Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt in der Medizin zunehmend an Bedeutung. Nutzen und Risiko werden kontrovers diskutiert. Eine bereits weit entwickelte Einsatzmöglichkeit ist die individuelle Hautzustandsanalyse via Smartphone. Wie weit kann KI in die dermatologische Diagnostik integriert werden?
Die präzise Analyse des Hautzustands ist eine zentrale Voraussetzung für rationale dermatologische Entscheidungen. Bereits die Wahl einer ungeeigneten Grundlage kann pathophysiologische Prozesse beeinflussen: Bei Acne vulgaris führt eine zu fettreiche Formulierung häufig zu einer Verschlechterung, während übermäßige Pflege eine periorale Dermatitis induzieren kann.
Da herkömmliche Verfahren meist auf subjektiver Einschätzung beruhen oder teure Spezialgeräte erfordern, besteht ein Bedarf an objektiven, reproduzierbaren und praxistauglichen Systemen. Wir stellen deshalb hier die Entwicklung und Validierung eines Deep-Learning-basierten Algorithmus vor, der eine multiparametrische Hautanalyse unter Alltagsbedingungen allein anhand von Smartphone-Aufnahmen ermöglicht.
Das KI-gestützte Analysesystem
Das KI-gestützte Programm basiert auf einer modifizierten U-Net-Architektur mit getrennten Ausgabepfaden für lokale und globale Merkmale, welche bereits in der Hautkrebsforschung etabliert wurde. Der Algorithmus wurde zunächst auf 100 000 synthetischen Porträts vortrainiert und anschließend mit 294 realen Selfies von 202 Erwachsenen unter variierenden Lichtbedingungen validiert. Die Aufnahmen erfolgten mit den eigenen Smartphones der Teilnehmenden, um die Alltagstauglichkeit zu gewährleisten.
Drei Dermatologen annotierten die Bilder u. a. hinsichtlich Parameter wie Fettigkeit, Trockenheit, Erythem, Falten, Entzündung, Lentigines oder dem Hauttyp nach Fitzpatrick. Die Leistungsbewertung erfolgte mittels fünffacher Kreuzvalidierung, Permutationstests und Bootstrap-Konfidenzintervallen.
Ergebnisse der Testphase
Der Algorithmus erreichte eine hohe Klassifikationsgenauigkeit. Für fettige Haut lag die Genauigkeit (ACC) bei 71 %, die erweiterte Genauigkeit (ACC+1) bei 91 %. Entzündliche Veränderungen wurden mit 73 % (ACC) und 94 % (ACC+1) korrekt erkannt, der Fitzpatrick-Hauttyp mit 80 % bzw. 98 %. Bei Trockenheit und Lentigines lagen die exakten Trefferquoten niedriger, blieben jedoch überwiegend innerhalb klinisch akzeptabler Abweichungen (ACC+1 ≈ 7 %).
Die aggregierten Konfusionsmatrizen (Abb.) zeigen eine enge Übereinstimmung zwischen Modell und Expertenbewertungen, insbesondere bei Falten, Trockenheit und Erythemgrad. Diese Ergebnisse belegen die Robustheit und Reproduzierbarkeit des Systems unter realen Aufnahmebedingungen.
Was daraus folgt …
Das vorgestellte Deep-Learning-System ermöglicht eine standardisierte, reproduzierbare und objektive Analyse physiologischer Hautparameter auf Basis von Smartphone-Aufnahmen. Durch die wiederholte Durchführung der Analyse können saisonale, altersbedingte oder situative Veränderungen des Hautzustands berücksichtigt werden, wodurch eine präzise und aktuelle Grundlage für die Auswahl geeigneter Formulierungen entsteht.
Die Integration von Feedback-Mechanismen erlaubt eine kontinuierliche Optimierung des Algorithmus und unterstützt die Weiterentwicklung evidenzbasierter Dermatologie. Das Verfahren bietet damit die Möglichkeit, subjektive Beurteilungen durch quantifizierbare und lernfähige Modelle zu ergänzen und dermatologische Entscheidungsprozesse langfristig zu standardisieren.
Praktische Umsetzung bereits in der Kosmetik
Die Technologie findet bereits im Bereich der Pflegekosmetik Anwendung. Dort werden validierte KI-Analysedaten als Grundlage für die Herstellung individuell abgestimmter Formulierungen genutzt. Nach Apothekenstandard wird beispielsweise eine hochwertige Basiscreme mit gezielt ausgewählten Wirkstoff-Boostern kombiniert, homogenisiert und versiegelt abgefüllt. Durch die erneute Analyse vor jeder Fertigung kann die Zusammensetzung flexibel an saisonale, klimatische oder altersbedingte Veränderungen angepasst werden.
Langfristig ist vorgesehen, das Verfahren auch für medizinische Wirkstoffcremes zu nutzen und damit die Methodik auf therapeutische Anwendungen zu erweitern – ein Beispiel für die konsequente Verbindung wissenschaftlicher Innovation mit personalisierter Dermatologie.

Die hohe Übereinstimmung zwischen KI und Experten bei der Analyse von Hautfalten, Trockenheit und Rötung der Haut zeigt die Möglichkeiten bzw. den Nutzen der KI in Ergänzung zur Diagnose des Dermatologen.

Der Autor
PD Dr. med. Lutz Schmitz
Facharzt für Dermatologie und Venerologie
CentroDerm Wuppertal
Bildnachweis: privat