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Allgemeinmedizin

Typ-2-Diabetes und Adipositas

Wie das Hormon GIP Körpergewicht und Nahrungsaufnahme reguliert

PD Dr. rer. nat. Timo D. Müller

2.2.2024

Kürzlich kam das erste Twincretin für die Behandlung des Typ-2-Diabetes in Deutschland auf den Markt. Zu der effektiven Senkung von Gewicht und Nahrungsaufnahme trägt auch das Inkretin GIP bei. Doch auf welchen Mechanismen beruhen diese Effekte?

Die Zahlen der Betroffenen mit Typ-2-Diabetes (T2D) und/oder Adipositas nehmen pandemisch zu. In der Therapie haben sich Glukagon-ähnliche Peptid-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) bewährt, indem sie sowohl den HbA1C als auch das Körpergewicht reduzieren. Noch effizienter erweisen sich hier Twincretine wie der duale GIP/GLP-1-RA Tirzepatid, der sowohl über Eigenschaften des glucoseabhängigen insulinotropen Peptids (GIP) als auch eines GLP-1 verfügt. Beide Hormone bzw. deren Rezeptoren sind an der Regulation des Glucosestoffwechsels und der Insulinausschüttung beteiligt.

Die Entwicklung solcher GIPR : GLP-1R-Co-Agonisten gilt als Durchbruch in der Therapie von T2D und Adipositas. Die Rolle von GIP war jedoch nicht vollständig geklärt. Zunehmend wiesen Studien darauf hin, dass GIP im Gehirn eine verringerte Nahrungsaufnahme und damit eine Reduktion des Körpergewichts bewirkt. So führte die chemogenetische Aktivierung von GIPR-Neuronen im Hypothalamus und Hinterhirn zu einer verminderten Nahrungsaufnahme bei Mäusen. Und lang wirksame GIP-RA verringerten Körpergewicht und Nahrungsaufnahme bei adipösen Wildtyp-Mäusen, nicht jedoch bei Mäusen, denen neuronale GIP-Rezeptoren fehlten. Dieser GIPR-Agonismus scheint auch bei GIPR : GLP-1R-Co-Agonisten die entscheidende Komponente zu sein, denn deren überlegener Effekt gegenüber GLP-1-RA bezüglich Gewichtsreduktion und verringerter Nahrungszufuhr verschwindet bei Verlust neuronaler GIP-Rezeptoren.

GABAerge Nervenzellen

GIP-Rezeptoren werden in verschiedenen Zelltypen des Hypothalamus und des Hinterhirns exprimiert, einschließlich Neuronen, Mesenchymal-Zellen, muralen Zellen und Oligodendrozyten. In beiden Hirnarealen findet die Expression von GIPR in Zellen oder Neuronen statt, die auch VGAT exprimieren, einen Marker für inhibitorische GABAerge Neuronen.

GABAerge GIPR-Neuronen haben wahrscheinlich einen entscheidenden Anteil am antiemetischen Effekt von GIP. Und es ist davon auszugehen, dass VGAT-exprimierende GABA-Neuronen an der Regulation der Essgewohnheiten beteiligt sind. Die optogenetische Stimulation von VGAT-Neuronen im lateralen Hypothalamus regt die Nahrungszufuhr an, deren genetische Ablation bewirkt das Gegenteil. VGAT findet sich in etwa 32 % der GIPR-Neuronen im Hypothalamus und in bis zu 55 % der GIPR-Neuronen des Hinterhirns.

Vor diesem Hintergrund untersuchten wir, ob der metabolische Effekt von GIPR : GLP-1R-Co-Agonisten von der GIPR-Signalgebung in inhibitorischen GABAergen Neuronen abhängt [1]. Dabei schauten wir u. a., wie sich lang wirkende (Fettsäuren-acylierte)GLP-1-RA und GIP-RA in der Fähigkeit, eine neuronale Aktivierung im Hinterhirn zu induzieren, unterscheiden. Nach subkutaner Verabreichung fanden wir fluoreszierendes Acyl-GLP-1 und Acyl-GIP akkumuliert in der Area postrema, wobei Acyl-GLP-1 cFos in der Area postrema und im Nucleus tractus solitarii aktivierte, Acyl-GIP jedoch nur in der Area pos­trema – und zwar hauptsächlich bei Wildtyp- und kaum bei VGAT-GIPR-Knockout(VGAT-GIPR-KO)-Mäusen. Demnach beruht die Acyl-GIP-induzierte cFos-Aktivierung nahezu ausschließlich auf den VGAT exprimierenden inhibitorischen GABAergen Neuronen.

Die Injektion von  Acyl-GIP bei adipösen Wildtyp- und  VGAT-GIPR-KO-Mäusen führte nur bei ersteren zur verminderten Nahrungsaufnahme. GIPR : GLP-1R-Co-Agonisten wirken in diesem KO-Modell also nur noch so gut wie GLP-1.

FAZIT

GIP reduziert Körpergewicht und Nahrungsaufnahme durch die Stimulation GABAerger ­Nervenzellen im Gehirn. Diese Neuronen sind maßgeblich für die volle Wirksamkeit der ­Co-Agonisten verantwortlich. Unsere Erkenntnisse zum GIPR-Agonismus lassen sich für die Entwicklung neuester Therapien für Typ-2-­Diabetes und Adipositas nutzen.

DZD - DER AUTOR

PD Dr. rer. nat. Timo D. Müller
Leiter des Instituts für Diabetes und Adipositas
Deutsches Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit Helmholtz Zentrum München

timo.mueller@helmholtz-muenchen.de

1 Liskiewicz A et al., Nature Metabolism 2023; DOI 10.1038/s42255-023-00931-7

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Bildnachweis: privat; Nature Metabolism, © Lieskiewicz A et al.

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