Die Nutzung kontinuierlicher Glucosemess-Systeme ist mittlerweile auch in der Behandlung des Typ-2-Diabetes angekommen und deren Benefits in dieser Indikation in Studien belegt. Dabei beinhaltet die Verbesserung der Lebensqualität deutlich mehr als den Wegfall des täglichen Fingerstechens.
Kontinuierliche Glucosemess-Systeme (CGM) haben sich als wertvolles Instrument in der Diabetesbehandlung etabliert. Ihre Bedeutung variiert jedoch je nach Art der Therapie und individuellen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten. Im Übrigen unterliegt die generelle Verordnungsfähigkeit in Deutschland regulatorischen Bestimmungen: Es liegt ein unverändert gültiger Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aus dem Jahr 2016 vor, der den Nutzerkreis auf Personen mit intensiveren Insulinbehandlungsregimen beschränkt. Dieser Beschluss betrifft grundsätzlich alle gesetzlich krankenversicherten Menschen in Deutschland.
Im Folgenden wird der Stellenwert der CGM für Menschen mit Typ-2-Diabetes (T2D) in 4 unterschiedlichen Behandlungsszenarien erläutert.
Intensivierte Insulintherapie und/oder kontinuierliche subkutane „Pumpe“
Für an T2D erkrankte Personen, die eine intensivierte Insulin- oder eine Insulininfusionstherapie (ICT bzw. CSII) durchführen, ist der Einsatz von CGM-Systemen besonders vorteilhaft. Mittlerweile belegt eine Vielzahl von Studien signifikante Verbesserungen in der glykämischen Kontrolle, einschließlich einer Senkung des HbA1C-Werts. Zusätzlich gelingt es, die Zeiten in den relevanten Zielbereichen – Time in Range (TIR), Time above Range (TAR) sowie Time below Range (TBR) – deutlich zu optimieren. Außerdem kommt der Reduzierung und Vermeidung von Hypoglykämien eine wichtige Rolle zu: Die kontinuierliche Messung und Überwachung ermöglicht eine präzisere Anpassung der aktiv zuzuführenden Insulinmengen und trägt so – neben einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität – zudem zur Vermeidung von schädlichen Hypoglykämien bei.
Einfache Insulintherapie (konventionelle Therapie oder basal optimierte Therapie)
Bei Menschen, die entweder eine Insulintherapie mit täglich zwei Mischinsulingaben (CT) oder auch nur eine BOT (basal optimierte Therapie) mit einer einmaligen Gabe von Basalinsulin zusätzlich zu oralen Antidiabetika betreiben, zeigt der Einsatz von CGM-Systemen ebenfalls positive Effekte. Studienergebnisse zeigen, dass der HbA1C-Wert bei Anwenderinnen und Anwendern von CGM-Systemen signifikant stärker sank als bei denen, die ihre Blutzuckerwerte nur ein- bis dreimal täglich blutig selbst bestimmten (SMBG). Darüber hinaus konnte eine Reduktion der Hospitalisierungsraten durch akute diabetische Ereignisse wie diabetische Ketoazidose und schwere Hypoglykämie festgestellt werden.
Keine Insulintherapie – „nur“ orale Antidiabetika
Für Betroffene, die ausschließlich orale Antidiabetika einnehmen, ist der Nutzen von CGM-Systemen weniger eindeutig. Eine Metaanalyse von 75 Real-World-Studien zeigte jedoch, dass der Einsatz eines CGM-Systems bei Erwachsenen mit T2D zu einer signifikanten Senkung des HbA1C-Werts führt, die bis zu 12 Monate anhält. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass CGM auch in dieser Patientengruppe hilfreich sein kann, insbesondere bei unzureichender Blutzuckerstoffwechselkontrolle und erhöhtem HbA1C-Wert.
Gestationsdiabetes
Der in den meisten Fällen eine besondere Frühform des T2D darstellende Gestationsdiabetes (GDM) erfordert eine engmaschige und intensive Betreuung der betroffenen Frauen, um Geburtskomplikationen sowie Schäden für das Neugeborene zu reduzieren und möglichst zu verhindern. Dabei spielt ein nahezu stabiler und konstanter Verlauf der Blutzuckerwerte eine zentrale Rolle, die im Regelfall mittels 7-Punkte-Tagesprofilen kontrolliert werden. Mithilfe von CGM-Systemen kann man den Schwangeren mit GDM sehr viel deutlicher die Auswirkungen von angepasster Ernährung und Bewegung auf die Blutzuckerwerte vermitteln.
Was zu beachten ist, damit die Vorteile zum Tragen kommen
Die kontinuierliche Glucosemessung stellt für Menschen mit Typ-2-Diabetes ein wertvolles Hilfsmittel dar, um die Blutzuckerkontrolle zu verbessern und das Risiko für akute und langfristige Komplikationen zu reduzieren. Während der Nutzen bei ICT sowie bei CSII am deutlichsten ist, können auch Personen mit Basalinsulin oder alleiniger oraler Medikation von CGM-Systemen profitieren, insbesondere bei unzureichend eingestelltem HbA1C-Wert.
Cave: CGM misst den Glucosegehalt im Gewebe und nicht im Blut.
Bei all diesen Gedanken zu CGM-Systemen sollte aber keinesfalls vergessen werden, dass der optimale Effekt dieser Systeme direkt damit verbunden ist, wie gut die Anwender und Anwenderinnen sich in der Interpretation der ermittelten ambulanten Glucoseprofile (AGP) auskennen. Dazu ist neben einer Einweisung in die Technik, die von den Herstellern dieser Systeme geleistet werden muss, eine ausführliche Schulung notwendig, um die Wertigkeit aller von den CGM-Systemen erhobenen Daten und den vom System empfohlenen Aktionen entsprechend nutzen zu können.
Dabei ist eines der größten praktischen Probleme, dass die ermittelten Werte nicht den realen aktuellen Blutzuckerwerten entsprechen und dass es bei unsachgemäßem Einsatz auch zu Fehlinterpretationen mit erheblichen klinischen Konsequenzen kommen kann.
Gleichwohl handelt es sich bei den jetzt zur Verfügung stehenden CGM-Systemen um die wohl bedeutsamste Neuerung in der Versorgung von Menschen mit Diabetes in den vergangenen Jahren, da durch CGM weitere Innovationen, z. B. automatische Insulinabgabesysteme (AID), möglich geworden sind.
Der Autor
Dr. med. Nikolaus Scheper
Facharzt für Allgemeinmedizin und Diabetologie
Praxisgemeinschaft Dr. Feldmann, Schneider, Veit in Marl
Vorsitzender der BVNDakademie
Literatur beim Autor