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Allgemeinmedizin

Kopfschmerz

Migräne - Die Macht der Hormone

Dr. med. Bianca Raffaelli, Mira Fitzek

3.2.2023

Migräne ist eine häufige neurologische Erkrankung und betrifft Frauen dreimal so oft wie Männer. Hormonelle Fluktuationen können das Auftreten von Migräneattacken beeinflussen. Entsprechend gehen Lebensphasen mit hormonellen Veränderungen meist mit einer Änderung des Migränemusters einher.

Weltweit sind ca. 20 % aller Frauen von Migräne betroffen. Während Mädchen und Jungen gleichermaßen von Migräne betroffen sind, entwickeln sich ab der Pubertät geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Migräneprävalenz, welche in den reproduktiven Jahren am stärksten ausgeprägt sind. Im folgenden Artikel wird der Zusammenhang zwischen Migräne und Sexualhormonen am Beispiel unterschiedlicher hormoneller Konstellationen zusammengefasst.

Migräne im Laufe des Menstruationszyklus

Während des Menstruationszyklus kommt es zu Schwankungen der Sexualhormone, insbesondere des Estrogens. Sinkende Estrogenspiegel, die vor dem Einsetzen der Menstruation auftreten, werden nachweislich mit einer erhöhten Häufigkeit von ­Migräneanfällen in Verbindung gebracht. Dieser ­Zusammenhang wurde erstmals in den 70er-Jahren als „Estrogenentzugshypothese“ beschrieben. Auch im tierexperimentellen Setting konnte gezeigt ­werden, dass der Estrogenabfall zu einer vermehrten Aktivierung des trigeminovaskulären Systems führt. Darüber hinaus sind perimenstruelle Mi­­grä­neattacken schwerer, länger anhaltend und thera­piere­fraktärer als Attacken in anderen Phasen des Menstruationszyklus. Die Internationale Kopfschmerzklassifikation unterscheidet dabei zwischen einer rein menstruellen Migräne und einer menstruationsassoziierten Migräne.

Bei der rein menstruellen Migräne treten Migräneattacken ausschließlich am Tag 1 ± 2 des Menstruationszyklus auf. Diese ist eine seltene Migräneunterform, die nur ca. 1 % der Frauen mit Migräne betrifft.

Viel häufiger ist hingegen die menstruationsassoziierte Migräne, bei der Attacken häufig perimenstruell, aber auch zu anderen Zeiten des Zyklus auftreten. Entsprechend gilt die Menstruation im reproduktiven Alter als einer der wichtigsten Triggerfaktoren für die Entwicklung einer Migräneattacke.

Therapeutisch kommt bei diesen Patientinnen eine perimenstruelle Kurzzeitprophylaxe mit Naproxen oder einem lang wirksamen Triptan in Betracht. Eine weitere therapeutische Option umfasst nach individueller Risiko- und Nutzenabwägung die Anwendung hormoneller Kontrazeptiva, welche zu einer möglichst stabilen Estrogenkonzentration führen.

Migräne und hormonelle Kontrazeption

Im reproduktiven Alter verwenden viele Migränepatientinnen eine hormonelle Kontrazeption und nehmen damit Einfluss auf ihren Hormonhaushalt. Die Einnahme einer hormonellen Kontrazeption kann einen variablen Einfluss auf den Migräneverlauf nehmen. Ungefähr ein Drittel der Patientinnen mit Migräne erfahren eine Besserung, ein Drittel eine Verschlechterung und ein Drittel keine Veränderung. Eine Verschlechterung scheint häufiger bei Verwendung einer kombinierten oralen Kontrazeption im klassischen 21-7-Zyklus (d. h. drei Wochen Einnahme gefolgt von einer Woche Pause) aufzutreten. Kombinierte Präparate im Langzyklus und insbesondere eine Gestagen-Monotherapie sind hingegen häufiger mit einer Besserung der Migräne assoziiert.

Wichtig zu beachten ist weiterhin, dass sowohl estrogenhaltige Präparate als auch Migräne mit Aura mit einem leicht erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert sind, wobei das Risiko durch estrogenhaltige Kontrazeptiva maßgeblich von der Dosierung des Estrogens abhängig ist. Dementsprechend sollten bei Patientinnen mit Migräne plus Aura vor allem estrogenfreie kontrazeptive Strategien eingesetzt werden. Bei Frauen ohne weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren gibt es jedoch nach den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und entsprechender Aufklärung keine zwingenden Gründe gegen eine kombinierte hormonelle Kontrazeption.

Migräne in der Schwangerschaft

Über die Hälfte der Frauen mit Migräne erleben eine Besserung in der Schwangerschaft, bis hin zum vollständigen Sistieren der Attacken. Wenn Attacken verbleiben, sind diese in der Regel kürzer und weniger stark. Umgekehrt beginnt eine Migräneerkrankung bei 1–10 % aller Frauen während der Schwangerschaft und bei bestehender Migräne kommt es in ca. 10 % der Fälle zu einer Verschlechterung. Die Entwicklung einer Migräne bzw. Verschlechterung einer bestehenden Migräne in der Schwangerschaft zeigt sich häufiger bei Migräne mit Aura als bei Migräne ohne Aura.

Mit abfallenden Estrogenspiegeln nach der Entbindung berichten Migränepatientinnen häufig von einer erneuten Zunahme der Migränelast in Frequenz und Intensität.

Migräne in der Peri- und Postmenopause

Durch den progredienten Verlust der ovariellen Follikelfunktion ist die perimenopausale Phase durch stark schwankende Estrogenkonzentrationen gekennzeichnet. In der Folge kann es insbesondere bei Frauen mit einer menstruationsassoziierten Migräne zu einer Verschlechterung der Migräne kommen. Auch eine Hormonersatztherapie zur Behandlung klimakterischer Beschwerden kann zu einer Zunahme der Migräne führen und sollte, insbesondere bei Vorliegen kardiovaskulärer Risikofaktoren, bei Patientinnen mit Migräne mit Vorsicht eingesetzt werden. Nach der postmenopausalen hormonellen Stabilisierung berichten ca. 70 % der Patientinnen über eine Besserung der Migräne. Eine Verschlechterung ist allerdings auch möglich und tritt bei ca. 10 % der Patientinnen auf.

Mehr praxisrelevantes Wissen finden Fachkreise auch online im Migräne- und Kopfschmerz-Guide unter www.mk-guide.org, einem Projekt der DMKG Initiative „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen“.

Die Autorin

Dr. med. Bianca Raffaelli
Ärztin für Neurologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin

bianca.raffaelli@charite.de

Die Autorin

Mira Fitzek
Ärztin für Neurologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin

mira.fitzek@charite.de

Literatur bei den Autorinnen

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Bildnachweis: privat

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