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Recht

Rechtliche Tipps

Falsche Masken-Atteste +++ Vertrauensperson bei gutachterlicher Untersuchung +++ Urlaubsverfall

1.4.2023

Aus der Praxis, für die Praxis – Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbundes, beantwortet ausgewählte Fragen.

Bewährungsstrafe wegen falscher Masken-Atteste?

Frau Dr. M. aus Dortmund wendet sich mit dieser Frage an uns:

„Ich habe gehört, dass ein Kollege ärztliche Bescheinigungen ohne persönliche Untersuchung der Patienten ausgestellt hat. Dabei ging es um Atteste, welche Kinder in der Schule vom Tragen einer Maske befreien sollten. Auf die Atteste seien Diagnosen geschrieben worden, ohne dass der Kollege die Kinder zuvor untersucht habe. Tausende Atteste seien in der ganzen Bundesrepublik aufgetaucht. Sie wurden wohl per E-Mail oder persönlich bestellt. Der Kollege steht jetzt vor Gericht. Mit welcher Strafe muss er rechnen?“

Frau Schannath:
„In einem vergleichbaren Fall ist ein Arzt in Niederbayern wegen Ausstellens falscher Masken-Atteste zu einer einjährigen Bewährungsstrafe sowie einer Geldauflage in Höhe von 50.000 Euro verurteilt worden. Das hat das Landgericht Passau am 15.11.2022 (Az.: 1 Ns 53 Js 14570/20) entschieden.

Nach Ansicht der Richter sei die Rechtsprechung in dieser Sache gefestigt. Selbst der Bundesgerichtshof habe bestätigt: Wird ein Attest „ins Blaue hinein“ ausgestellt, gilt es als unrichtiges Attest. Der Arzt hat die ärztlichen Standards nicht eingehalten. Damit ist die Freiheitsstrafe auf Bewährung gerechtfertigt. Weil einige Fälle eingestellt worden waren und letztlich nur noch 24 Atteste abgeurteilt wurden, belief sich die Strafe auf ein Jahr. Ein Berufsverbot, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, ist nicht zu begründen, denn der Arzt hatte keine erheblichen rechtswidrigen Taten begangen.

Positiv ist dem Angeklagten anzurechnen, dass er geständig war. Bereits im ersten Prozess im Mai vor dem Amtsgericht Passau hatte er eingeräumt, bei den betreffenden Patienten keine Untersuchungen vorgenommen zu haben. Dafür war er damals zu einer Bewährungsstrafe, einer Geldstrafe und einem teilweisen Berufsverbot verurteilt worden.“

Darf eine Vertrauensperson zur gutachterlichen Untersuchung mit?

Herr Dr. U. aus Bremen hat folgendes Problem:

„Ich wurde vom Gericht als zweiter Orthopäde beauftragt, einen Mann zu begutachten. Dieser klagt gegen die Herabsetzung des bei ihm ursprünglich festgestellten Grads von Behinderung von 50 auf 30 %. Bei der ersten gutachterlichen Untersuchung bestand der Mann auf die Anwesenheit seiner Tochter. Daraufhin beantragte der Kollege seine Entpflichtung, weil die Anwesenheit Dritter in gutachtlichen Untersuchungen bei ihm prinzipiell auf erhebliche Bedenken stoße. Die Erhebung objektiver Befunde werde dadurch erschwert. Bin ich jetzt verpflichtet, den Mann zu begutachten? Bei mir verlangt er jetzt die Anwesenheit seines Sohnes bei der Untersuchung.“

Frau Schannath:
„Bei einer Untersuchung durch einen medizinischen Sachverständigen darf der Patient grundsätzlich eine Vertrauensperson mitnehmen. Der Ausschluss der Vertrauensperson ist aber möglich, wenn er im Einzelfall zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege – insbesondere mit Blick auf eine unverfälschte Beweiserhebung – erforderlich ist. Dies hat das Bundes­sozialgericht am 27.10.2022 (Az.: B 9 SB 1/20R) entschieden.

So kann das Gericht den Ausschluss der Vertrauensperson anordnen, wenn ihre Anwesenheit im Einzelfall eine geordnete, effektive oder unverfälschte Beweiserhebung erschwert oder verhindert, Diffe­renzierungen zum Beispiel nach der Beziehung des Beteiligten zur Begleitperson, dem medizinischen Fachgebiet oder unterschiedlichen Phasen der Begutachtung sind, in Betracht zu ziehen. Sie müssen dem Gericht mitteilen, warum der Ausschluss des Sohnes bei der Untersuchung gerechtfertigt ist.“

Verjährt Urlaub automatisch?

Frau Dr. O. aus Rosenheim möchte folgende Frage geklärt haben:

„Ich habe eine Frau vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2019 als MFA beschäftigt. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte ich ihr 14 Urlaubstage aus. Sie möchte jetzt aber noch weitere 101 Arbeitstage aus den Vorjahren abgegolten bekommen und hat mich verklagt. Ihre Ansprüche sind doch schon verjährt, oder?“

Frau Schannath:
„Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Das hat das Bundesarbeitsgericht am 20.12.2022 (Az.: 9 AZR 266/20) entschieden.

Haben Sie die Mitarbeiterin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen, verfallen ihre Ansprüche weder am Ende des Kalenderjahres noch eines zulässigen Übertragungszeitraums. Sie können sich auch nicht darauf berufen, dass der nicht gewährte Urlaub bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt sei, wenn der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben wurde.“

Die Expertin

Andrea Schannath
Rechtsanwältin und Justiziarin des VirchowBunds
Chausseestr. 119 b
10367 Berlin
Tel.: +49 (0)30 - 288 774 125

Der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands berät seine ­Mitglieder in ­Niederlassung und ­Anstellung in allen Rechts­­bereichen, insbesondere im Berufs-, Arbeits-, Miet- und Gesellschaftsrecht.

Bildnachweis: privat

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