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Fokus Naturmedizin

Femtech-Apps

Eignen sich Zyklus-Apps für eine Zuverlässige Kontrazeption?

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

22.8.2025

Zyklus-Tracking-Apps ermöglichen es Nutzerinnen, Menstruationszyklen aufzuzeichnen, Symptome und Körpersignale (z. B. Basaltemperatur, Zervixschleim) zu dokumentieren und fruchtbare Phasen zu prognostizieren. Sind sie die idealen hormonfreien Kontrazeptiva?

In den App-Stores existiert inzwischen eine unüberschaubare Anzahl an Zyklus-Apps. Weltweit nutzen Millionen Frauen solche Apps zur Zykluskontrolle – die Pionier-App „Clue“ beispielsweise verzeichnet monatlich über 12 Millionen aktive Nutzerinnen. Wichtig zu betonen ist jedoch, dass nicht alle Zyklus-Apps für die Kontrazeption geeignet sind. Viele kostenlose Perioden-Tracker dienen nur der Übersicht und verwenden einfache Kalendermodelle, die allein auf Durchschnittswerten früherer Zyklen basieren. Solche Kalender-Apps können die individuellen Schwankungen des Zyklus nicht abbilden und sind als Verhütungsmethode ungeeignet [1,2].

Leider ist sich ein Großteil der Anwenderinnen nicht bewusst, welche Auswertungslogik hinter einer App steht; Design und Benutzerfreundlichkeit fließen häufiger in die Entscheidung ein als medizinische Validität. Die bisher größte Studie zur Wirksamkeit einer Zyklus-App wurde mit der App „Natural Cycles“ durchgeführt. Dabei ergab sich ein Pearl-Index von ~6,8 – rund 7 von 100 Frauen pro Jahr wurden schwanger, obwohl sie die App nutzten [3]. Eine Zyklus-App sollte daher grundsätzlich nicht zur Verhütung empfohlen werden, sofern nicht nachgewiesen ist, dass sie eine evidenzbasierte Methode korrekt implementiert.

Die bisher größte Studie zu Zyklus-Apps ergab einen Pearl-Index von ~6,8 – nicht gerade besonders sicher.

Auf der anderen Seite gibt es spezialisierte Apps, die in Kombination mit bestimmten Messmethoden als digitale Verhütungsmittel vermarktet werden. Diese greifen auf bekannte Methoden der natürlichen Familienplanung zurück, z. B. die sympto­thermale Methode, und setzen sie mithilfe eines Algorithmus um.

NFP-Apps basieren auf der symptothermalen Methode der natürlichen Familienplanung (NFP). Diese Methode kombiniert 2 unabhängige Körperindikatoren – typischerweise die morgendliche Basaltemperatur und Veränderungen am Zervixschleim –, um den Eisprung im aktuellen Zyklus rückwirkend zu erkennen. Nach festgelegten Regeln (z. B. Sensiplan-Regeln) wird der Beginn und das Ende der fruchtbaren Phase bestimmt, an die sich Paare hinsichtlich Geschlechtsverkehr anpassen müssen. NFP-Apps erlauben der Nutzerin, Temperatur- und Schleimdaten täglich einzugeben, manche bieten auch automatisierte Auswertungen auf Basis hinterlegter Regeln.

Die symptothermale Methode ist seit Jahrzehnten erforscht und beschrieben. Unter idealen Bedingungen (stabile Lebensrhythmen, Schulung der Anwenderin) erreicht die Sensiplan-Methode einen Pearl-Index um 0,4. Realistischerweise liegt der Pearl-Index im Alltagsgebrauch aber näher bei 1,8 [4,5].

Sensorbasierte Zyklus-Anwendungen sind in der Lage, Anwenderfehler zu minimieren.

Eine Weiterentwicklung stellen sensorbasierte Zyklus-Systeme dar, die spezielle Messgeräte mit einer App kombinieren. Hierzu zählen z. B. trackle, Cyclotest myWay/mySense, Daysy oder Ovy. Diese Systeme automatisieren Teile der Datenerhebung – meist die Körpertemperatur –, um Anwenderfehler zu reduzieren. Beispiel trackle: Dabei handelt es sich um einen kleinen Temperatursensor, der vaginal über Nacht getragen wird und die Aufwach-Basaltemperatur exakt ermittelt. Am Morgen wird der Sensor entnommen und die Messwerte per App ausgelesen. Zusätzlich können in der App manuell die Zervixschleim-Qualität und weitere Symptome eingetragen werden. Das System wertet nach den Sensiplan-­Regeln aus und markiert eindeutig die unfruchtbaren Phasen. Allerdings gilt auch hier: Automatisierung ersetzt nicht die Methode an sich. Ein Sensor kann falsche Anwendung (z. B. ungeschützten Verkehr an „roten“ Tagen) nicht verhindern.

Die Adhärenz der Anwenderinnen spielt bei App-gestützter Verhütung eine zentrale Rolle. Anders als bei „passiven“ Methoden (Spirale, Implantat) muss die Nutzerin täglich aktiv mitarbeiten. In der Praxis zeigt sich, dass viele Frauen die hohen Anforderungen nicht dauerhaft einhalten. Im Natural-Cycles-Kollektiv hatten rund 54 % der Frauen die Nutzung innerhalb eines Jahres beendet [3]. Gründe dafür können vielfältig sein: auftretende Schwangerschaften, Frustration über die restriktiven Vorgaben (z. B. häufige „rote“ Tage mit Sex-Verbot oder Kondompflicht), Unzufriedenheit mit der App oder Wechsel zu anderen Methoden.

Die typische Sicherheit hängt stark von der Selbstdisziplin der Nutzerin bzw. des Paares ab. In der Beratung sollte das deutlich angesprochen werden: „Natürliche“ Verhütung erfordert ein hohes Maß an Mitwirkung des Partners und klare Absprachen. Viele Nutzerinnen brauchen einige Zyklen, um ihre individuellen Muster zu verstehen. In den ersten 3–6 Monaten arbeitet die Apps daher oft mit längeren Sicherheitsfenstern, weil noch wenige Zyklusdaten vorliegen.

Die typische Sicherheit hängt stark von der Selbstdisziplin der Nutzerin bzw. des Paares ab.

Für Frauenärztinnen und Frauenärzte bedeutet die Femtech-Ära, sich aktiv mit diesen neuen Tools vertraut zu machen. Viele Patientinnen nutzen Zyklus-Apps bereits eigeninitiativ. Statt pauschaler Ablehnung ist eine informierte, differenzierte Beratung gefragt: Welche App nutzt die Patientin? Welche Methode steckt dahinter? Wie sind ihr Zyklus und Lebensstil? So kann gemeinsam beurteilt werden, ob eine App-gestützte Verhütung sinnvoll und sicher realisierbar ist.

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  1. DGGEF Sektion Natürliche Fertilität. Warnung vor FDA-zugelassener Verhütungs-App (NaturalCycles) – Pressemitteilung vom 12.10.2018
  2. Frank-Herrmann R et al., Gynäkol Endokrinol 2021; 19: 217–27
  3. Berglund Scherwitzl E et al., Contraception 2017; 96: 420–5
  4. Struck D, Gerhard I, Privatarzt Gynäkol 2020; 11: 34–5
  5. Frank-Herrmann R et al., Adv Contracept 1997; 13: 179–89
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