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Dermatologie

Stigmatisierung und psychische Belastung

Autoimmunkrankheiten der Haut

Dipl.-Psych. Dr. Judith A. Bahmer, Prof. Dr. med. Friedrich A. Bahmer

3.8.2021

Autoimmunerkrankungen der Haut machen nur einen kleinen Teil aller Hautkrankheiten aus, gehen aber aufgrund ihrer Chronizität sowie ihrer massiven Auswirkungen auf die Lebensqualität mit einer erheblichen psychischen Komorbidität einher.

Da schwere Verlaufsformen von Autoimmun­erkrankungen der Haut zur Invalidisierung und zum Tod führen können, macht die psychische Belastung in Einzelfällen eine psychotherapeutische Mitbehandlung notwendig. Zu den Autoimmunkrankheiten der Haut im weiteren Sinn zählen Psoriasis, atopische Dermatitis, ­Alopecia areata, Lichen planus und Vitiligo. Kutane Autoimmunkrankheiten im engeren Sinn lassen sich unterteilen in blasenbildende Hautkrankheiten der Pemphigus- und Pemphigoid-Gruppe und in die Kollagenosen Lupus erythematodes, Dermatomyositis, Sjögren-Syndrom, Sklerodermie sowie ­deren Überlappungssyndrome. Für die Entstehung und für den Verlauf kutaner Autoimmunkrankheiten spielen, wie bei anderen immunologisch bedingten Krankheiten, psychophysiologische Faktoren eine Rolle. Das Verstehen der psychischen Faktoren steckt, selbst im Hinblick auf die häufigen Dermatosen wie Psoriasis und atopische Dermatitis, noch in den Kinderschuhen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass sich die meist unbewussten psychischen Faktoren, anders als die Hautveränderungen, schlecht operationalisieren und quantifizieren lassen. Gleiches gilt für psychosoziale Einflussfaktoren. Bei den Autoimmundermatosen im engeren Sinn kommt hinzu, dass es sich, vom Lichen planus abgesehen, um seltene Krankheiten („orphan diseases“) handelt, für deren wissenschaftliche Erforschung nur ein sehr begrenztes ­öffentliches Interesse besteht.


Die Verbindungen zwischen Haut und Psyche sind sehr eng, entstammen doch das Zentralnerven­system und die Haut demselben Keimblatt, dem Ektoderm. Schon lange ist bekannt, dass extrinsische und intrinsische Stressfaktoren das hochkomplexe Netzwerk aus neurologischen, psychologischen, ­endokrinologischen und immunologischen Faktoren beeinflussen und vor allem entzündliche Reaktionen der Haut modulieren. Für die Autoimmunkrank­heiten Psoriasis und atopische Dermatitis liegen dazu reichlich Untersuchungsbefunde vor, kaum jedoch für die Kollagenosen.

Extrinsische und interne Stressoren

Extrinsische Stressoren lassen sich im Tierexperiment modellieren und deren Auswirkungen auf Teile des humoralen Netzwerkes untersuchen. Auf dieser Basis wurde das Konzept der trimodalen Immunmodulation entwickelt. Dieses Modell postuliert, dass akuter Stress zelluläre und humorale Immunfunktionen aktiviert, chronischer Stress dagegen dieselben Funktionen supprimiert. Bei diesen Untersuchungen wurde ein dritter Reaktionsmechanismus entdeckt, mit einer erhöhten Neigung zu autoimmunen Entzündungen einhergehend. Da sich das Immunsystem der Säugetiere nicht grundsätzlich unterscheidet, ­lassen sich diese Befunde, zumindest teilweise, auch auf die Humanmedizin übertragen. Interne Stressoren lassen sich wenig gut identifizieren oder gar quantifizieren, da in der psychischen Struktur verankert und häufig unbewusst. Persönlichkeitspsychologische Untersuchungen, beruhend auf der Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktion (PSI), zeigen unter anderem, dass die Frustration basaler Bedürfnisse (nach sozialem Anschluss, Leistung und Macht) als Vermittler zwischen Selbststeuerungsdefiziten und psychosomatischen Beschwer­den fungiert. Betroffene, deren Bedürfnisse nach Nähe und Beziehung beispielsweise durch eine deutlich sichtbare Hauterkrankung frustriert werden und die nicht in der Lage sind, die hieraus resultierenden, negativen Gefühle zu regulieren, haben ein höheres Risiko, psychosomatische Symptome zu entwickeln als jene, die aufgrund einer stabilen Selbst- und Affektregulation die Bedürfnisfrustration bewältigen können und handlungsfähig bleiben.

Keine schematisierte Psychotherapie anwendbar

Die psychotherapeutische Mitbehandlung von Patienten mit Autoimmunkrankheiten lässt sich nicht schematisieren, diese hängt von der Art der Dermatose und den begleitenden psychischen Störungsbildern ab. Blasenbildende Dermatosen, Sjögren-Syndrom und Sklerodermie kommen nur ausnahmsweise für eine Psychotherapie in Betracht. Therapieziele sind die Verbesserung der Krankheitsakzeptanz und Krankheitsbewältigung sowie die Prävention komorbid auftretender depressiver Erkrankungen.

Lupus erythematodes

Bei der systemischen Form des Lupus erythematodes ist eine Beteiligung des Zentralnervensystems häufig mit Störungsbildern, die von leichten kognitiven Beeinträchtigungen bis hin zu Verwirrtheits­zuständen, Psychosen, Angststörungen und Depressionen reichen, assoziiert. Psychologisch interessant, wenn auch wenig ausführlich beforscht, ist der kutane Lupus erythematodes. Patienten mit dieser Form des Lupus rauchen überzufällig häufig und berichten über massives Stresserleben. Nicht wenige zeigen eine geringe Compliance bezüglich eines konsequenten Lichtschutzes sowie regelmäßiger Medikation. Bei dieser Patientengruppe fokussiert die Psychotherapie auf Stressreduktion (z. B. durch Entspannungsverfahren, kognitive Verhaltenstherapie), Rauchentwöhnung sowie auf eine Verbesserung der Compliance.

Alopecia areata

Die Alopecia areata als quoad vitam harmlose, aber psychisch sehr belastende Dermatose, vor allem des Kindes- und Jugendalters, wird häufig durch belastende Ereignisse und Konflikte ausgelöst. Besonders eindrucksvoll ist die Maximalvariante der Alopecia areata totalis, auch in Form des „plötzlichen Ergrauens“, ausgelöst durch ein akutes, oft lebensbedrohliches psychisches Trauma, wobei die Haare innerhalb von Tagen oder Stunden ausfallen. Erst kürzlich konnte tierexperimentell nachgewiesen werden, auf welchem Weg Stress plötzlichen Haarausfall auslösen kann. Dieses Phänomen der psychischen Haarausfallgenese wurde bis vor wenigen Jahren selbst von Koryphäen der Haarforschung bezweifelt. In der Psychotherapie der Alopecia areata wird versucht, die Krankheitslast sowie das Entstellungserleben zu mindern und das Selbstwerterleben zu restabilisieren.

FAZIT:

Für alle genannten Erkrankungen erscheint aufgrund der Chronizität eine Einbindung in Selbsthilfeprogramme und -organisationen sinnvoll, um einen horizontalen Erfahrungsaustausch zu fördern und sozialer Isolation und Selbstausgrenzung vorzubeugen.

Literatur bei den Autoren

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