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Allgemeinmedizin

Hormonmangel im Alter

Lebensstil und Substitution

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster

Die Hormonsekretion verändert sich mit dem Alter. Folge von Hormondysbalancen können Hypertonie, Herzinsuffizienz oder Osteoporose sein. Hormonersatztherapien sind nicht in jedem Fall ein Benefit für den alternden Menschen. Wie immer entscheidet die Dosis.

Die Serumkonzentrationen der Hormone ändern sich im Alter. Ist dies Folge des Alterungsprozesses des Körpers oder Ursache des Alterns? Vieles spricht dafür, dass die Veränderungen zum Schutz des Körpers gedacht sind. So wirkt z. B. der Anstieg des TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) im Alter kardioprotektiv; die Abnahme der Geschlechtshormone führt zur Unfruchtbarkeit, denn eine Schwangerschaft wäre ein Risiko für ältere Frauen. Dennoch resultieren aus den hormonellen Veränderungen auch Alterserkrankungen wie die Osteoporose. Hormonveränderungen können aber auch exogene Faktoren als Ursache haben. Dazu gehören u. a. schlechtes Stressmanagement, Fehlernährung, ­Bewegungsmangel, psychische Belastungen oder Umweltfaktoren, die sich z. B. in einem veränderten Darmgenom widerspiegeln. Zu erwähnen sind hier insbesondere Alltagsprodukte mit Bisphenol A. ­Deren estrogenähnliche Wirkung könnte für die ­verminderte Fertilität bei Männern verantwortlich sein.

Hormonell verursachte Alterserkrankungen

Sarkopenie mit konsekutiven Bewegungs- und Gangstörungen sowie einer erhöhten Fall-, Sturz- und Frakturneigung durch Osteoporose sind mitbedingt durch die Meno- und Andropause sowie die Somatopause. Das gehäufte Auftreten einer arteriellen Hypertonie, Dyslipidämie, Atherosklerose mit Myokard­infarkten und Apoplexien sind ebenfalls ­Folge des Abfalls der gefäßprotektiven Geschlechtshormone. Die Zunahme der Fettgewebskompartimente bis hin zu Adipositas und Diabetes Typ 2 wird durch das höhere Insulin und die latente Hypothyreose unterstützt. Letzterer folgt auch ein Abbau des Kollagens sowie Haut- und Schleimhautatrophien, Haarverlust und dem häufigeren Auftreten von nodösen Strumen. Die Adrenopause führt zu einer verminderten Immunität und hoher Infektneigung mit langen und schweren Verläufen. Viele neurologische Veränderungen wie M. Parkinson und kognitive ­Defizite mögen durch Beeinträchtigung des neuro­endokrinen Systems mitbedingt sein, werden aber nicht durch Serumhormonkonzentrationen reflektiert.

Medikamentöse Therapieoptionen

Es besteht kein Grund, jegliches Hormondefizit im Alter auszugleichen. Eine Hormonersatztherapie verzögert das Altern nicht – bestenfalls kann sie im Einzelfall Altersveränderungen positiv beeinflussen. Zugelassen ist die Geschlechtshormon-Substitution, also von Estrogen/Gestagen in der Menopause und von Testosteron in der Andropause. Die Estrogene sind vor allem gegen die vegetative Symptomatik (Hitzewallungen) einzusetzen, Progesteron vor dem Schlafengehen hilft gegen Insomnie. Zur Osteoporoseprophylaxe stehen als Langzeittherapie eher das Raloxifen und Vitamin D im Vordergrund, bei manifester Osteoporose Bisphosphonate, Denosumab, Teriparatid oder Romosozumab. Raloxifen reduziert darüber hinaus auch die Inzidenz eines Mammakarzinoms um 80 %. Bei Männern führt eine Testosteronsubstitution zu Muskelaufbau, Abbau von viszeraler Adipositas, Verbesserung von Knochendichte, physischen Funktionen und Libido sowie Wohlbefinden und Reduktion des kardiovaskulären Risikos insbesondere durch Cholesterinsenkung. L-Thyroxin wird sehr häufig zum Ausgleich einer Hypothyreose eingesetzt, wobei gilt: Weniger ist mehr. Das TSH darf im Alter gerne zwischen 6 und 10 IU/l liegen. Kardioprotektiv senkt es das Risiko für Vorhofflimmern. T3-Präparate sind obsolet. Eine Wachstumshormonsubstitution ist nur zugelassen bei Insuffizienz der hypophysären Somatotropin(STH)-Produktion. Dehydroepiandrosteron (DHEA) kann insbesondere bei Libidomangel eingesetzt werden. In der Entwicklung befinden sich weitere vielversprech­ende Präparate. So z. B. der monoklonale Antikörper Bimagrumab, der den Muskelaufbau fördert und sich somit u. a. bei Sarkopenie eignet.

Alternative Maßnahmen

Sport bewirkt eine Stimulation des endogenen STH. Ausdauersport und Fitness erzielen bzgl. gewünschter Veränderungen der Körperzusammensetzung ähnliche Effekte wie eine Hormontherapie. Tägliche Gymnastik unterstützt z. B. die medikamentöse Therapie bei Osteoporose oder bei Gefäßerkrankungen. Sie führt zu einer Verbesserung der neuromuskulären Koordinationsfähigkeit und damit zur Reduktion von Schlaganfällen oder Frakturen. Ernährungsanalyse und -beratung führen zu einer den Bedürfnissen des Körpers angepassten Ernährungssituation. Am wichtigsten ist im Alter die Eiweiß­supplementation. Wenn auch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln fast zur Glaubensfrage geworden ist, zeigen einige Produkte z. B. zur Cholesterinsenkung und Diabetesprävention doch erstaunlich gute Erfolge. Gehirnjogging ist wichtig für eine Verbesserung der Gehirnleistungs- und kognitiven Gehirnfunktionen. Stressmanagement und Meditation normalisieren das endogene Serotonin/Melatonin-System und sind essenziell für erholsamen Schlaf.

FAZIT:

Den Hormonveränderungen im Alter sollte möglichst frühzeitig entgegengewirkt werden, bevor sie ernste Erkrankungen zur Folge haben. Präventiv eignen sich Lebensstiländerungen, die auch eine Hormonsubstitution unterstützen können.

Der Autor

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Osteologe DVO
Ärztlicher Leiter des Hormon- und Stoffwechselzentrums Prof. Wüster MVZ GmbH Mainz

christian@wuster.de

Literatur beim Autor

Bildnachweis: privat

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