Dass endokrinologische Erkrankungen die Haut beeinflussen, ist oft nicht im Bewusstsein. Dabei sind die Folgen einer Insulinresistenz, eines veränderten Cortisol- und/oder Glukokortikoidspiegels und von hormonellen Ungleichgewichten eigentlich augenfällig und im Wortsinn: bemerkenswert.
Die Konsequenzen der Insulinresistenz für die Haut erläuterte Prof. Dr. med. Prof. Dr. h.c. Christos Zouboulis (Dessau) in seinem Vortrag auf dem EADV-Kongress 2024 in Amsterdam. Das Thema habe allein wegen der Zahl der Betroffenen Relevanz, denn 40– 45 % der Weltbevölkerung gälten als hoch diabetesgefährdet. Zudem seien weltweit 600 Millionen adipös, und 70–80 % von ihnen hätten eine Insulinresistenz, ebenso alle mit Typ-2-Diabetes [1].
Hyperinsulinämie: hormonelle Folgen
Man geht davon aus, dass Insulinresistenz Hautveränderungen über die Hyperinsulinämie induziert. Sie aktiviert den „insulin-like growth factor 1” (IGF-1), der an IGF-1-Rezeptoren auf Sebozyten, Fibroblasten und Keratinozyten bindet und so deren Proliferation stimuliert. Außerdem bindet Insulin infolge seiner kompensatorisch erhöhten Konzentration auch an die IGF-Rezeptoren α und β und stimuliert so selbst die Proliferation von Keratinozyten und Fibroblasten [2,3]. Eine weitere Folge der Hyperinsulinämie ist die Aktivierung inflammatorischer Gene und des Forkhead-Box-O1-Gens (FOXO1). Dies steigert Entzündungsprozesse, induziert ebenfalls die Proliferation und führt zu abnormer Zelldifferenzierung, so Zouboulis [3].
Hyperinsulinämie erhöht IGF-vermittelt die Konzentration des freien Testosterons, die normalerweise bei 2 % liegt, sowie die Umwandlung von Testosteron in 5α-Dihydrotestosteron (5α-DH), also das aktive Androgen in der Haut [2]. Die Zusammenhänge zwischen Insulinresistenz, Hyperinsulinämie und Hyperandrogenämie sowie die klinischen Ausprägungen des Hyperandrogenismus sind in der Abbildung dargestellt.
Psoriasis, Akne und akneiforme Dermatosen
Die IGF-1-abhängig erhöhte Keratinozytenproliferation spielt auch bei der Entstehung der Psoriasis eine Rolle und tatsächlich ist eine Insulinresistenz bei Menschen mit Psoriasis dreimal wahrscheinlicher als bei jenen ohne [4].
Unter IGF-1-Einfluss steigt zudem die Keratinozytenproliferation in den Follikeln stark an, wodurch sie blockiert werden – ein der Akne zugrunde liegender Mechanismus. Ein weiterer Hauptfaktor ist die durch IGF-1 erhöhte Lipidsynthese in humanen Sebozyten der Haartalgdrüseneinheit [5]. Für Männer ist wesentlich, dass IGF-1 die Umsetzung von Testosteron in 5α-DH induziert. Unter einem Überschuss des Androgens kommt es zur epithelialen Hyperproliferation und zu einer Hyperseborrhö, die im Zusammenhang mit proinflammatorischen Peptiden Krankheitswert hat [6]. Umgekehrt zerstören Rezeptorantagonisten des „epidermal growth factor” (EGF) und des IGF-1 die Epidermis. In der klinischen Praxis kommt dieser Mechanismus beim Mammakarzinom zum Tragen, wenn unter Brustkrebsmedikamenten eine akneiforme Dermatose entsteht [7].
Weitere Insulinresistenz-bedingte Dermatosen
Auch die Acanthosis nigricans gehört zu den eng mit Insulinresistenz verknüpften Erkrankungen, weitere Assoziationen werden vermutet (Tab.) [1,8].
Im Zuge des HAIR-AN-Syndroms leiden Betroffene an Hyperandrogenämie, Insulinresistenz und Acanthosis nigricans. Anamnestisch wegweisend sind Hirsutismus, Akne, frühe Adipositas, ungewöhnliche Zyklusdauer (2–3 Monate), hohe Trinkmengen, Hyperpigmentierung im Nacken und den Achseln sowie ein erniedrigter frontaler Anagen-Telogen-Quotient [8].
Liegt eine Kombination aus Seborrhö, Akne, Hirsutismus und androgener Alopezie (SAHA) vor, könnten betroffene Patientinnen gelegentlich auch polyzystische Ovarien aufweisen, ohne an einem Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) zu leiden oder ein solches künftig zu entwickeln. An SAHA müsse man in der dermatologischen Praxis denken, denn es sei mehr als ein wenig Haarausfall und ein wenig Akne – und behandelbar, betonte Zouboulis [9-13].
Auch für die Hidradenitis suppurativa (HS) gebe es neben vielen anderen Einflussfaktoren wachsende Evidenz für eine Assoziation mit metabolischen Störungen, Adipositas und Prädiabetes. So liege die Diabetes-Prävalenz in Saudi-Arabien bei ca. 25 % – mit enorm hoher HS-Komorbidität. Auch das Acrochordon finde sich gehäuft bei Menschen mit Diabetes. Es könne sich daher lohnen, bei Menschen mit Hautanhängseln und leichter Adipositas den Blutzucker zu untersuchen, so Zouboulis. Dies könne Leben retten, da die Diabetestherapie so unter Umständen Jahre früher beginnen könne.
Morbus Addison
Zur Nebenniereninsuffizienz bei M. Addison komme es infolge autoimmunologischer oder infektiöser Prozesse oder aufgrund von Tumorerkrankungen, berichtete Prof. Dr. med. Sélim Aractingi (Paris). Neben zahlreichen extrakutanen Manifestationen durch die Steroidveränderungen (Malaise, Fatigue, Gewichtsverlust, Anorexie, Übelkeit, Hyponatriämie, Hyperkaliämie, Eosinophilie) manifestiere sich der M. Addison auch dermatologisch als lokale oder generalisierte Hyperpigmentierung. Sie entsteht durch steigende Spiegel des ACTH-Spaltprodukts α-Melanozyten-stimulierendes Hormon infolge des reduzierten Cortisolspiegels [14]. Klinisch imponiert eine Melanodermie in sonnen- und reibungsexponierten Bereichen, Palmarfurchen und Beugen sowie in frischen Narben und Schleimhäuten. Bei autoimmun bedingter Nebenniereninsuffizienz können auch Vitiligo oder Alopecia areata auftreten.
Cushing-Syndrom
Diese Stoffwechselerkrankung, die durch einen Glukokortikoid-Überschuss entsteht (z. B. Cortisol; auch als Nebenwirkung einer Steroidgabe), führt extrakutan zu präpubertärer Wachstumsretardierung, Gewichtszunahme, Büffelnacken, Mondgesicht, Muskelschwäche, Bluthochdruck, Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Depression, Hypokaliämie und Glucoseintoleranz. Dermatologisch zeigen sich eine Plethora im Gesicht, breite purpurne Streifen über Abdomen, Flanken und Oberarmen und eine Atrophie mit papierartiger Haut [15]. Die Atrophie entsteht als Folge der erhöhten Cortisolkonzentration, durch die das Kollagennetzwerk, die elastischen Fasern in der subepidermalen Papillarzone und die horizontalen elastischen Fasern in der Dermis abnehmen, wodurch es zum vollständigen Verlust der vertikalen elastischen Fasern kommt [16]. Auch eine Glukokortikoid-Applikation auf die Haut kann papierartige Haut, Purpura, Wundheilungsverzögerung und Striae bedingen.
Als weitere kutane Zeichen des Cushing-Syndroms nannte Aractingi:
Cortisol und Glukokortikoide können an einen Glukokortikoid- oder Mineralokortikoidrezeptor binden, um in den Zellkern zu gelangen. Dies löst im ersten Fall eine Aktivierung antiinflammatorischer Gene aus, im zweiten die unerwünschte Atrophie. In menschlichen Hautproben und in vivo ist es gelungen, die Glukokortikoid-induzierte Atrophie durch eine topische Blockade des Mineralokortikoidrezeptors (z. B. durch Spironolacton) zu begrenzen [17,18].
Carney-Komplex
Diese seltene genetische Erkrankung entsteht bei 70 % der Betroffenen aufgrund von Mutationen in der α-Einheit der cAMP-abhängigen Proteinkinase I (PRKAR1A), bei 30 % durch Veränderungen im Phosphodiesterase-Gen. Es kommt zur Vergrößerung endokriner Drüsen, darunter ACTH- oder Wachstumshormon-sezernierende Hypophysen-Adenome, zu Schilddrüsentumoren oder nicht medullärem Schilddrüsenkrebs. Zu den diversen nicht endokrinologischen Befunden zählen kutane Veränderungen, die sich meist nach dem 20. Lebensjahr ausbilden und diagnostisch hoch relevant und hilfreich sind. Dazu gehört eine fleckige Hautpigmentierung, in 77 % der Fälle auf dem gesamten Körper. Zudem sind blaue Nävi zu beobachten, pigmentierte epitheliale Melanozytome sowie Myxome (meist an Haut, Schleimhaut und Herz) [19].
Lichen amyloidosus bei MEN2A
Eng verwandt mit dem Carney-Komplex ist die multiple endokrine Neoplasie Typ 2A (MEN2A), die sich bei jungen Menschen als Lichen amyloidosus manifestieren kann, einem dunkel pigmentierten, stark juckenden Bereich auf dem Rücken. Gibt es dafür keine lokale Ursache, kann eine Mutation im RET-Protoonkogen vorliegen. Das MEN2A kann somit über diese Veränderung erkannt werden.
Polyzystische Ovarien: PCOS-Verdacht ohne PCOS
Das polyzystische Ovarialsyndrom gehe mit einem Androgen-Überschuss und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einher – es sei daher wichtig, zwischen diesem Syndrom und dem Vorliegen polyzystischer Ovarien zu differenzieren, betonte Aractingi. Hirsutismus sei ein exzellenter Diagnostik-Marker, insbesondere wenn Brust, Abdomen oder Rücken betroffen sind, ebenso die Acanthosis nigricans [20].
Hyperthyreose und kutane Veränderungen
Zu den nicht kutanen Zeichen zählen hier Fatigue, Tachykardie, Insomnie, Gewichtsverlust und Stimmungsschwankungen. Dermatologisch finden sich eine warme, feuchte und weiche Haut, daunenartiges oder ausdünnendes Kopfhaar sowie proximale Onycholyse und Halb-und-halb-Nägel. Zudem treten Hyperhidrose, Gesichtsröte sowie palmare Erytheme auf. Die kutanen Zeichen seien sensitiv, jedoch nicht spezifisch, weshalb man sie im Kontext allgemeiner Symptome beleuchten müsse, so der Experte.
Prätibiales Myxödem
Das prätibiale Myxödem (nicht: Hypothyreose-bedingtes Myxödem!) ist mit dem Morbus Basedow assoziiert und tritt meist erst nach der Ophthalmopathie auf – häufiger bei Frauen und bei Tabakkonsum. Das prätibiale Myxödem imponiert, seltener auch abseits der Schienbeine, als deutlich umgrenzte, pinke, wächserne Schwellung, als kutane Induration unterschiedlicher Färbung oder als purpurne, atrophierte Orangenhaut-Plaques. In der Dermis lässt sich eine Muzinablagerung feststellen.
Thyreoidale Akropachie
Diese Erkrankung tritt in seltenen Fällen im Zusammenhang mit einer Hyperthyreose auf und präsentiert sich als Trias aus Trommelschlägelfingern, Weichteilschwellung an Händen und Füßen sowie charakteristischen Reaktionen des Periosts. Sie treten auch im Zusammenhang mit einem Morbus Basedow auf.
Hypothyreose und kutane Veränderungen
Eine Schilddrüsenunterfunktion geht mit Fatigue, Gewichtszunahme und Bradykardie einher. Dermatologisch kann es zum Myxödem (wachsartige Erscheinung großer Weichteilbereiche des Gesichts, weißlich-gelbe Infiltrationen), Xerose (und Pruritus) kommen, zum telogenen Effluvium sowie brüchigen Nägeln. Darüber hinaus finden sich kalte Haut, palmo-plantare Keratodermie, Ichthyose, Blässe sowie Carotinämie. Am telogenen Effluvium lasse sich die Hypothyreose in der Dermatologie gut erkennen, erklärte Aractingi. Auch ein Verlust der äußeren Bereiche der Augenbrauen sei charakteristisch.
Vorträge „Insulinresistence and the skin“ und „Endocrinopathies and skin: a focus on steroids and skin“ anlässlich des EADV-Kongresses 2024, Amsterdam