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Fokus Naturmedizin

Neurodermitis und Juckreiz

Phytotherapeutika gegen Pruritus

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt

2.2.2021

Neurodermitis ist die häufigste chronisch-entzündliche Hauterkrankung. Ein charakteristisches Symptom ist chronischer Pruritus. Abhängig vom Ausprägungsgrad können phytotherapeutische Maßnahmen allein oder auch im Wechsel mit topischen Antihistaminika Linderung verschaffen.

Im akut entzündlichen Stadium mit Juckreiz gilt der Grundsatz „feucht auf feucht“. Die Ekzeme können mit kühlenden Umschlägen, feuchtigkeitsspendenden Lotionen oder Cremes und bei wenig nässenden Ekzemen mit Schüttelmixturen behandelt werden. Der Teufelskreis aus Juckreiz, Kratzen, Hautschäden und Entzündung kann durch kühlende Umschläge mit Auszügen aus Gerbstoff-haltigen Phytotherapeutika, z. B. Eichenrinde, Teeblätter, Haferstroh, Hamamelisblätter oder -rinde (Tab.), durchbrochen werden. Auch Ballonrebenkraut, Bitter­süßstängel, Kamillenblüten sowie Johanniskraut sind im akuten Stadium geeignet. Bei starkem Juckreiz kann mit Minz- bzw. Pfefferminzöl behandelt werden. Das ätherische Öl wirkt lokal anästhesierend, juckreizlindernd und kühlend, kann allerdings konzentriert auch stark reizend wirken.

Im akuten Stadium zu meiden

Es sollten keine Puder, Fettsalben oder Öle verwendet werden, da sie das Abdunsten von Exsudat beeinträchtigen. Umschläge sollten daher nicht mit Plastikfolie abgedeckt werden.  Auch feuchtigkeitsspendende Urea-haltige Zubereitungen sollten im akuten Schub gemieden werden, da sie die Haut reizen und leichtes Brennen auslösen können. Darüber hinaus sind bei Anwendung von Phytotherapeutika in der Neurodermitisbehandlung allergische Reaktionen zu berücksichtigen. Auf Präparate mit allergisch bedenklichen Inhaltsstoffen wie Konservierungs-, Duft- oder Farbstoffe sollte generell verzichtet werden. Zubereitungen, die Bestandteile von Korbblütlern, z. B. Kamillen- oder Ringelblumenextrakte, enthalten, können sowohl Sofort- als auch Spättypallergien auslösen. Darüber hinaus gibt es Berichte über Kontaktallergien zu ätherischen Ölen, vor allem zu Teebaumöl (> Allergie).

Phytotherapie stadiengerecht anwenden

Entscheidend für den Behandlungserfolg ist eine dem jeweiligen Krankheitsstadium angepasste Phytotherapie und eine phasengerechte Applikationsform. Sind während akuter Schübe mit Entzündung wenig fettende Zubereitungen und feuchtigkeitsspendende Umschläge erforderlich, stehen im chronischen Stadium die Hautrückfettung, die Prurituslinderung sowie die Reduktion einer bakteriellen Besiedlung im Vordergrund. Dann ist es das Ziel, die oft defekte Barrierefunktion wiederherzustellen, denn die wichtigste Vorbeugemaßnahme gegen Pruritus ist eine regelmäßige Hautpflege zum Schutz der Hautbarriere. Grundsätzlich können Salben mit feuchtigkeitsregulierendem Harnstoff oder Urea-haltige Cremes empfohlen werden. Im subakuten und chronischen Stadium gilt „fett auf trockene Haut“. Mit steigendem Fettanteil eines Pflegeprodukts erhöht sich der Schutz vor Hautaustrocknung. Zeigen sich im subakuten Zustand Rötung und Schuppung, sind Cremes und leicht fettende Salben geeignet. Im Zustand mit Schuppung und Lichenifikation sind fettende Salben und Ölbäder vorteilhaft. Die fettenden Grundlagen können Ballonrebenkraut, Bittersüßstängel, Borretsch-, Nachtkerzensamenöl, Hamamelisblätter bzw. -rinde, Kamillenblüten oder Johanniskraut enthalten. Im chronischen Stadium sollten keine austrocknenden Umschläge, Bäder oder austrocknende Kühlsalben bzw. Lotionen verwendet werden. Bei Läsionen mit Krustenbildung sind fett-feuchte Umschläge empfehlenswert. Dazu wird die betroffene Hautstelle mit wirkstofffreier oder mit Borretschsamenöl-haltiger Creme eingefettet. Darüber kommt ein feuchter Umschlag bzw. Schlauchverband, der mit Schwarztee oder anderen Gerbstoff-haltigen Pflanzenauszügen befeuchtet wird. Zur Abdeckung wird ein trockener Verband verwendet. Die Umschläge sind regelmäßig anzufeuchten. Dies bewirkt juckreizlindernde Verdunstungskälte. Bei trockener Haut verschaffen auch Öldispersionsbäder, z. B. mit Hänge-Birke (Betula pendula) oder Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense L.), Linderung. Sie bewirken eine milde Fettung, ohne Juckreiz zu verursachen. Auch Haferstroh kann gegen Juckreiz empfohlen werden. Zu beachten bei Haferstrohexakt ist, dass es sich um eine dunkelschwarze Flüssigkeit handelt, die die Badewanne färbt.

Gerbstoff-haltige Phytotherapeutika

Gerbstoffe haben juckreizlindernde, adstringierende, sekretionsmindernde und entzündungshemmende Eigenschaften. Daher eignen sie sich zur Anwendung auf juckenden, nässenden Hautpartien während eines akuten Neurodermitisschubs. In schwarzem Tee sind z. B. viele natürliche Gerbstoffe enthalten. Auch Eichenrinde ist reich an Gerbstoffen und kann daher juckreizstillend und antientzündlich wirken. Sie kann z. B. für Bäder – auch in Kombination mit Haferstrohextrakt – verwendet werden. Hamamelisblätter und -rinde sowie Bittersüßer Nachtschatten enthalten ebenfalls viele Gerbstoffe und sind zur Linderung von Pruritus sowie Entzündung geeignet.

Bewährte Phytotherapeutika zur Hautpflege

Der Einsatz von Bittersüß und Ballonrebe hat sich in der Neurodermitisbehandlung bewährt, denn die Heilpflanzen besitzen antiinflammatorische und juckreizlindernde Wirkung. Ballonrebenkraut ist zudem stark feuchtigkeitsspendend und bei entzündeter, ekzematöser Neurodermitishaut mit Pruritus besonders geeignet. Kamillenblüten können ebenfalls in der Neurodermitisbehandlung eingesetzt werden, denn sie wirken antibakteriell, antimykotisch sowie virostatisch. Zudem regen sie den Hautstoffwechsel an und zeigen immunmodulierende ­Effekte. Die eher seltenen Kontaktekzeme werden meist durch die beigemengte Hundskamille ausgelöst. Bei extrem starkem Juckreiz (v. a. bei knotenförmiger Prurigo) kann Capsaicin helfen. Das brennende ­Gefühl verschwindet nach ein paar Tagen, die Juckreizlinderung hält länger an. Allerdings werden ­Cayennepfefferfrüchte von der extrem gereizten und empfindlichen Haut bei Neurodermitis oft schlecht vertragen.

Phytotherapie bei Neurodermitis richtet sich nach dem Krankheitsstadium

Öle mitγ-Linolensäure

Die Ω-6-Fettsäure Linolsäure ist ein wichtiger Bestandteil der äußersten Schicht der Epidermis. Ein Linolsäuremangel kann eine Störung der Hautbarriere zur Folge haben. Zudem ist die Linolsäure als Vorläufer der γ-Linolensäure bedeutsam. Für die Umwandlung wird das Enzym Δ-6-Desaturase benötigt. Patienten mit Neurodermitis zeigen eine verminderte Aktivität dieses Enzyms. In Folge mangelt es Neurodermitispatienten anγ-Linolensäure, die ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Hautbarriere ist. Sie wird in den Zellmembranen von Hautzellen eingebaut. Um den Mangel anγ-Linolensäure zu kompensieren, können Nachtkerzen- oder Borretschsamenöl angewendet werden. Beide Öle enthalten zudem Hautbarriere-stärkende Linolsäure. Rückfettende Bäder und ­Salbenzubereitungen mit Nachtkerzensamenöl vermindern den transepidermalen Wasserverlust und verbessern die Hautstruktur. Darüber hinaus wirkt Nachtkerzensamenöl antientzündlich, antiallergisch und juckreizlindernd.

Phytotherapeutika zur inneren Anwendung

Aufgrund eines Mangels und/oder einer Dysfunktion der Δ-6-Desaturase wird bei Neurodermitispatienten zu wenigγ-Linolensäure gebildet. Diese Fettsäure wird in der Haut weitgehend zur Dihomo-γ-Lino­len­säure (DGLA) metabolisiert. DGLA ist die Vorläufersubstanz von Prostaglandin E1- und 15-Hydroxy-­Eicosatriensäure, die beide antiinflamma­torische Effekte aufweisen. Der Mangel an γ-Lino­lensäuren kann durch orale Gaben von pflanzlichen Ölen kompensiert werden. Nachtkerzenöl, Borretschsamenöl, Hanföl, Schwarzes Johannis­beerkernöl und Schwarzkümmelöl sind reich an diesen Fettsäuren und beeinflussen den Stoffwechsel der Haut positiv. So führt die interne Therapie mit Nachtkerzensamenöl in der Langzeitanwendung zu Juckreizlinderung, Entzündungshemmung und Verbesserung der Hautfeuchtigkeit. Der Wirkungseintritt beginnt nach vier bis acht Wochen. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass vor allem die Neurodermitispatienten profitieren, bei denen der γ-Linolensäure-Spiegel im Blut deutlich ansteigt. Zudem sollten Neurodermitispatienten besonders auf ihre Ernährung achten, da in vielen Fällen Neurodermitis mit einem Reizdarmsyndrom und mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten assoziiert ist. Zur Stärkung der Darmgesundheit sind Probiotika und Präbiotika geeignet. Zahlreiche Studien geben Hinweise auf positive Effekte. Milde Effekte auf den Hautzustand bei Neurodermitis zeigt vor allem die Kombination aus einem Präbiotikum, z. B. Fructo-Oligosaccharid, und einem Probiotikum, z. B. Lactobacillus salivarius. Allerdings erschweren unterschiedliche Dosierungen und der Einsatz verschiedener Stämme in den Studien die Beurteilung. Festzuhalten ist, dass bei Neurodermitispatienten der Darm keinesfalls im ganzheitlichen Therapiekonzept außer Acht gelassen werden sollte, da sich seine Gesundheit im Hautbild widerspiegelt (> Mikrobiom).

FAZIT:

Der Einsatz der Phytotherapeutika gegen ­Pruritus ist abhängig vom jeweiligen Krankheitsstadium der Neurodermitis. So werden im akuten entzündlichen Stadium die feuchtigkeitsspendenden und wenig fettenden Zubereitungen eingesetzt. Während eines Schubs helfen Gerbstoff-haltige Phythothera­peutika mit juckreizlindernden, adstringierenden, sekretionsmindernden und entzündungshemmenden Eigenschaften. Die Hautrückfettung, die Juckreizlinderung und die Reduktion bakterieller Besiedlung sind im chronischen Stadium die zentrale ­Behandlungsstrategie mit dem Ziel, die defekte Hautbarriere zu regenerieren. Für die systemische Behandlung mit Phytotherapeutika eignen sich pflanzliche Öle, die den Mangel an γ- Linolensäuren ausgleichen, den Juckreiz lindern, entzündungshemmend wirken und die Hautfeuchtigkeit verbessern.

Die Autorin

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt
Wissenschaftliche
Autorin & Referentin
18439 Stralsund

info@phar-med.de
www.phar-med.de

Literatur bei der Autorin

Bildnachweis: Aleksei_Derin (iStockphoto)

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