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Dermatologie

Expertenkommentar

Aktuelles zum Thema: „Sexuell übertragbare Erkrankungen“

Prof. Dr. med. Norbert H. Brockmeyer, Sprecher KompNet HIV/AIDS, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft, Mitglied des Nationalen AIDS-Beirates

4.11.2022

Prof. Dr. med. Norbert H. Brockmeyer, Sprecher KompNet HIV/AIDS, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft, Mitglied des Nationalen AIDS-Beirates

„Die Inzidenz sexuell übertragbarer Erkrankungen (STI) steigt an, die Zahlen der HIV-Neuinfektionen aber nehmen ab. Letzteres ist eine Errungenschaft in den vergangenen Jahren: fast 40 Jahre sehr guter Aufklärung, die hervorragenden heutigen Therapiemöglichkeiten und inzwischen auch die Präexpositionsprophylaxe, die in mehr als  99 % vor einer HIV-Infektion schützen kann. Somit haben wir auf einmal ein großes Spektrum an Möglichkeiten, weitere Infektionen zu verhindern und wären damit eigentlich auch in der Lage, HIV – zumindest aber das Vollbild AIDS – völlig auszumerzen.
Dafür müssen wir aber gerade auch in den Praxen unbedingt stärker über Sexualität, sexuelle Vorlieben und die Anzahl der Sexualpartner reden und den Menschen anbieten, sich auf STI testen zu lassen, um Spätdiagnosen zu verhindern. Für mich eine ganz wesentliche Präventionsmaßnahme, die am Ende auch sicherlich sehr viel Geld einsparte.
Wichtig wäre auch, eine auf der Anzahl der Sexualpartner basierende Diagnostik zu machen. Das heißt: wer mehr als vier Partner:innen hatte, sollte einmal auf STI getestet werden. Denn wir sehen deutlich, dass die Zahl der Infektionen, die man hierdurch aufdeckt, relevant ist – seien es Gonokokken oder die Syphilis oder eben HIV.
Auch eine Meldepflicht für sämtliche Gonokokken-Infektionen, nicht nur für die mit resistenten Stämmen, halte ich für essenziell. Bisher haben wir die generelle Meldepflicht lediglich in Sachsen – was aber nur bedingt Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen in den anderen, viel größeren Bundesländern zulässt.
In puncto Affenpocken scheint die Inzidenz im Moment eher stabil zu sein, weltweit sehen wir aber immer noch eine Zunahme. In Deutschland treten die meisten Infektionen in Großstädten wie Berlin oder Köln auf – dort, wo unterschiedliche Lebenswelten zusammenkommen und viel Sexualität gelebt wird. Von daher ist auch hier die Aufklärungsarbeit ein ganz wichtiger Punkt, gerade in Communities, in denen Sexualkontakte mit häufig wechselnden Partnern stattfinden, wie bei Männern, die Sex mit Männern haben, oder in Swingerclubs.
Wir müssen aber auch die Ärzte aufklären. Darüber, dass es die Affenpocken gibt und Erkrankte zu ihnen in die Praxis kommen können. Und da ist es natürlich wichtig, die wesentlichen Symp­tome zu kennen. Zu Beginn treten eher Allgemeinsymptome wie ein leichtes Unwohlsein, vielleicht auch etwas Fieber oder Magen-Darm-Probleme auf. Bei den meisten folgen dann aber Hautveränderungen – von daher sind gerade auch die Dermatologen gefordert. Die Primärveränderungen finden sich im Bereich des Sexualkontaktes, also anal, am Glied, im Mund – vergleichbar dem syphilitischen Primäraffekt. Mit der nachfolgenden Virämie breiten sich die Hautveränderungen über den gesamten Körper aus und reichen von leichten Rötungen (wie beim beginnenden Herpes) über Papeln oder kleine Geschwüre (ähnlich der Syphilis maligna) bis hin zu austernschalenartigen Krusten, wie sie typisch auch für Pockeninfektionen sind.
Diagnostisch sollte Material von den infektiösen Krusten oder anderen Hauterscheinungen gewonnen und in ein darauf spezialisiertes Labor oder zum Robert Koch-Institut geschickt werden. Man kann die Patienten aber auch gleich in spezialisierte Zentren überweisen. Dies sollte man spätestens dann tun, wenn eine rein symp­tom­lindernde Lokaltherapie nicht mehr ausreicht und eine gezielte antivirale Therapie mit Tecovirimat notwendig wird. Aufklärung und präventive Impfung von Risikopersonen sind die entscheidenden Faktoren, um die Endemie zu beenden. Wesentlich ist, dass ca. 85 % der bis zum Ende der 70er-Jahre gegen Pocken Geimpften weitestgehend geschützt sind.“

Der Experte

Prof. Dr. med. Norbert H. Brockmeyer
Sprecher KompNet HIV/AIDS,
Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft,
Mitglied des Nationalen AIDS-Beirates

Bildnachweis: privat

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