Die Beratung zur hormonellen Kontrazeption ist komplex. Gerade bei einer Erstberatung sollte auch über Risiken von depressiven Verstimmungen bis zum erhöhten Suizidrisiko gesprochen werden. Dieser Beitrag gibt Tipps zur Abrechnung.
Frauen, die hormonell verhüten, sollen verstärkt suizidgefährdet sein. Das zeigt eine groß angelegte dänische Studie von Prof. Dr. Øjvind Lidegaard und seinem Team aus Kopenhagen. Vor allem jüngere Frauen haben in den ersten Monaten zu Beginn der hormonellen Kontrazeption ein entsprechend erhöhtes Risiko. Der Studie zufolge sind insbesondere gestagenhaltige Kontrazeptiva mit einem erhöhten Risiko für Depressionen assoziiert [1].
In der Studienperiode von 1996 bis 2013 begingen 6 999 Frauen einen Suizidversuch, bei 71 Frauen kam es zum vollendeten Suizid. Die Studienergebnisse lassen sich selbstverständlich nicht generell auf alle Frauen übertragen. Dennoch ist bei der Verordnung hormoneller Verhütungsmittel auf ein mögliches Suizidrisiko hinzuweisen. Der Hinweis lässt sich auch mit den für die meisten hormonellen Verhütungsmittel als Nebenwirkung angegebenen Stimmungsschwankungen und depressiven Verstimmungen begründen.
Die o. g. Studie zeigte für die orale Kontrazeption mit einem Kombinationspräparat aus Estrogenen und Gestagenen ein relatives Risiko für einen Suizidversuch von 1,91 (95%-KI 1,79–2,03). Für Monopräparate mit Progestin konnte nachgewiesen werden, dass sich das relative Risiko auf 2,29 (95%-KI 1,77–2,95) erhöht. Bei Vaginalringen, die in der Regel ebenfalls ein Gestagen abgeben, stieg das Risiko auf 2,58 (95%-KI 2,06–3,22).
Nach Intervention der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wurde ein neuer Warnhinweis in die Fach- und Gebrauchsinformation dieser Substanzgruppe aufgenommen. Als Reaktion darauf stellten gynäkologische Fachverbände diese Warnhinweise infrage und kritisierten das Vorgehen als überzogen.
Auch wenn, laut Europäischer Arzneimittel-Agentur, „erhebliche methodische Fehler“ der dänischen Studien festzustellen sind, sollten in der Konsequenz im Praxisalltag potenziell gefährdete Frauen bei Verordnung einer hormonellen Kontrazeption sorgfältig aufgeklärt und auch beobachtet werden, gerade zu Beginn der Anwendung. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, auf etwaige seelische Veränderungen hinzuweisen und bei deren Auftreten nicht nur therapeutische Hilfe anzubieten, sondern die betreffenden Patientinnen aufzufordern, im Zweifelsfall Kontakt aufzunehmen.
Das eingehende Gespräch im Zusammenhang mit der Einleitung einer hormonellen Kontrazeption lässt sich natürlich auch abrechnen. Dafür stehen die Gebühren nach den GO-Nrn. 3 und 34 zur Verfügung. Die Gebühr nach GO-Nr. 34 wäre entsprechend § 6 GOÄ analog anzuwenden.
Der Fall
Beratung vor dem Start einer Kontrazeption
Eine 15-jährige Patientin stellte sich mit dem Wunsch nach Verordnung eines geeigneten Kontrazeptivums in der Praxis vor. Eine gynäkologische Untersuchung hatte vor 2 Wochen stattgefunden und war ohne pathologischen Befund. Der aktuelle Termin wurde eigens zur Besprechung der beginnenden Einnahme eines Kontrazeptivums vereinbart.
Die Patientin war bisher psychisch und verhaltensmäßig unauffällig. Im vorliegenden Fall wird die Mutter der Patientin in der Praxis ebenfalls gynäkologisch betreut. Sie hatte den Besuch der Tochter in der Praxis schon angekündigt und mitgeteilt, dass sie von der Tochter über den Besuch und den Wunsch nach Verordnung eines Antikonzeptivums informiert sei.
Mit der Patientin wurde ein ausführliches und eingehendes Gespräch von etwa 35 Minuten geführt. Dabei wurden in erster Linie die grundlegenden Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung eines Kontrazeptivums besprochen. Vorwiegend interessierte die Patientin auch, was zu tun wäre, wenn die Einnahme des Antikonzeptivums einmal vergessen wurde.
Abschließend wurde noch darauf hingewiesen, dass sie im Falle einer Änderung ihrer Stimmungslage oder bei Auftreten von Schlafstörungen Kontakt mit der Praxis aufnehmen sollte. Der Hinweis erfolgte einerseits etwas nebensächlich, aber dennoch mit der gebotenen Dringlichkeit, ohne die Patientin dabei in Bezug auf die Kontrazeption zu verunsichern. Diese Beratung kann mit der Gebühr nach GO-Nr. 34 berechnet werden. Daneben wäre, so dies nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt geschehen ist, die körperliche Untersuchung mit der Gebühr nach GO-Nr. 7, zuzüglich Abstrichentnahme nach GO-Nr. 297 für die zytologische Untersuchung und die GO-Nr. 298 für den Abstrich zur mikroskopischen Untersuchung zu berechnen.
Der Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de
Dr. Dr. Peter Schlüter ist promovierter Naturwissenschaftler und Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemeinmedizin mit betriebswirtschaftlich optimierter Praxis niedergelassen. Als Berater zu allen Fragen der Praxisorganisation, Praxismanagement und Abrechnung ist er seit 1987 tätig.
Skovlund CW et al., Am J Psychiatry 2018; 175: 336–42