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Sonderredaktion

Natürliche Estrogene als Trendwende?

Die Zeit ist reif: Umdenken in der Verhütungsberatung

23.6.2023

Wie berät man Patientinnen in Zeiten von Social Media kompetent zur Kontrazeption? Prof. Dr. med. Patricia Oppelt stellte auf einem Seminar von derCampus Strategien vor und sagte: „Viele Patientinnen haben ungestellte Fragen – und wir können sie erreichen, wenn wir in der Verhütungsberatung umdenken.“

In den vergangenen 10 Jahren haben wir einen deutlichen Wandel bei der Nutzung der verschiedenen Verhütungsmethoden beobachten können. Weg von den hormonellen Methoden, hin zum Kondom, zur Verhütungs-App – oder zu gar keiner Verhütung. Prof. Dr. med. Patricia Oppelt (Erlangen) war 2015 eine der Autorinnen der TANCO-Studie mit 18 500 Frauen. Damals nutzten 56 % eine Kombi-Pille, 9 % Kondome und 9 % sagten „Ich verhüte nicht“[1].

Bei der COCO-Studie aus dem Jahr 2019 hatten sich diese Zahlen schon deutlich verändert: Die Kombi-Pille kam jetzt auf 41 %, Kondome auf 22 % und 17 % sagten „Ich verhüte nicht“[2]. Das ist v. a. deshalb bedenklich, weil die Frauen nicht auf andere zuverlässige Methoden umsteigen – und so die Rate der ungewollten Schwangerschaften steigt.

Dokumentiert ist das in der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche. Hier war zuletzt 2022 eine Zunahme von 7 % gegenüber 2021 zu verzeichnen. Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der Geburten um ca. 7 % von 765 000 auf 710 000 zurück. Prof. Oppelt sagte dazu: „Wenn wir auf 700 000 Geburten 100 000 Interruptiones haben, muss man sagen: Das ist nicht in Ordnung für ein Land, in dem man ohne Probleme an sichere Verhütungsmethoden kommt.“

Nach den Ansprüchen an die Verhütungsmethode befragt, lag in der TANCO-Studie weit vorn die Verhütungssicherheit, aber eine geringe Hormondosis nannten ebenfalls schon 43 %. Bei einer Community-Umfrage von 2020 waren die am meisten gewählten Antworten „keine oder wenig Hormone“ und „natürlicher hormoneller Zyklus bleibt erhalten“. Es ist also nicht die Angst vor Thrombosen oder Krebserkrankungen, die Frauen umtreibt.

Warum ist das so? Die mediale Aufmerksamkeit in den sozialen Medien ist hier sicher der Hauptgrund: Auf TikTok oder YouTube finden sich Tausende von – fast ausschließlich kritischen – Beiträgen. Dadurch entsteht eine vermehrte Angst, vor allem vor Depressionen oder Libidoverlust (Abb.). Prof. Oppelt sagte dazu: „Auf Nachfragen antworten viel Frauen: So wirklich habe ich das noch gar nicht gespürt, aber ich lese es ständig.“

Es ist also offensichtlich so, dass viele Frauen sehr verunsichert sind, weil sie oft von solchen Folgen hören oder lesen. Und leider informieren sich nach einer Umfrage bei Instagram aus dem Jahr 2021 mittlerweile mehr Frauen im Internet, auf sozialen Medien oder im Fernsehen (44,8 %) als in der gynäkologischen Praxis (34,4 %). Prof. Oppelt kommentierte das so: „Wenn man die Influencerin gut findet, dann findet man auch die Verhütungsmethode gut. Egal, ob sicher oder nicht.“

Thromboserisiko beachten

Wie können Frauenärzte gegensteuern? Der Rote-Hand-Brief ist ja so etwas wie eine Leitlinie für die Auswahl und Empfehlung für die hormonelle Kontrazeption und da ist es problematisch, dass doch erhebliche Lücken klaffen. Schaut man nämlich auf die natürlichen Estrogene, so stand dort bis vor ­Kurzem beim Thromboserisiko überall „unbekannt“. Prof. Oppelt stellte die Daten der INAS-Score- [3] und der PRO-E2-Studie [4] vor, in denen die Kombinationen E2V / DNG und E2 / NOMAC dem Rote-Hand-Brief-Champion EE / LNG nicht unterlegen waren – tendenziell sogar besser. Vergangenes Jahr gab es dazu dann eine kurze Anmerkung im Bulletin des BfArM, das Risiko sei „gleichzusetzen mit anderen KOK einschließlich LNG“. Was immer mit dieser Formulierung auch gemeint sein mag, Fakt ist: Bei den für das Thromboserisiko wichtigen Hämostasewerten schneiden die natürlichen Estrogene (Estradiol E2 und Estetrol E4) besser ab als Ethinylestradiol. Für die praktische Kontrazeptionsberatung empfahl ­­Prof.

Oppelt deshalb: „Wir sollten viel häufiger an die ­natürlichen Estrogene denken, wenn eine KOK für die Patientin infrage kommt.“ Auch an die Kombination E4 / DRSP, die 2021 eingeführt wurde.

„Für viele Patientinnen ist die Blutungsstabilität wichtig. Sie sagen sich: Wenn ich schon eine Pille nehme, sollte sich das Blutungsmuster nicht verschlechtern.“ Dazu sollten die Patientinnen wissen, dass – wie bei vielen anderen Präparaten auch – die Zyklusstabilität nach 6–8 Zyklen deutlich besser ist als initial. Gerade bei jungen Frauen sollte auch das Thema Dysmenorrhö angesprochen werden: „Mädchen und junge Frauen sprechen das Thema nicht an. Fragen Sie unbedingt nach Regelschmerzen.“ Anhand von Fallbeispielen zeigte Prof. Oppelt zum Abschluss, dass es immer Möglichkeiten gibt, mit den Patientinnen ins Gespräch zu kommen. „Viele Patientinnen haben ungestellte Fragen – und wir können sie erreichen, wenn wir in der Verhütungsberatung umdenken.“

Prof. Dr. med. Patricia Oppelt
91054 Erlangen

info@gynaekologie-erlangen.de

1 Oppelt PG et al., Arch Gynecol Obstet 2017; 295: 1483–91
2 Bitzer J et al., Eur J Contracept Reprod Health Care 2021; 26: 326–33
3 Dinger J et al., Contraception 2016; 94: 328–39
4 Reed S et al., Europ J Contracept Reprod Health Care 2021; 26: 439–46

Vortrag „Müssen wir in der Verhütungsberatung umdenken?“ derCampus – Fortbildungsveranstaltung, März 2023

Impressum
Bericht I Redaktion I Konzept: Dr. rer. nat. Reinhard Merz
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der Gedeon Richter Pharma GmbH (Köln)

Bildnachweis: privat

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