Weibliche Haut unterscheidet sich von männlicher, dunklere von hellerer. Binsenweisheiten? Tatsächlich beeinflusst dieses Anderssein den Erfolg von Ansprache, Diagnostik und Therapie. Die Besonderheiten zu beachten, verhilft mehr verschiedenen Menschen zu ähnlicher Hautgesundheit und Lebensqualität.
„Möglichst lange gesund sein, bevor wir aus dem Leben scheiden“, das sei ein Wunsch aller. Doch seien Männer vor dem Tod im Schnitt 9 Jahre krank, Frauen 12. Die Gendermedizin, die biologisches und soziales Geschlecht beachte, sei also ein wichtiger Teil der personalisierten Medizin, erklärte Prof. Dr. med. Christiane Bayerl (Wiesbaden) [1]. Fakt ist: Männerhaut ist dicker als Frauenhaut (um 16 %), hat größere Talgdrüsen, in jedem Alter mehr Oberflächenlipide und neigt häufiger zur Seborrhö. Ihr transepidermaler Wasserverlust ist geringer, die Hydratation sinkt aber auch bei Männern ab dem 40. Lebensjahr. Auf männlicher Gesichtshaut sitzen mehr Keime, in ihr mehr Kollagen [2]. Die Viskoelastizität ist besser, die Wundheilung schlechter [3].
Wünschenswert: etwas mehr Lichtscheu
Auch die Folgen von zu viel UV-Exposition differieren: So treten bei Männern an (neu) UV-exponierten Stellen (z. B. „Geheimratsecken“) aktinische Keratosen auf [4]. Frauen entwickeln hormonell bedingt häufiger Melasmen, auch durch Einnahme oraler Kontrazeptiva [5]. Topisches Estrogen könne bei beiden Geschlechtern einen Kollagen-Neuaufbau erzielen [6]. Es wirke jedoch bei Männern schlechter und nur in UV-geschützter Haut. Die Alterung stark UV-geschädigter Haut lasse sich durch eine Estradiol-Creme nicht zurückschrauben, betonte Bayerl [7]. Männer trügen infolge stärkerer UV-induzierter Immunsuppression das höhere Melanom-Risiko [8] – zudem würden diese bei ihnen später entdeckt, seien aggressiver und mit einem höheren Sterberisiko verbunden [9,10].
Anders krank
Bei Frauen stehen Autoimmun- und Haarerkrankungen, Hyperpigmentierungen, allergische Erkrankungen, chronische Urtikaria und psychosomatische Störungen im Vordergrund. Männer erkranken häufiger an Infektionen [11,12]. Bei den Berufskrankheiten entwickeln Männer häufiger allergisch-obstruktive Atemwegserkrankungen (BK 4301) als Frauen. An schwerwiegenden oder rezidivierenden Hauterkrankungen (BK 5101) leiden mehr Frauen. Die jeweiligen Auslöser unterscheiden sich infolge geschlechtsspezifischer Berufe ebenfalls [13].
Auch soziale Erwartungen spielen eine Rolle: Das Tragen geschlossener Hemdkragen könne bei Männern zu Hautreizungen am Hals führen, und der Wunsch nach Stärke und breiten Schultern zum Einsatz eiweißreicher Zusatzkost oder Anabolika verleiten, was eine Akne-Therapie erschwere, so Bayerl. Allergien gegen Nickel (z. B. in Modeschmuck) finden sich eher bei Frauen. Bei Duftstoff-Allergien zeigen sich keine Unterschiede in der Prävalenz [14].
Frauen mit Psoriasis haben im Durchschnitt einen geringeren PASI-Score und seltener Nagelbeteiligung, jedoch häufiger Juckreiz, Depressionen, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselstörungen als Männer. Auf eine Biologikatherapie reagieren sie häufiger mit Herpes und Pilzinfektionen [15,16].
Skin of Color
Bei 80 % der Weltpopulation liegt eine Skin of Color (SoC) vor (Fitzpatrick-Hauttypen IV–VI), doch fokussieren in dermatologischen Lehrbüchern nur 4,5 % der Lehrinhalte Dermatosen der SoC [17]. Doch weil „alle in dieselben Bücher geschaut haben“, hätten auch in der Dermatologie tätige People of Color (PoC) keinen Wissensvorsprung, erklärte Dr. med. Ephsona Shencoru (Zürich Bülach). Diverse Hauttypen in Ausbildung und Lehre angemessener darzustellen, wünscht sich laut einer deutschen Umfrage die Mehrheit der Hautärztinnen und -ärzte sowie Medizinstudierenden [18].
Psoriasis und atopische Dermatitis
Die Psoriasis der SoC werde laut Shencoru vermutlich unterschätzt. Sie sei mit einer subtileren Inflammation, mehr postinflammatorischen Hyper- sowie Dyspigmentierungen verbunden. Die Kopfhaut sei v. a. bei Frauen stärker befallen. Die Lebensqualität könne bei PoC stärker beeinträchtigt sein [19,20].
Auch bei atopischer Dermatitis (AD) gebe es phänotypische Unterschiede und verschiedene Endotypen. Asiatische Populationen zeigten z. B. eine kräftigere Schuppung, sehr starke Demarkierung oder phänotypisch ein Mischbild aus AD und Psoriasis. Starker Juckreiz führe häufiger zur Depigmentierung. Bei Menschen afrikanischer Abstammung trete eine AD vom follikulären Subtyp auch atypisch an Streckseiten oder Abdomen auf [21].
Rosazea
Im klinischen Alltag werde die Rosazea der SoC vermutlich häufig übersehen, befürchtet Shencoru.
Erytheme seien häufiger als Teleangiektasien und Flush, erstere würden aber, in Abhängigkeit vom Hauttyp, nicht gut erkannt. Sie empfahl daher, gezielt nach Juckreiz zu fragen. Wichtigster Rosazea-Trigger bei SoC: die UV-Strahlung – in Indien zunehmend auch Steroide [22].
Zentral-zentrifugale vernarbende Alopezie
Die bei Menschen mit afrikanischem Hintergrund häufigste Form der Alopezie beginnt am Vertex, die Kopfhaut wirkt oft glänzend. Die frühe Diagnosestellung, ggf. mit Biopsie, hilft, Narben zu vermeiden.Es besteht eine genetische Disposition [23].
Melasma oder pigmentäre Demarkierungslinien?
Pigmentveränderungen mit scharfer Abgrenzung zwischen dunklerer und hellerer Haut im Gesicht weiblicher PoC seien häufig kein Melasma, sondern pigmentäre Demarkierungslinien, die meist der Innervation eines Dermatoms entsprächen, erklärte Shencoru. Sie träten häufig symmetrisch und bilateral auf [24]. Für Menschen afrikanischer Abstammung gehörten Dyschromien zu den häufigsten Anlässen, dermatologischen Rat zu suchen [25].
Was helfen würde
In der Praxis solle man offene Fragen stellen, um Vertrauen zu schaffen und kulturelle Besonderheiten zu verstehen (z. B. traditionelle Heilmethoden, Schönheitsideale, die Bedeutung von Narben) [26]. Die Inklusion von PoC in Lehre und Forschung könne helfen, da Menschen mit SoC sich fragen, ob Studienergebnisse auch für sie selbst gültig sind. Mit inklusiven Studienprotokollen, die die Gesellschaft abbildeten, „könne man nur gewinnen“, betonte Shencoru. Interesse an Inhalten zur Dermatologie der SoC hätten nahezu alle Dermatologinnen und Dermatologen sowie Medizinstudierenden bekundet. Es lohne sich also, entsprechende Fortbildungen anzubieten. Neben Symposien seien On-demand-Webinare eine attraktive Option [18].
Vorträge „Frauenhaut und Männerhaut“, „Hautgesundheit für alle? Wie Wissenslücken zu Skin of Color die dermatologische Praxis beeinflussen.“