Ein Betulin-haltiges Gel beschleunigt die Wundheilung bei Epidermolysis bullosa. Wie die Zulassungsstudie zeigte, waren die Wunden nach 45 Tagen schneller verschlossen und nach weiteren 15 Monaten hatte sich die Wundlast um 53 % verringert.
Die Epidermolysis bullosa ist eine seltene, erbliche Hauterkrankung, die sich in vier Subtypen manifestiert. In allen Fällen ist die Haut äußerst fragil und neigt bereits bei geringer mechanischer Belastung oder leichten Traumata zur Bildung großflächiger Blasen. Platzen diese auf, entstehen schmerzhafte, schlecht heilende oberflächliche Wunden. Am häufigsten ist die autosomal-dominant vererbte Epidermolysis simplex, bei der sich die Blasen suprabasal in der Epidermis bilden. Bei der autosomal-rezessiven junktionalen Epidermolysis bilden sich die Blasen innerhalb der Lamina lucida der Basalmembran. Bei der dystrophen Epidermolysis (je nach Subtyp autosomal-dominant oder autosomal-rezessiv vererbt) ist die Haut unterhalb der Lamina densa besonders fragil. Eine spezifische Komplikation ist hier das Plattenepithelkarzinom. Die autosomal-rezessive Kindler Epidermolysis bullosa manifestiert sich mit akraler Blasenbildung; in der Ultrastruktur fallen Spaltungen innerhalb der kutanen Basalmembran auf.
Die Therapie erfolgt rein symptomatisch. Im Alltag kommt es darauf an, die Haut nicht mechanisch zu reizen, um das Blasenrisiko zu minimieren. Es empfiehlt sich, lockere Kleidung und gepolsterte Schuhe zu tragen. Blasen werden mit nicht klebenden Gel- und Silikonverbänden oder Auflagen versorgt, dazu sollte die Haut möglichst kühl gehalten werden. Die Blasen werden steril aufgestochen und entleert. Die Wunden sollten immer chirurgisch behandelt und extrakutane Manifestationen engmaschig überwacht werden.
Sekundäre Pflanzenstoffe in der Birkenrinde
Bisher gibt es keine effektive pharmakologische oder genetische Therapie. Eine Gentherapie wäre zwar kausal, wegen der Anzahl der mutierten Gene ist das jedoch ein eher langfristiges Forschungsziel. Bis dahin sind Behandlungen nötig, die die Wundheilung beschleunigen und den Schmerz und Juckreiz lindern [1]. Seit September 2022 ist ein Wundgel mit einem Trockenextrakt aus Birkenrinde auf dem Markt, das die EU-Zulassung als Orphan-Drug besitzt. Die Rinde der Birke (Betula pendula) enthält in seinem äußeren, weißen Korkgewebe ungefähr 22 % Betulin und ist somit ein nachwachsender Rohstoff aus den Wäldern Nordeuropas. Das Gel enthält – bezogen auf den Gesamt-Triterpen-Extrakt – 10 % Birkenrindenextrakt (Betulae cortex) sowie 90 % Sonnenblumenöl [2]. Alle wirksamen Inhaltsstoffe weisen eine Terpenstruktur auf, eine für sekundäre Pflanzenstoffe typische Kohlenstoffkette mit lipophilen Eigenschaften. Neben dem Hauptwirkstoff Betulin sind das Betulinsäure, Lupeol, Oleanolsäure und Erythrodiol.
Erst Entzündung, dann Wundverschluss
Die Wundheilung findet in drei Phasen statt: In der primären Entzündungsphase werden Mediatoren ausgeschüttet, die dafür sorgen, dass Makrophagen, Phagozyten und Granulozyten in die Wunde wandern und diese reinigen. In der zweiten Phase wird die Entzündung gelöst, Hautzellen teilen sich und schließen die Wunde. In der finalen, dritten Phase differenzieren sich die Hautzellen, reifen und bilden die Wunde um. Der Birkenrinden-Trockenextrakt wirkt spezifisch in den ersten beiden Phasen. Er reguliert einige entzündungsfördernde Mediatoren herauf und andere herunter.
Menschen mit Epidermolysis bullosa werden als Schmetterlingskinder bezeichnet, weil ihre Haut so verletzlich ist wie die Flügel eines Schmetterlings.
Dabei ist der Anstieg der proinflammatorischen Zytokine vorübergehend und schwächt sich während der Langzeitbehandlung ab. Dieser Entzündungsstimulus ist vermutlich die Voraussetzung für eine zweite antiinflammatorische Antwort. In vitro und in vivo steigerte der Trockenextrakt die Migration von primären menschlichen Keratinozyten, beschleunigte die Wundheilung und förderte die Differenzierung der Keratinozyten – Prozesse, die für Reepithelialisierung und den Erhalt der Hautbarriere essenziell sind. Wie diese genau ablaufen, zeigte sich in In-vitro-Experimenten (Abb.). Zuerst wird kurzzeitig die Entzündungsphase stimuliert: in humanen Keratinozyten werden die proinflammatorischen Mediatoren Cyclooxigenase-2 und Interleukin-6 und -8 heraufreguliert. Das geschieht durch Stabilisierung der messenger-RNA, wodurch deren Halbwertszeit um den Faktor 3,5 erhöht wird. Die Gewebeneubildung wird dann durch Migration der Keratinozyten angeregt, möglicherweise über die Beeinflussung des Zytoskeletts durch Bildung von aktiven Filopodien, Lamellipodien und Stressfasern. Hierdurch kommt es zu einer beschleunigten Reepithelialisierung. Die Reifung der Hautbarriere wird schließlich durch Differenzierung der Keratinozyten angeregt – zumindest teilweise durch Aufregulierung des transienten Rezeptor-Potential-Kationenkanals Subtyp 6 (TRPC6), der den Calciumeinstrom in die Keratinozyten reguliert.
Auf die schnellere Reepithelialisierung im Wundbereich wiesen die Ergebnisse einer Phase-II-Studie bei Patienten mit dystrophischer Epidermolysis bullosa hin. Wurde das Gel mit einem nicht haftenden Wundverband aufgetragen, beschleunigte sich die Reepithelialisierung in 8 von 8 Fällen, evaluierten zwei verblindete Prüfärzte verglichen mit dem nicht haftenden Wundverband alleine. In 5 Fällen bewerteten beide Prüfer die Epithelialisierung mit dem Gel als besser; in 3 Fällen kam je einer zu diesem Schluss. Was die Wundgröße betraf, zeigte sich bei der Gelbehandlung ein Trend zur schnelleren Heilung [3].
Evidenz für beschleunigte Wundheilung
Untersucht wurde die Wundheilung auch mithilfe eines intraindividuellen Vergleichs von Spalthauttransplantations-Wunden, die denen bei Epidermolysis bullosa ähneln. In einer Phase-III-Studie beschleunigte das Birkenrinden-Gel die Heilung von tiefen Wunden in den Spalthauttransplantations-Entnahmestellen um 1 bis 2 Tage, bei einer gesamten Heilungsperiode von 17 Tagen [4]. Bei Verbrennungswunden vom Grad 2a verlief die Heilung einen Tag schneller, bei insgesamt 9 Tagen Heilungsdauer [5].
In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie erhielten 223 Erwachsene und Kinder mit Epidermolysis bullosa dystrophica oder anderen Formen randomisiert in den ersten 90 Tagen das Wundgel mit Birkenrindenextrakt oder ein Kontrollgel. Im Anschluss konnten die Teilnehmer an einer Open-Label-Verlängerungsstudie teilnehmen, in der sie bis zu 2 Jahre mit dem Birkenrindengel weiterbehandelt wurden. Der Prüfarzt schätzte die Wirksamkeit anhand einer oberflächlichen Zielwunde von 10–50 cm2 ein, die seit mindestens 21 Tagen bis längstens 9 Monate vor dem Screening bestand.
Nach 90 Tagen zeigte sich, dass die Wunden bei signifikant mehr Teilnehmern mit dem Birkenrindengel innerhalb von 45 Tagen verschlossen waren (41,3 % vs. 28,9 %). Auch die Wundbelastung (gemessen mithilfe des Körperoberflächenprozentsatzes) verringerte sich in diesem Zeitraum mit Birkenrindengel um durchschnittlich 4,4 Prozentpunkte (vs. 2,4 unter Placebo). Bei dominanter oder junktionaler Epidermolysis bullosa wurde kein Unterschied beim Wundverschluss zwischen Gel und Placebo beobachtet. Auch mussten weniger Teilnehmer, die das Gel erhielten, täglich den Wundverband wechseln (32 % vs. 50 %), was zusätzlich weniger schmerzhaft war. In der Verlängerung war nach 15 Monaten die Wundlast anhaltend reduziert; der Körperoberflächenprozentsatz für Wunden war seit Studienbeginn um durchschnittlich 53 % verringert [6,7].
Diskretere Narben
Neben der Wundheilung spielt auch der ästhetische Aspekt eine Rolle, wie in zwei intraindividuellen Vergleichsstudien bei 220 Patienten nach Hauttransplantation untersucht wurde. Nach 3 Monaten Behandlung mit dem Betulin-Gel wiesen ca. 30 % diskretere Narben auf, vs. 10 % unter Standardversorgung. Von den Patienten selbst schätzten 50 % die Ästhetik als gut ein (vs. 10 %). Ein Jahr später wurde die Gelbehandlung von den Untersuchern in 25 % der Fälle als besser eingeschätzt (vs. 10 %), von Patientenseite in 25 % bzw. 4 % [8].
Univ.-Prof. Dr. med. Jorge Frank
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsmedizin Göttingen
jorge.frank@med.uni-goettingen.de
Sowohl die Epidermolysis bullosa junctionalis als auch die Epidermolysis bullosa dystrophica weisen eine hohe peri- und postnatale Mortalität auf. Bisher gab es keine zugelassene oder gar kurative Behandlung. Letztere gibt es auch jetzt noch nicht. Dennoch konnte mit der erstmaligen europäischen Zulassung eines Medikamentes für die topische Wundbehandlung bei diesen Erkrankungen ein neuer Meilenstein in der Therapie der hereditären Epidermolysis bullosa erreicht werden.
Der Trockenextrakt aus Birkenrinde beschleunigt die Reepithelialisierung von Wunden und die Neubildung der Hautbarriere. Auch die Narbenbildung verläuft diskreter. In der Zulassungsstudie waren die Wunden nach 90 Tagen schneller verschlossen und in der Langzeitanwendung zeigte sich die Wundlast geringer als unter Placebo. Ursächlich sind vermutlich ein bimodaler pro- und antiinflammatorischer Effekt sowie eine verbesserte Migration von Keratinozyten und Differenzierung von epidermalen Zellen.
Eingesetzt wird das Gel zur Behandlung oberflächlicher Wunden im Zusammenhang mit dystropher und junktionaler Epidermolysis bullosa, auch bei Kindern ab sechs Monaten. Es eignet sich auch bei Birkenpollenallergie, da es keine Allergene enthält [1]. In der Literatur finden sich keine Hinweise auf eine Kontaktallergie. In Zukunft könnten möglicherweise transgene Stammzellen zur Regeneration der betroffenen Zonen der Epidermis eingesetzt werden [1].
1 Schwieger-Briel A et al., Dermatol Ther 2019; 32: e12983
2 Scheffler A, Planta Med 2019; 85: 524–527
3 Schwieger-Briel A et al., Dermatol Res Pract 2017; 2017: 5068969
4 Barret JP et al., Burns 2017; 43: 1284–1294
5 Frew Q et al., Burns 2018; 45: 876–890
6 Kern JS et al., Br J Dermatol 2023; 188: 12–21
7 Gelbe Liste [Intenet]. Langen: Vidal MMI Germany GmbH; c2022 (letzter Aufruf am 11.01.2023). Verfügbar unter: https://www.gelbe-liste.de/neue-medikamente/filsuvez-gel-epidermolysis-bullosa.
8 Kindler S et al., Molecules 2016; 21: 1129
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