie
Welche Rolle spielen Mikronährstoffe wie Magnesium, Coenzym Q10 oder Omega-3-Fettsäuren in Ihrer hausärztlichen Praxis bei Patientinnen und Patienten mit Herzrhythmusstörungen? Wo sehen Sie den größten Nutzen einer orthomolekularen Unterstützung?
Die genannten Mikronährstoffe reduzieren Herzrhythmusstörungen zuverlässig. Unsere Responderrate liegt bei über 60 %. Darüber hinaus steigt die Herzleistung und die Gefäßelastizität, wodurch vor allem der diastolische Blutdruck gesenkt werden kann. Durch diese Effekte können Medikamente reduziert oder gar eingespart werden.
Wie schätzen Sie die wissenschaftliche Evidenz für den Einsatz von Mikronährstoffen bei Herzrhythmusstörungen ein – und wo liegen aus Ihrer Sicht die Grenzen einer solchen komplementären Behandlung?
Entgegen anders lautender Informationen gibt es gute evidenzbasierte Studien. Hier sei auf die zwei randomisierten Doppelblindstudien Q-Symbio (Beobachtungszeitraum: 4 Jahre) und KiSel-10 (Beobachtungszeitraum: 10 Jahre) hingewiesen. Eine komplementäre Mikronährstofftherapie ist kein Ersatz für kurative schulmedizinische Maßnahmen. Die Mikronährstofftherapie ist in der Therapie immer komplementär. Im Bereich der Prävention können Mikronährstoffsupplemente Krankheiten vermeiden.
Wie lässt sich eine orthomolekulare Therapie Ihrer Erfahrung nach sinnvoll mit schulmedizinischen Ansätzen – etwa medikamentöser oder kardiologischer Behandlung – kombinieren, ohne Risiken oder Wechselwirkungen zu provozieren?
Die orthomolekulare Therapie ist immer eine gute Ergänzung der medikamentösen Therapie. Da Medikamente als „Prodrug“ in der Leber erst zum aktiven „Drug“, also zum eigentlichen Medikament, verstoffwechselt werden müssen und Vitalstoffe diesen Weg nicht gehen, kommt es auch nicht zu Wechselwirkungen.
Herr Dr. Schmidt, vielen Dank für das Gespräch

Herzrhythmusstörungen sind mehr als ein elektrophysiologisches Problem – vielmehr spiegeln sie oft Ionen- und Membrandysbalance, systemischen Energiemangel oder oxidative Belastung wider. Eine gezielte orthomolekulare Behandlung kann über Verbesserung der zellulären Energieverfügbarkeit, Reduktion von Remodellierung und Entzündungen sowie Stabilisierung des Membranpotenzials zur Rhythmusstabilisierung beitragen. Voraussetzung sind die Auswahl des passenden Patientenkollektivs, eine gute Labordiagnostik sowie ein kontinuierliches Monitoring. Der nächste Schritt sind aber zunächst kontrollierte Interventions- und Kombinationsstudien.
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