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Dermatologie

Angst vor Stigmatisierung

Psychosomatische Dermatologie

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

1.11.2021

Angststörungen bei Akne, atopischer Dermatitis und Psoriasis sollten angesprochen und patientenorientiert behandelt werden. Bei Scham und Ekel ist „Imagery Rescripting“ plus kognitive Umstrukturierung hilfreich – das sind wichtige Ansätze auch für Menschen mit Aknenarben, die stark unter Entstellungsproblemen leiden.

Angststörungen, die häufig in der Dermatologie auftreten, sind spezielle Phobien, Panikstörung, soziale Phobie und eine generalisierte Angststörung. Wie Dr. med. Gabriele Rapp (Stuttgart) betonte, bedeutet Angst für dermatologische Patienten, unangenehm aufzufallen und bewertet zu werden. Woran erkennt man eine Angststörung?

Die Patienten sind angespannt, schwitzen, machen sich Sorgen, sprechen viel und versichern sich oft zurück, sie sind depressiv oder entwickeln psychovegetative Beschwerden. Typisch ist auch, dass die Behandlung nicht wirkt. In diesem Fall sollte die ­Situation mit Empathie angesprochen werden.

Geeignete Fragen sind: „Haben Sie einen Angstanfall mit plötzlicher starker Angst und Unruhe? Sind Sie über mindestens einen Monat ängstlich, angespannt und besorgt?“ Anschließend sollte gemeinsam mit dem Patienten über Therapieoptionen, psychotherapeutisch und/oder medikamentös, entschieden werden. Der Patient selbst hat die Möglichkeit, Tagebuch zu führen, eine Selbsthilfegruppe zu besuchen oder Entspannungsmethoden zu praktizieren.

Beginn in jungen Jahren

Angststörungen beginnen im Kindes- und Jugendalter, darauf wies Dr. Andrea Eisenberg (Bad Hersfeld) hin, und manifestieren sich bis zum 30. Lebensjahr. Das sei durch alle Kulturen und alle Kontinente zu beobachten, bei Frauen doppelt so häufig wie bei Männern. Ob die Angst neurotisch oder eher psychotisch ist, erkenne man an der stärkeren Reaktion auf ein belastendes Erlebnis sowie in abnormen ­Bewältigungsstrategien. Häufige Angststörungen laut ICD-10 sind Anpassungsstörungen, die akute Belastungsreaktion, das posttraumatische Belastungssyndrom (PTBS), aber auch Zwangsstörungen wie der Waschzwang oder somatoforme Störungen, die sich in einer Pseudoallergie äußern können. ­Aktuell fällt im Zuge des Maskengebotes ein Dermatozoenwahn auf. Etwa 2 % der Bevölkerung hat Angst vor nicht sichtbaren Parasiten, die sich auf einer ­FFP2-Maske befinden könnten.

Ekel vor der eigenen Haut

Bei Akne, Psoriasis und Neurodermitis spielt Scham als Leitaffekt eine Rolle, ebenso auch bei körperdysmorphen Erkrankungen (KDS) oder der Skin Pricking Disorder, sagte Prof. Dr. rer. medic Christian Stierle (Hamburg). Scham führt häufig zu Rückzug, Kaschierverhalten, Selbsthass, Selbstverletzung oder aggressivem Verhalten im sozialen Umgang. Experimentelle Ergebnisse zeigen, dass Ekel und Selbstekel über die Lebensspanne zunehmen.

Verglichen mit Angst oder Depressionen sind bei Scham und Ekel psychotherapeutische Interventionen weniger gut etabliert. Eine gute Strategie, die dem posttraumatischen Belastungssyndrom entlehnt ist, ist die ­Kombination aus kognitiver Umstrukturierung und „Imagery Rescripting“. Das heißt, die Richtung der emotionalen Reaktion wird geändert und erneut interpretiert. „Imagery Rescripting“ bedeutet, das innere Bild umzuschreiben und Negatives auszublenden, sodass das Bild neutral oder sogar positiv ausfällt. Dabei kann „Imagery Self Compassion“ ­helfen, welche durch mitfühlende Selbstfürsorge die Sympathikusaktivierung erniedrigt.

Angst vor Aknenarben

Menschen mit Aknenarben nehmen sich deutlich negativer wahr als Personen mit einem klaren Hautbild, erklärte Prof. Dr. med. Uwe Gieler (Gießen). Das ergab eine Befragung von 97 Patienten mit milder Akne (IGA = 1,29), die durchschnittlich 35 Jahre alt waren. Etwa 80,2 % der Betroffenen waren weniger selbstbewusst, 84,4 % fühlten sich weniger attraktiv und 85,4 % waren weniger glücklich, wenn sie sich im Spiegel betrachteten. Zu einer Narbenbildung kommt es bei 43 % der Patienten mit leichter bis sehr schwerer Akne.

Zwar nimmt das Narbenrisiko mit dem Schweregrad zu, doch es besteht auch bei einer leichten Ausprägung, immer verbunden mit der Gefahr einer Stigmatisierung. Zu den somatoformen Störungen gehören Entstellungsgefühle, ­körperliche Beschwerden, die sich nicht nur auf die dermatologische Erkrankung zurückführen lassen. Wie eine repräsentative Stichprobe unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Ausbildung und ­Familiensituation zeigte, nahmen Entstellungs­gefühle zwischen 2002 und 2018 von 0,5 % auf 1,2 % zu. Fast 15 % der Aknepatienten berichteten über Entstellungsgefühle, die in Form einer KDS auftraten. In der Bevölkerung war dies bei rund 5 % der Fall.

Die Autorin

Dr. rer. nat. Christine Reinecke
70378 Stuttgart

dres.reinecke@t-online.de
www.hello-biology.com

Dr. Christine Reinecke ist promovierte Diplom-Biologin und ­seit über 25 Jahren freiberufliche Autorin zahlreicher Publikationen der Naturheilkunde, Medizin und Pharmazie

Veranstaltung des Arbeitskreises Psychosomatische Dermatologie „Die verschiedenen Gesichter von Angst­störungen in der Dermatologie“

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