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FOKO 2022

Langfristige Therapie erforderlich

Adipositas-Sprechstunde in der Frauenarztpraxis

Mindestens 10 % unserer Patientinnen sind nicht nur übergewichtig, sondern leiden an Adipositas. Einer chronischen Krankheit, die lebenslang betreut werden muss. Weil viele Folgen gynäkologischer Natur sind, ist die Frauenarztpraxis bei Frauen im fertilen Alter der logische Beratungspunkt.

Chairman Prof. Dr. med. Thomas Römer (Köln) arbeitete beim Vortrag „Adipositas und die Folgen“ noch einmal klar heraus, wie relevant das Thema Adipositas für die Frauenarztpraxis ist. Schon die Patientinnen im fertilen Alter sind zu 20–30 % übergewichtig, 10 % sind an einer Adipositas erkrankt. Mit vielen Folgen für das Leben und die Familienplanung. Ausführlich ging er auf die Besonderheiten der Kontrazeptionsberatung bei Patientinnen mit Adipositas ein:

  • Ängste vor einer weiteren Gewichtszunahme durch die Anwendung von hormonellen Kontrazeptionsmethoden.
  • Ein durch die Adipositas und weitere Komorbiditäten bedingtes erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien.
  • Spezielle Nebenwirkungen von Kontra­zeptionsmethoden bei adipösen Patientinnen (z. B. Blutungsstörungen).
  • Mögliche verminderte Sicherheit einzelner Kontrazeptionsmethoden bei Adipositas.
  • Besondere Aspekte der Wirksamkeit bei adipösen Patientinnen im Zuge der Notfall­kontrazeption.

Vor allem für Frauen mit BMI > 40 ist die bariatrische Chirurgie ein Weg zurück zu einem gesünderen Gewicht – und zu einer besseren Fertilität. Nach einer solchen Operation finden viele Stoffwechselumstellungen im Körper statt, die internationalen Leitlinien raten daher, den Kinderwunsch um mindestens 18 Monate zurückzustellen. Prof. Römer wies darauf hin, dass es deshalb bei Patientinnen im fertilen Alter vor bariatrischer Chirurgie wichtig ist, die Kontrazeption für die Folgezeit zu besprechen. Sowohl bei malabsorptiver als auch restriktiver OP-Methode kann die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva vermindert sein, weshalb möglichst orale Methoden vermieden werden sollten. Das gilt auch für die Notfallkontrazeption. Ein LNG-IUS ist seiner Meinung nach die Methode der Wahl.

Die Physiologie des Jo-Jo-Effekts

Dr. med. Anneliese Schwenkhagen von der Praxis für gynäkologische Endokrinologie (Hamburg) stellte in ihrem Vortrag die medikamentöse Therapie in den Mittelpunkt. Dabei ging sie auch auf die Kompensationsreaktionen des Körpers nach einer Gewichtsreduktion ein: Ein verringerter Ruheumsatz ist demnach ein entscheidender Faktor bei der erneuten Gewichtszunahme, Veränderungen der Verdauungshormone, Unterdrückung der Schilddrüsen-Achse und Erhöhung der Cortisolkonzentrationen können die erneute Gewichtszunahme unterstützen.

Die Behandlung von Übergewicht und Adipositas sind ihrer Meinung nach in der Gynäkologie ein immer wichtigeres Thema. Die Basistherapie besteht in einer Veränderung des Ernährungsstatus und der Lebensgewohnheiten. Mittlerweile stehen zudem effektive Medikamente zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas zur Verfügung. GLP-1-Rezeptoragonisten wie Liraglutid beeinflussen die Neuronen den Nucleus arcuatus, die an der Regulierung des Appetits beteiligt sind, und reduzieren so das Hungergefühl.

Für Liraglutid gibt es in der Gynäkologie viele denkbare Einsatzbereiche von jung (ab 12 Jahren) bis alt. Dr. Schwenkhagen hält bei übergewichtigen und adipösen PCOS-Patientinnen die Kombination Metformin  plus Liraglutid 3,0 mg für eine möglicherweise effektive Behandlungsform, weist aber auch darauf hin, dass Metformin in dieser Indikation off-label eingesetzt wird. Mit Semaglutid soll bald ein weiterer GLP-1-RA zur Therapie von Übergewicht und Adipositas zur Verfügung stehen.


Das Versorgungsdesaster in Zahlen

Dr. Karsten Behle, Internist aus Köln mit Adipositas-Schwerpunktpraxis, stellte schließlich die praktischen Aspekte von Kommunikation und Abrechnung in den Vordergrund. Zunächst zeigte er an einem einfachen Rechenbeispiel auf Basis statistischer Daten, wie hoch das Potenzial an Patientinnen für eine Gewichtsreduktion in jeder Praxis ist – nämlich 6 von 100 Frauen (Abb.). In einer 1 200-Scheine-Praxis plus 20 % Privatpatientinnen wären das 170 Patientinnen in sechs Monaten. Allerhand.

Wieviele Patientinnen sind davon betroffen

An einem dramatischen Beispiel aus der ACTION-IO-Studie zeigte er, wie schlecht die Versorgungslage für diese Patientinnen aktuell ist. Und das fängt mit der Kommunikation an. Von 100 Frauen mit Adipositas werden in einer Sprechstunde nur 71 auf ihr Gewicht angesprochen – das ist noch relativ viel. Davon erhalten aber nur 55 % – also 40 % der Grundgesamtheit – die Diagnose Adipositas. Obwohl alle die Krankheit haben. Und nur 24 % – 17 % der Grundgesamtheit – bekommen eine Folgetermin, um über Strategien des Gewichtsmanagements zu reden. „Stellen Sie sich einmal vor“, so Behle, „ganz oben stehen statt Frauen mit Adipositas Frauen mit Brustkrebs (>Mammakarzinom). Wenn wir davon nur 17 % einen Nachfolgetermin für die Behandlung geben, hätten wir sehr viele tote Frauen. Diese Botschaft ist offensichtlich an vielen Stellen noch nicht angekommen.“

Wichtig ist der langfristige Aspekt. Frauen sehen Abnehmen als ein Projekt: „Ich werde jetzt abnehmen!“ Das fasst jede Patientin mal. Aber bei den meisten ist das verlorene Gewicht auch schnell wieder da, weil die Motivation irgendwann verlorengeht und die alten Verhaltensweisen wieder auftauchen.

Eine chronische Krankheit ist aber kein Projekt, sie hat nur einen Anfang, kein Ende. Dementsprechend müssen die Frauen auch aufgeklärt werden. Er zeigte Daten, die im Zusammenhang mit der Fernseh-Reality-Show „the biggest loser“ erhoben wurden. Keine Studie, aber exemplarische Beispiele. Bis zu 60 kg hatten manche Teilnehmer geschafft, die allermeisten waren ein Jahr später aber wieder beim Ausgangsgewicht. Aus seiner eigenen Praxiserfahrung bestätigt er: „40 bis 60 Kilogramm sind durchaus ohne Operation zu schaffen. Die Patienten halten das Gewicht aber nur, wenn sie mindestens einmal pro Quartal in die Praxis kommen und vernünftig betreut werden."

Frühstückssymposium „Adipositas in der gynäkologischen Praxis“ (Veranstalter: Novo Nordisk Pharma GmbH)

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