Liegt bei mindesens 50%iger atherosklerotischer Einengung des Carotis-Lumens das 5-Jahres-Risiko für einen Schlaganfall unter 20 %, so scheint sich, nach der Zwischenanalyse einer auf 5 Jahre angelegten kontrollierten Studie, bei optimierter medikamentöser Therapie eine zusätzliche Revaskularisierung zu erübrigen.
Die Daten, aufgrund derer europäische Leitlinien bei Menschen mit symptomatischen Carotisstenosen von 70 – 99 % und Subgruppen asymptomatischer Personen mit 50 – 69%iger Stenose eine Endarteriektomie empfehlen, sind etwa 30 Jahre alt. Seither hat sich die medikamentöse Behandlung weiterentwickelt. 2-Jahres-Interimsdaten aus dem European Carotid Surgery Trial (ECST)-2 deuten nun darauf hin, dass diese Paradigmen womöglich nicht mehr haltbar sind.
In die europäisch-kanadische Studie wurden 429 Erwachsene vom 01.03.2012 bis zum 31.10.2019 mit mindestens 50%iger symptomatischer oder asymptomatischer Carotisstenose eingeschlossen, die nach dem eigens für die Studie rekalibrierten Carotid Artery Risk (CAR)-Score ein niedriges bis intermediäres Risiko hatten, binnen 5 Jahren einen Schlaganfall zu erleiden. Im Median waren sie 72 Jahre alt, 69 % waren Männer. Der primäre Endpunkt für die Interimsanalyse setzt sich hierarchisch zusammen: 1. Tod im Rahmen der Intervention, tödlicher Schlaganfall oder tödlicher Myokardinfarkt, 2. nicht-tödlicher Schlaganfall, 3. nicht-tödlicher Myokardinfarkt oder 4. neuer stummer Schlaganfall in der Bildgebung.
Um dem komplexen Endpunkt Rechnung zu tragen, verwendete die Forschergruppe eine Win-Ratio-Methode. Dabei wurden alle möglichen Paarungen aus den 1 : 1 randomisierten Vergleichskohorten, optimierte medikamentöse Therapie allein versus optimierte medikamentöse Therapie plus Revaskularisation, individuell verglichen und für die Person mit dem jeweils besseren Outcome ein „Siegpunkt“ vergeben.
Behandlung nach individuellem Risiko
Es ergab sich kein signifikanter Unterschied: 11,4 % der Siegpunkte gingen an die rein medikamentös Behandelten, 11,3 % an die mit zusätzlicher Revaskularisation. In 77,3 % ergab sich ein Patt. Im Behandlungskontext oder wegen eines Schlaganfalls oder Herzinfarktes starben 3 medikamentös und 4 zusätzlich operativ Behandelte, 11 und 16 erlitten einen nicht-fatalen Schlaganfall, 7 und 5 einen nicht-fatalen Herzinfarkt, und 12 und 7 bekamen einen stummen Schlaganfall.
Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass das bei den rein medikamentös Behandelten ermittelte Schlaganfallrisiko deutlich geringer war als in früheren Studien zur Behandlung bei Carotisstenose. Statt sich wie bisher nur an dem Ausmaß der Stenose zu orientieren und daran, ob diese symptomatisch ist oder nicht, befürworten sie eine individuelle Risikoabschätzung anhand des CAR-Scores. Die Zwischenergebnisse legen nahe, dass bei Menschen, deren Risikoprofil dem in der Studie entspricht, eine medikamentöse Behandlung ausreicht. Gleichwohl sind die Endergebnisse und weitere Studien abzuwarten.
Donners SJA et al., Lancet Neurol 2025; 24: 389–99