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Fokus Naturmedizin

Akne, Rosazea, atopische Dermatitis

Auf Mikrobiom-Diversität und pH-Wert achten

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

5.6.2022

Die Basis gesunder Haut ist ein diverses Mikrobiom und ein neutraler pH-Wert. Bei Akne ist der pH-Wert jedoch erhöht und die Balance der Cutibacterium-Spezies gestört. Diese neuen Erkenntnisse werden künftige Therapieansätze verändern.

Akne ist das Resultat eines komplexen Zusammenspiels zwischen den verschiedenen Bakterienarten sowie zwischen Wirt und Bakterien, so das Fazit eines Übersichtsartikels [1]. Die Hauterkrankung bildet sich an Stellen, die von Cutibacterium acnes (früher Propionibacterium acnes) und dem pathogenen Pilz Malassezia besiedelt werden. Beide Mikroorganismen wirken als Kommensalen, aber auch als Pathogene. Ob bei Akne eine veränderte Verteilung der Spezies maßgeblich ist, eine stabile Verteilung mit pathogenen Veränderungen oder aber eine Kombination aus beidem, ist noch unklar. Mithilfe großer Longitudinalstudien könnte untersucht werden, ob die Hautmikrobiota eine kausale Rolle spielt, zur Verschlechterung beiträgt oder nur am Rande beteiligt ist [1].

Im Hinblick auf die Pathophysiologie hat Cutibacterium (C.) acnes inzwischen einen Paradigmenwechsel durchgemacht, wie ein aktuelles Review [2] andeutet. Weniger die übermäßige Vermehrung von C. acnes als vielmehr die fehlende Balance zwischen dessen verschiedenen Phylotypen führt zur Entwicklung von Akne, bei der zusätzlich eine Dysbiose des Hautmikrobioms ursächlich ist. Im Vergleich zur gesunden Haut dominiert bei Akne der Phylotyp IA1, und zwar besonders deutlich am Rücken (Abb.). Diese Dominanz in Verbindung mit einer geringen Mikrobiomdiversität wirkt wie ein Trigger auf das angeborene Immunsystem und befeuert eine kutane Entzündung. Zudem interagiert C. acnes Phylotyp IA1 mit Staphylococcus (S.) epidermidis und beeinflusst die Homöostase der Haut auf kritische Weise.

Alternative Therapieform bei Akne: Benzoylperoxid

Auch Therapeutika beeinflussen das bakterielle Gleichgewicht der Haut. Aus diesem Grund sollte eine Veränderung in der Aknetherapie angedacht werden, meint die Dermatologin Prof. Dr. Brigitte Dréno von der Universität Nantes (Frankreich) [2]. Isotretinoin normalisiert zwar die überschießende, durch den Toll-like-Rezeptor 2 vermittelte Antwort des angeborenen Immunsystems, das Retinoid verändert aber auch das hochdiverse Mikrobiom von Haut und Darm und fördert speziell das Wachstum von S. aureus. Einen solchen Selektionsdruck üben auch topische Antibiotika aus, wodurch sich resistente Stämme von C. acnes, Streptococcus und Staphylococcus entwickeln. Als Alternative zu Antibiotika und Isotretinoin plädiert die Dermatologin für Benzoylperoxid, das bakterizid, antientzündlich und komedolytisch wirkt – auch wenn die bisherigen Daten nicht eindeutig zeigen, ob Benzoylperoxid die mikrobielle Diversität beeinflusst. Um die Hautbarriere und das Mikrobiom wiederherzustellen, wird Benzoylperoxid allein oder in Verbindung mit einem Reinigungs­mittel (mit einem pH-Wert von 5) und Feuchtigkeitscreme empfohlen. Zu intensives Waschen schädigt jedoch die Hautbarriere, führt zu einem Verlust der antimikrobiellen Peptide und verschlechtert die angeborene Immunität. Es wurde gezeigt, dass der pH-Wert der Haut bei unbehandelter moderater Akne signifikant höher war als bei alters- und geschlechtsangepassten Kontrollen [2]. Die bakterizide Aktivität der antimikrobiellen Peptide ist optimal bei einem pH-Wert von 5,5. Stieg in Untersuchungen der pH-Wert der Haut jedoch an, nahm sowohl die Population als auch die Aktivität von C. acnes und S. aureus zu.

An der Entstehung von Akne ist auch das Mikrobiom des Darms beteiligt, welches mit dem Hautmikrobiom Wechselwirkungen eingeht. Man stellt sich vor, dass eine Dysbiose die Permeabilität des Darms erhöht, wodurch Entzündungsmediatoren wie bakterielle Lipopolysaccharid-Endotoxine in den Kreislauf gelangen. Bei Aknepatienten wurden zudem weniger Actinobacteria und mehr krankheitserregende Proteobacteria im Darm festgestellt als bei Gesunden. Auch die Diversität der Darmmikrobiota ist bei ­Menschen mit Akne reduziert, und das Verhältnis von Bacteroidetes zu Firmicutes ist erhöht. Das entspricht dem charakteristischen Enterotyp der westlichen Ernährung.

Aknetherapie der Zukunft mit antimikrobiellen Peptiden und Phagen

Zur Unterstützung des Hautmikrobioms oder um eine Dysbiose auszubalancieren, könnte einfacher Kristallzucker (Saccharose) eingesetzt werden, der als Substrat für Streptococcus epidermidis dient. Auch Probiotika mit Bifidobacterium und Lactobacillus unterstützen das Mikrobiom. Diese Bakterien werden topisch oder oral angewandt und wirken antioxidativ, regulierend auf die Zytokinausschüttung und entzündungshemmend [2]. In Zukunft könnten auch antimikrobielle Peptide Anwendung finden, die topisch appliziert werden, die kutane Mikrobiota modulieren und dadurch auch das Immunsystem beeinflussen. Ein Kandidat wäre Plantaricin aus Lactobacillus plantarum. Eine zukünftige individualisierte Aknetherapie würde zwar die pathogenen Bakterienarten angreifen, aber die Kommensalen unberührt lassen. Alternative Behandlungen wie Mikrobiom-Modifizierungen könnten die nächste Generation von „ökobiologischen“ antientzündlichen Behandlungen darstellen, schlussfolgert Dréno [2].

Antimikrobiell wirksame Peptide kommen auch auf der menschlichen Haut vor und regulieren Entzündung, Angiogenese und Wundheilung. Man vermutet, dass Veränderungen in ihrer Synthese bei entzündlichen Hauterkrankungen eine Rolle spielen könnten [2].

Auch wenn einige Bakterienspezies gegenüber Bakteriophagen resistent sind, könnte die Therapie mittels Phagen in Zukunft eine Rolle spielen. Demgegenüber würde die Hemmung spezieller sezernierter Virulenzfaktoren wie eine Impfung wirken, ohne dass die kommensalen Bakterien beeinflusst oder resistente Stämme selektiert würden. Ein mögliches Ziel wäre hier der Christie-Atkins-Munch-Peterson(CAMP)-Faktor 2 von C. acnes, der nachweislich die Entzündungsantwort triggert [2].

Rolle des pH-Werts bei entzündlichen Hauterkrankungen

Biologische Puffersysteme erhalten das Säure-Base-Gleichgewicht mit einem bestimmten pH-Wert. Das gilt auch für die Haut; hier ist die Pufferkapazität im Stratum corneum besonders hoch. Allerdings ist diese Fähigkeit bei Säuglingen und alten Menschen reduziert. Neben dem Alter beeinflussen auch äußere Faktoren, Wasser und Detergenzien die Pufferleistung, erhöhen den pH-Wert und können zu einer irritativen Kontaktdermatitis führen. Eine reduzierte Pufferkapazität steht vermutlich auch hinter atopischer Dermatitis, Psoriasis und Acne vulgaris, die alle mit einem erhöhten pH-Wert einhergehen. Zur Behandlung von entzündlichen Hauterkrankungen und Altershaut sollten daher Emollientia mit einem leicht sauren pH-Wert und einer geeigneten Pufferkapazität benutzt werden [3].  

Rosazea: Milben im Mikrobiom

In der Epidermis von Rosazea-Patienten ist die Bildung der antimikrobiellen Cathelicidine im Vergleich zu normaler Haut signifikant erhöht. Bestimmte Cathelicidine kontrollieren die Chemotaxis von Leukozyten sowie die Vasodilatation, Angiogenese und Expression extrazellulärer Matrixproteine. Auch die Spiegel der Toll-like-Rezeptoren 2 sind erhöht, welche das proteolytische Kallikrein 5 stimulieren. Besonders charakteristisch ist die Besiedlung der Talgdrüsen mit der Milbe Demodex folliculorum sowie die abnehmende Anzahl an Cutibacterium-acnes-Bakterien.

Trotz ihrer ähnlichen klinischen Präsentation unterscheiden sich Akne und Rosazea in ihrer Pathophysiologie. Das zeigte eine Fall-Kontroll-Studie, in der die Hautmikrobiota bei Akne und die bei Rosazea dargestellt wurden. Von Rosazea- und Aknepatienten (n = 19 bzw. n = 8) sowie von Kontrollen wurde von Gesichtstupfern DNA extrahiert und daraus die bakterielle 16S rRNA sequenziert. Die durchschnittliche relative Häufigkeit von C. acnes bei Rosazea mit entzündlichen Papeln und Pusteln (20,454 % ± 16,943 %) war hinsichtlich der Häufigkeit bei Akne ähnlicher (19,055 % ± 15,469 %) als bei Rosazea ohne entzündliche Effloreszenzen (30,419 % ± 21,862 %). Bei Rosazea-Patienten waren C. acnes (p = 0,048) und Serratia marcescens (p = 0,038) ­signifikant häufiger vertreten als bei Patienten mit Akne [4].

Und die Hautpflege bei Rosazea? Hier entfalten Inhaltsstoffe, die die Hautbarriere wiederherstellen, eine wohltuende Wirkung. Das können Ceramide, Hyaluronsäure und Niacinamid sein. Genauso wichtig ist es aber, irritierende Inhaltsstoffe in Pflegeprodukten zu vermeiden [5].

Atopische Dermatitis: Fokus auf Probiotika, Präbiotika und Synbiotika

Bei der atopischen Dermatitis dominieren eine reduzierte Diversität des Mikrobioms und eine starke ­Zunahme von S. aureus. Ursächlich dafür ist die Zellwandkomponente Peptidoglykan, die in die Haut eindringt und die Keratinozyten infiziert. Daraus ­resultiert eine Entzündungsantwort, die durch Typ-1-T-Helferzellen (Th1-Zellen) vermittelt wird. Laut einem aktuellen Review sind es vier Faktoren, die die Pathogenese der atopischen Dermatitis bestimmen: Barrieredefekt der Epidermis, Fehlregulation des Immunsystems, Dysbiose des Hautmikrobioms sowie der Juck-Kratz-Zyklus [6]. Damit eng verbunden sind Barrieredefekte sowie Störungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms; beides könnte zu einer Immundysregulation beitragen, was den Erkrankungsverlauf verschärft. Denkbar ist auch, dass die Hautmikrobiota die Komponenten der Hautbarriere beeinflussen könnte, beispielsweise Tight Junctions, Proteine des epidermalen Differenzierungskomplexes oder endogene Proteasen. Solche pathologischen Vorgänge werden vermutlich vor allem vom bakteriellen Biofilm verursacht. Dieser besteht aus einer komplexen Struktur aus extrazellulären Polysacchariden, DNA und Proteinen, der von der Gemeinschaft der Bakterien gebildet wird. Dank des Biofilms haften Bakterien auf biotischen und abiotischen Oberflächen und sind dadurch resistenter gegenüber Antibiotika, ungünstigen Umweltbedingungen und der Erkennung durch das Immunsystem des Wirts [6].

Wiederherstellung des Hautmikrobioms

Wie die Behandlung der atopischen Dermatitis diversifiziert werden kann, wird in einem aktuellen Update beschrieben. Mikrobiom-orientierte topische Behandlungen zielen auf die Hemmung von S. aureus und die Unterstützung der physiologischen Mikrobiota. So übten in einer Studie antimikrobielle Stoffe aus S. epidermidis und S. hominis eine selektive bakterizide Aktivität gegenüber S. aureus aus und potenzierten gleichzeitig die antibakterielle Wirkung eines vom Wirt gebildeten Peptids. Die topische Applikation des Hautbakteriums Roseomonas mucosa reduzierte die Schwere und den Juckreiz bei der atopischen Dermatitis und sparte so die Anwendung von Steroiden ein. Außerdem ist bei der atopischen Dermatitis eine Phagentherapie denkbar, beispielsweise mit dem spezifischen Phagen SaGU1, der das Wachstum von S. aureus nachhaltig hemmte. Diese Beobachtungen weisen auf die enge Verflechtung zwischen der Entzündungskaskade und der Dysbiose hin, so das Fazit [6].

Bei der atopischen Dermatitis ist auch die Homöo­stase im Gastrointestinaltrakt gestört. Nachgewiesenermaßen hängen die Darmmikrobiota mit der Ernährung zusammen: Ein geringer Verzehr von Früchten, Gemüse und Omega-3-Fettsäuren sowie die vermehrte Aufnahme von Omega-6-Fettsäuren ist mit einer atopischen Dermatitis verbunden [7]. Da erscheint es plausibel, dass eine ausgewogene Ernährung sowie gute Pflege und Therapie die Hautbarriere wiederherstellen, die Entzündung verringern und die Bakterienlast reduzieren können [7]. Interessanterweise können Probiotika, also lebende Bakterien, die für den Gastrointestinaltrakt günstig sind, auch die Haut vor Erkrankungen wie Akne und atopischer Dermatitis schützen. Ähnlich vorteilhafte Effekte auf die Gesundheit wurden beim Verzehr eines Präbiotikums und eines Synbiotikums, einer Kombination aus Präbiotikum und Probiotikum, festgestellt [7].

FAZIT:
Das Entzündungsgeschehen in der Haut wird durch eine Dysbalance innerhalb der Bakterien­spezies und Veränderungen im Hautmikrobiom bestimmt. Ein neutraler pH-Wert ist dagegen essenziell für die Hautbarriere und die Aktivität der antimikrobiellen Peptide. Therapeutisch ein­gesetzt könnten diese Peptide das über­mäßige Wachstum von Staphylococcus aureus bei der atopischen Dermatitis einschränken. Auch Mikro­biom-Modifizierungen durch Pro­biotika und Präbiotika würden Hautfunktion und Hautbild beeinflussen. Denn das Gleich­gewicht im Darm wirkt sich direkt auf das Haut­mikrobiom aus.

Die Autorin

Dr. rer. nat. Christine Reinecke
70378 Stuttgart

dres.reinecke@t-online.de
www.hello-biology.com

Dr. Christine Reinecke ist promovierte Diplom-Biologin und ­seit über 25 Jahren freiberufliche Autorin zahlreicher Publikationen der Naturheilkunde, Medizin und Pharmazie

Ramasamy S et al., Br J Dermatol 2019; DOI 10.1111/bjd.18230

Dréno B et al., J Clin Dermatol 2020; DOI 10.1007/s40257-020-00531-1

Proksch E, Curr Probl Dermatol 2018; DOI 10.1159/000489513

Thompson KG et al., Exp Dermatol 2021; DOI 10.1111/exd.14098

Baldwin H et al., J Drugs Dermatol 2021; DOI 10.36849/JDD.2021.5861

Blicharz L et al., Int J Mol Sci 2021; DOI 10.3390/ijms22168403

De Pessemier B et al., Microorganisms 2021; DOI 10.3390/microorganisms9020353

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