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Spezialthemen

Psoriasis und Psyche

Ein Blick in die Persönlichkeit

Dipl.-Psych. Dr. Judith A. Bahmer

4.5.2021

Die Psoriasis tritt oft kombiniert mit Arthritis, metabolischem Syndrom, Diabetes mellitus, Adipositas, Depression und Suchterkrankungen auf. Wegen dieser Komorbiditäten zählt die Psoriasis zu den wichtigen Multisystemerkrankungen und erfordert eine Behandlung nach dem biopsychosozialen Krankheitsmodell.

Psoriasis-Kranke haben einen hohen Leidensdruck. Dieser entsteht nicht so sehr durch körperliche Symptome, sondern vor allem durch Stigmatisierung und Ausgrenzung. Da über Jahrhunderte hinweg Laien die Psoriasis nicht von ansteckenden Hautkrankheiten wie Lepra und Krätze unterscheiden konnten, wurden Hautkranke stigmatisiert und ausgegrenzt. Diese uralten Ängste sind auch heute noch nicht überwunden und führen bei an Psoriasis Erkrankten zu sozialem Rückzug und zu Verein­samung. Diese soziale Isolation verstärkt den psychischen Stress und damit auch die Hautveränderungen und die Beschwerden. Ein circulus vitiosus baut sich auf, bestehend aus krankheitsbedingt verändertem Erleben und Verhalten, erhöhter Krankheitslast, verminderter Lebensqualität und stressassoziierten psychischen Beschwerden in Form von Depression, Angststörung und Suchtverhalten. Schon früh wurde deutlich, dass Patienten mit ­Psoriasis signifikant häufiger an einer Depression erkranken als Gesunde.

Identität und Persönlichkeit einbeziehen

Menschen, bei denen die Psoriasis bereits in der Kindheit, in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter beginnt, sind psychisch vulnerabler. In dieser für die Entstehung der Identität und des Körperbildes so sensiblen Phase kann eine für Mitmenschen sichtbare Hauterkrankung die Anforderungen an Mechanismen der Stressbewältigung so stark erhöhen, dass es zur psychischen Dekompensation kommt. Eigene Untersuchungen ergaben, dass diese Patienten nicht gut in der Lage sind, eigene Stimmungen, Bedürfnisse und Grenzen wahrzunehmen und zu regulieren. Es finden sich gehäuft selbstunsichere, sorgfältige, kritisch-negativistische, still-depressive und schizotypische Persönlichkeitsstile. In der Praxis bedeutet dies, dass diese Patienten aufgrund ihres negativen Grundaffektes und ihrer unstimmigkeitssensiblen Wahrnehmung leichter zu verunsichern und zu frustrieren sind. Unsere Untersuchungen zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsstil, Stress, und psychosomatischen Beschwerden. So konnten wir einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Leidensdruck und der Frustration grundlegender menschlicher Bedürfnisse nach Anschluss, Leistung und sozialer Einflussnahme feststellen. Über eine Frustration derartiger Bedürfnisse berichteten über zufällig häufig Patienten mit einem als „still“ bezeichneten Persönlichkeitsstil. Dieser Stil, präziser als „still-depressiv“ beschrieben, korreliert besonders hoch mit dem Leidensdruck, was den Patienten aber nicht bewusst ist, schätzen doch viele den Schweregrad ihrer Psoriasis deutlich geringer ein als behandelnde Ärzte. Patienten mit diesem Persönlichkeitsstil sind besonders gefährdet, bei Frustrationen in den Bereichen sozialer Anschluss, Leistung und Macht mit einem besonders hohen Leidensdruck zu reagieren. Wegen der erhöhten Suizidgefahr sollte diese Untergruppe von Patienten identifiziert und psychotherapeutisch behandelt werden, mit dem Ziel, die Kompetenz zur Krankheitsbewältigung („Coping“) zu stärken und damit die Suizidgefahr zu verringern.

Sucht und Psoriasis

Schon lange bekannt ist die erhöhte Komorbidität von Psoriasis und Sucht, vor allem durch Alkohol und Nikotin. Im Hinblick auf das bei Psoriasis-­Patienten häufigere metabolische Syndrom muss auch die Esssucht in die Psychopathogenese einbezogen werden. Aus persönlichkeitspsychologischer Sicht kann dieses Suchtverhalten als Versuch verstanden werden, Frustrationen zu mindern und die Stimmung aufzuhellen. Dieser Versuch, durch Essen, Alkohol, Nikotin und andere psychotrope Substanzen schnell positive Affekte zu erzeugen, behindert ­jedoch die aktive und langfristige Krankheitsbewältigung, die nur durch die reflektierte Arbeit an den Belastungsfaktoren, den Persönlichkeitsstilen, ergänzt um eine Integration der Erkrankung in das Selbst der Betroffenen gelingen kann.

Hürde der Sprachlosigkeit überwinden

Die persönlichkeitspsychologischen Komponenten der Patienten mit Psoriasis erklären auch, warum es diesen oft schwerfällt, mit Ärzten über schmerzliche und schambehaftete Themen zu sprechen. Um den Betroffenen über diese „Hürde der Sprachlosigkeit“ zu helfen, sollte frühzeitig eine aktive Exploration psychischer Probleme wie Traurigkeit, Angst, ­Antriebs- und Lustlosigkeit, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Substanzkonsum und sozialer Rückzug erfolgen. Die Identifikation der Entwicklung hin zu einer Depression gelingt auch in der täglichen Routine mittels des „Zwei-Fragen-Tests“. Mit der ersten Frage wird geprüft, wie häufig sich der Patient in den vergangenen vier Wochen niedergeschlagen, traurig, bedrückt und ­hoffnungslos gefühlt hat. Mit der zweiten Frage wird erfasst, ob sich die Lust und die Freude an Dingen, die vorher Spaß gemacht haben, vermindert haben. Werden beide Fragen mit „Ja“ beantwortet, sollte eine diagnostische Abklärung bei einem ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten erfolgen. Je nach Akuität der Symptome kommen dann eine stationäre oder ambulante Psychotherapie in Betracht, unterstützt von Angeboten der Rehabilitation und der Selbsthilfe.

FAZIT:

Für die Arzt-Patient-Beziehung und den Erfolg der Psoriasis-Therapie ist es wichtig, die persönlichkeitspsychologische Grundkonstitution der Betroffenen zu kennen, denn diese kognitiv-emotionale Grundhaltung bestimmt die Sicht­weise der Patienten auf sich selbst, auf die Welt und auf die Zukunft und nicht zuletzt auch die Therapiecompliance. Je schlechter Selbstwahrnehmung und Selbstregulation gelingen, desto höher das Risiko negativer Affekte und der Chronifizierung des Stresserlebens.

Die Autorin

Dipl.-Psych. Dr. Judith A. Bahmer
Psychologische Psychotherapeutin
Praxis für Psychotherapie
48145 Münster

psycheundhaut@gmail.com

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Bildnachweis: privat

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