Die Orthostase-Reaktion kommt zwar recht häufig vor, ist aber meist nicht weiter therapiebedürftig. Allerdings muss die asympathikotone Hypotonie ausgeschlossen werden. Hierzu eignet sich vor allem der Schellong-Test. Bei der sympathikotonen Form helfen meist kreislaufstabilisierende Maßnahmen.
Kreislaufprobleme haben ganz unterschiedliche Ursachen und Symptome. Häufigste Ursache ist ein zu niedriger Blutdruck, die orthostatische Hypotonie. Sie ist ein häufiger Beratungsanlass im Praxisalltag. Dabei handelt es sich meist um die harmlose Form der sympathikotonen orthostatischen Hypotonie, die vorwiegend bei jungen Mädchen auftritt. Von diesen harmlosen Blutdruckabfällen wird die Form der asympathikotonen Hypotonie unterschieden. Letztere hat ihre Ursache meist in einer Grunderkrankung wie zum Beispiel neurologische Erkrankungen oder Diabetes mellitus. Beide Formen lassen sich anhand der Begleitsymptome und mittels Schellong-Test unterscheiden. Während es bei der sympathikotonen Orthostase zu einem reflektorischen Anstieg der Herzfrequenz kommt (Reflextachykardie), bleibt die Herzfrequenz bei der asympathikotonen Orthostase unverändert.
Der niedrige Blutdruck als solches macht sich durch verschiedene Symptome bemerkbar. In erster Linie ist es der Schwindel in Verbindung mit Benommenheit und einem Schwächegefühl, der im Alltag Probleme bereitet. Durch den niedrigen Blutdruck werden die einzelnen Zellen nicht ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Aufgrund der Schwerkraft ist bei zu niedrigem Blutdruck als erstes unser Gehirn betroffen, das nur noch unzureichend durchblutet und damit mit Sauerstoff versorgt wird.
Die Folgen sind meist Schwindel und Benommenheit. Beide Symptome treten jedoch oft subtil auf und können von den Betroffenen häufig nicht genau beschrieben werden. Gelegentlich treten Schwächeanfälle auf, die die Betroffenen zwingen, sich zu setzen oder gar hinzulegen.
Die beiden Formen lassen sich anhand der Begleitsymptome und des Schellong-Tests unterscheiden.
Die diffusen Angaben zur Symptomatik machen dann aber auch die gezielte Diagnostik schwierig. Im Grunde jedoch ist die Orthostase-Reaktion ein physiologischer Regulationsvorgang. Dieser wird aktiviert, wenn man von einer liegenden bzw. sitzenden Position aufsteht. Sie ist somit ein kompensatorischer Mechanismus beim Lagewechsel und eine Gegenreaktion auf den Blutdruckabfall. Dieser wird durch das absackende Blut in den Beinen verursacht. Der Blutdruckabfall als solcher führt als kompensatorische Reaktion zu einer Steigerung der Herzfrequenz (Reflextachykardie) und zu einer Verengung der Blutgefäße (Vasokonstriktion). Zusätzlich steigt der Gefäßtonus, womit der Blutdruck angehoben wird.
Ist dieser Regulationsmechanismus gestört, kann es beim Aufstehen zu einem Blutdruckabfall kommen. Das verursacht Schwindel und Benommenheit und kann letztendlich auch zu einer Synkope führen.
Ist der Regulationsmechanismus gestört, kann es beim Aufstehen zu einem Blutdruckabfall kommen.
Eine weitere, wenn auch seltenere Form der Dysregulation besteht in einem starken Anstieg der Herzfrequenz beim Aufstehen, ohne dass der Blutdruck entsprechend abfällt. Dies wird als „Posturales Tachykardiesyndrom“ (POTS) bezeichnet. Das POTS betrifft vorwiegend jüngere Frauen (15. bis 50. Lebensjahr). Die Ätiologie des POTS ist aktuell noch nicht geklärt und Gegenstand weiterer Forschung. Bislang werden eine primäre Form (Idiopathisches POTS) von der sekundären Form (durch eine weitere Grunderkrankung verursacht) unterschieden. Die Zuordnung ist abhängig von Umfang und Genauigkeit der Diagnostik wie auch der Anamnese. Beim primären POTS wird vorwiegend eine Fehlregulation des autonomen Nervensystems als ursächlich diskutiert, wobei auch Autoimmunprozesse beteiligt sein könnten. Für Letzteres spricht die Entdeckung von Autoantikörpern gegen Adrenozeptoren und Muskarinrezeptoren.
Der Fall
Die 19-jährige Patientin ist im Wartezimmer kollabiert. Das informierte Praxisteam war sofort zugegen und versorgte die Patientin. Die knapp idealgewichtige Patientin (176 cm, 58 kg) ist bei Bewusstsein, mit blassem Hautkolorit und einem Blutdruck von 98/52 mmHg, bei einer Herzfrequenz von 106/Min. Der Glucosewert liegt bei 115 mg/dl. Medikamenteneinnahme wird außer einem Antikonzeptivum verneint. Neurologische Erkrankungen sind unbekannt.
Die grobneurologische Untersuchung sowie die körperliche Untersuchung ergeben keinen Hinweis auf eine organische bzw. neurologische Grunderkrankung. Das sofort abgeleitete EKG war – abgesehen von einer reaktiven Tachykardie – unauffällig. Nach einer Infusion von Ringer-Lösung (500 ml; 25 Min.) zur Flüssigkeitssubstitution und entsprechender Hochlagerung der Beine normalisierte sich die Kreislaufsituation weitgehend. In Anbetracht von Alter, Konstitution und aktueller Situation ist von einer orthostatischen Dysregulation auszugehen.

Die Therapie
Bei der am häufigsten vorkommenden sympathikotonen Hypotonie ist eine kausale Therapie nicht möglich. Zu empfehlen sind kreislaufstabilisierende Maßnahmen wie sportliche Betätigung im Freien (Training im Fitness-Center hilft in diesen Fällen wenig), Wechselduschen, frühmorgentliche Gymnastikübungen und vor allem langsames Aufstehen aus dem Liegen oder Sitzen.
Im vorliegenden Fall wurden der Patientin die Notwendigkeit des konsequenten Kreislauftrainings ausführlich dargelegt.

Der Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de
Dr. Dr. Peter Schlüter ist promovierter Naturwissenschaftler und Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemeinmedizin mit betriebswirtschaftlich optimierter Praxis niedergelassen. Als Berater zu allen Fragen der Praxisorganisation, Praxismanagement und Abrechnung ist er seit 1987 tätig.
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