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Adipositas

Weight Cycling: neue wissenschaftliche Einblicke und praktische Konsequenzen

30.7.2025

Aktuelle Daten zeigen, dass fast die Hälfte aller Erwachsenen im Fünf-Jahres-Zeitraum mindestens zwei signifikante Phasen wiederholter Gewichtsabnahme und -zunahme (über 5% des Körpergewichts) durchläuft. Parallel zur steigenden Adipositas-Prävalenz versucht etwa die Hälfte der Bevölkerung aktiv, Gewicht zu verlieren. Doch unabhängig von der Methode folgt auf den initialen Gewichtsverlust meist eine Rückkehr zum Ausgangsgewicht oder darüber hinaus. Während öffentliche Darstellungen Weight-Cycling pauschal als gesundheitsschädlich brandmarken - mit angeblichen Risiken für Diabetes, Herzerkrankungen oder Körperkomposition –, widerlegen solide Studien diese Pauschalurteile.

Humanstudien entlarven Reverse Kausalität und entlasten Weight-Cycling

Beim 32. European Congress on Obesity 2025 in Málaga rückte das Phänomen des Weight-Cyclings – auch Jo-Jo-Effekt genannt –  in den Fokus. Prof. Dr. Faidon Magkos (Universität Kopenhagen) und Habib Muallem (Ben-Gurion-Universität, Israel) präsentierten Erkenntnisse, die klinische Mythen entkräften und zugleich neue therapeutische Perspektiven eröffnen. So betonte Magkos die methodischen Fallstricke der Forschung: Die meisten Humanstudien basieren auf retrospektiven Selbstauskünften und sind durch Reverse Kausalität verzerrt. Nicht Weight-Cycling verursacht gesundheitliche Nachteile, sondern Menschen mit bestehender Adipositas oder metabolischen Risikofaktoren unternehmen häufiger Abnehmversuche und erleben dadurch mehr Gewichtsveränderungsphasen.

Eine systematische Übersichtsarbeit (Saraya 2024) mit 23 qualifizierten Studien zeigt: Weight-Cycling führt weder zu dauerhaft erhöhtem Körpergewicht (81% der Studien negativ) noch zu erhöhtem Fettmasse-Anteil (80% negativ) oder reduzierter Muskelmasse (100% negativ). Auch der Grundumsatz (RMR – resting metabolic rate) bleibt unbeeinflusst. Interessant ist die Zusammensetzung der Gewichtsveränderungen: Bei Gewichtsabnahme entfallen etwa 26% auf Muskelmasse, bei Wiederzunahme hingegen 30-40%. Theoretisch müsste Muskelmasse bei Gewichtsveränderungsphasen also sogar profitieren. Die Minnesota-Starvation-Studie (an gesunden, schlanken Männern durchgeführt), oft als Beleg für negative Effekte zitiert, ist nicht auf moderne Adipositas-Therapien übertragbar, da sie extremes Untergewicht und unkontrollierte Realimentation untersuchte.

Tiermodelle offenbaren Altersabhängigkeit und „metabolisches Gedächtnis“

Muallems präklinische Studie an jungen (7 Wochen) und mittelalten (12 Monate) Mäusen enthüllte entscheidende Alterseffekte: Nach identischen Gewichtsveränderungsphasen (HFD/high fat feeding-Standarddiät-HFD) entwickelten junge Mäuse einen deutlich schwereren Phänotyp als mittelalte Tiere. Sie zeigten beschleunigte Gewichtszunahme bei erneuter HFD-Exposition („metabolisches Gedächtnis“ = beschleunigte Gewichtszunahme bei erneuter Kalorienzufuhr), verstärkte Dysglykämie (höhere Glukose-AUC im Toleranztest), gestörte zirkadiane Rhythmik (erhöhte Lokomotion in Ruhephasen) und verstärkte Fettgewebsinflammation (IL-1rn-Expression). Diese Unterschiede fehlten bei mittelalten Mäusen. Parallel wies Magkos auf Tierstudien hin, deren Ergebnisse vom Vergleichsmodell abhängen: Gegenüber dauerhaft adipösen Tieren sind Tiere mit Gewichtsveränderungsphasen metabolisch besser gestellt (geringeres Gewicht, weniger Fettmasse, weniger Entzündung). Gegenüber nie-adipösen Tieren erscheinen sie hingegen benachteiligt. Die zugrundeliegende Biologie – epigenetische Reprogrammierung von Adipozyten – ist unbestritten. Adipozyten behalten im reduzierten Gewichtszustand ein „Gedächtnis“ der vorherigen Adipositas bei, was bei erneuter Kalorienexposition die Fettspeicherung beschleunigt. Doch wie beim Muskelgedächtnis (mehr Myonuclei nach Training) führt diese zelluläre Prägung nicht zwangsläufig zu klinisch relevanten Nachteilen.

Praktische Konsequenzen: Therapiemut statt Resignation

Beide Forscher betonten: Weight-Cycling ist kein Grund, auf Abnehmversuche zu verzichten. Selbst bei Gewichtsrückkehr ist der Zustand metabolisch nicht schlechter als dauerhafte Adipositas – oft sogar besser. Die Empfehlungen lauten: Erstens sollten Patienten und Patientinnen nicht durch pauschale Weight-Cycling-Warnungen demotiviert werden. Stattdessen gilt es, realistische Erwartungen zu setzen: Langfristiger Erfolg erfordert permanente Lebensstiländerung, nicht kurzfristige Diäten. Zweitens müssen Strategien zur Gewichtsstabilisierung priorisiert werden. Hier bewähren sich strukturierte Nachsorgeprogramme mit regelmäßigem Monitoring, Verhaltenstherapie und – falls indiziert – langfristige medikamentöse Unterstützung (z. B. GLP-1-Analoga ohne fixe Abbruchtermine). Drittens sollte die Körperkomposition überwacht werden. Krafttraining erhält Muskelmasse während der Reduktionsphase und mildert den physiologischen Muskelabbau. Viertens sind individuelle Risikoprofile zu beachten: Bei jüngeren Personen könnten inflammatorische Konsequenzen ausgeprägter sein. Fünftens muss die Therapie das „metabolische Gedächtnis“ des Fettgewebes berücksichtigen: Je kürzer die Adipositas-Dauer vor der Intervention, desto besser die Prognose – ein Argument für frühzeitiges Handeln.

Magkos F: Weight Cycling (and the consequences) & Muallem H: Deconstructing Weight Cycling: Unveiling Metabolic and Circadian impacts of weight loss and regain in young and mid-aged mice“ in der  T1/T4 Topic Session: „Weight Regain“, 13.5.2025, beim „32nd European Congress on Obesity“ (ECO 2025), Malaga (ES), 11.-14.5.2025. Veranstalter „European Association for the Study of Obesity (EASO)“, London.

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