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Dermatologie

Der Fadenwurm in Sushi und Ceviche

Gnathostomiasis

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

18.8.2025

Die Gnathostomiasis ist selten, und auch in der Ärzteschaft nicht sehr bekannt. Aufgrund der früh auftretenden Hautmanifestationen bekommen Dermatologinnen und Dermatologen sie am ehesten zu sehen. Die Gefahr: Unerkannt wandert der Fadenwurm ins Zentralnervensystem und verursacht über Jahre schwere Symptome.

Eigentlich ist der Mensch ein Zufallswirt des Fadenwurms Gnathostoma spinigerum; als Endwirte fungieren Hunde, Katzen, Schweine und wild lebende Säugetiere. Endemisch ist Gnathostoma in den wärmeren Klimazonen von Südamerika bis Südostasien, vor allem in Thailand, Vietnam und Indonesien, aber auch in Japan und China, in Ländern der Subsahara sowie in Mexiko, Peru und Ecuador.

Der lange Weg des Fadenwurms

Menschen infizieren sich über rohen Fisch [1], Hummer und Krabben, nicht durchgegartes Fleisch und Geflügel – oder wenn sie kontaminiertes Wasser trinken. Dabei nehmen sie die filariformen Larven des dritten Entwicklungsstadiums auf. Zuvor hat der Fadenwurm seinen Zyklus fast durchlaufen: Adulte weibliche Würmer, die eine Länge von bis zu 50 mm erreichen, leben in der Magenwand ihrer Endwirte und produzieren Eier, die mit dem Kot ausgeschieden werden. Diese entwickeln sich in Gewässern zu Larven, die von kleinen Krebsen (Cyclops) gefressen werden. Cyclops wiederum ist Nahrung von größeren Zwischenwirten wie Fischen, Amphibien und Reptilien, in denen sich dann die filariformen Larven bilden. Der reguläre Zyklus vollendet sich, wenn beispielsweise Fische mit den infektiösen Larven vom tierischen Endwirt gefressen werden.

Diagnostische Detektivarbeit

Beim Menschen verläuft die Infestation über den Magen-Darm-Trakt. Ein bis zwei Tage nachdem die Larve, die etwa 3 mm groß ist, die Magenschleimhaut durchdringt, kommt es zu epigastrischen Schmerzen. Auf der Haut entsteht als häufigstes Symptom eine wandernde Schwellung, die als noduläre, wandernde Pannikulitis beschrieben wird [2-5]. Im Angelsächsischen Sprachraum wird daher der Begriff „Migrating Panniculitis” synonym mit einer Hautbeteiligung bei Gnathostomiasis verwendet. Dermatologen und Dermatologinnen sehen diese Manifestation als erste. Sie ähnelt klinisch dem Wells-Syndrom, mit schmerzhafter Schwellung und möglicher plaqueartiger, urtikarieller Ausprägung. Damit kann bereits ein erster Verdacht auf eine Gna­thostomiasis geäußert werden. Die Erkrankung ist allerdings auch in dermatologischen Kreisen wenig bekannt und wird selten als Differenzialdiagnose herangezogen [6].

Gefahr: Eosinophile Meningitis

Das Problematische an der Gnathostomiasis ist, dass die Larven durch das Unterhautfettgewebe zu verschiedenen Organen wandern, beispielsweise in die Lunge, in die Augen und ins Zentralnervensystem, wobei es hier zu einer direkten mechanischen Verletzung kommt. Daher können klinisch auch Husten oder eine ZNS-Symptomatik mit Kopfschmerzen und Doppelbildern häufig beobachtet werden. Denn unreife Würmer wandern durch die Foramina spinales auf allen Ebenen, dringen entlang der Nervenwurzeln in das Rückenmark ein und gelangen dann zum Gehirn. Dort durchdringen sie die Hirnhaut an der Schädelbasis und erreichen den Subarachnoidalraum, was zu plötzlich auftretenden, starken radikulären Schmerzen und Nervenlähmungen führt [6]. Diese klingen nach einigen Tagen ab, während der Wurm ins Innere des Gehirns weiter wandert, sich einnistet und bis zu 15 Jahre lang symptomatisch sein kann: metastasenartige Drucksymptome, dazu eine fokale Symptomatik und eosinophile Meningitis mit Myeloenzephalitis bilden sich aus. Bis zu 25 % der ZNS-Fälle verlaufen tödlich.

Biopsie, Blutbild und Serologie

Charakteristisch für die Gnathostomiasis ist die häufig exzessive Eosinophilie mit Werten von > 3 G/l bzw. > 50 %, außerdem sind die IgE-Serumspiegel stark erhöht [1,7-9]. Die Diagnose erfolgt mittels Serologie (ELISA, falls verfügbar: Sensitivität 93 %, Spezifität 96,7 %) und Magnetresonanztomografie. Hier sind eine Vergrößerung des Halsmarks erkennbar sowie hämorrhagische Bahnen im Gehirn mit vereinzelten tiefen intrazerebralen Blutungen.

Die mikroskopische Untersuchung zeigt eine diffuse entzündliche Zellinfiltration in der Dermis mit zahlreichen Eosinophilen und denaturierten Kollagenfragmenten [10]. Das Reaktionsmuster ist eher unspezifisch und identisch mit dem Muster, das bei einer Iktusreaktion oder einer Reaktion auf Parasiten beobachtet wird. Auch können Teile von Parasiten zu sehen sein – entweder im Schnittpräparat oder auch direkt in der betroffenen Haut.

Der Parasit ist schwer zu identifizieren, denn eine Gnathostomiasis kann in Routine-HE-Färbung nicht eindeutig definiert werden. In diesem Fall helfen enzymmarkierte Antikörper gegen Gnathostoma-Arten, die eine hochspezifische Färbung ermöglichen.

Frühe Behandlung meist effektiv

Initial können die Nematoden leicht chirurgisch entfernt werden. Später werden Anthelminthika (Ivermectin oder Albendazol) eingesetzt – ­möglichst in ärztlicher Zusammenarbeit mit Tropenmedizin oder Parasitologie. Albendazol über 2–3 Wochen ist in 70–90 % der Fälle wirksam – Rezidive können aber noch bis zu 2 Jahre nach Therapie auftreten.

Prof. Dr. med. Peter Schmid-Grendelmeier
Allergiestation Dermatologische Klinik
Universitätsspital Zürich
Medizin Campus Davos

peter.schmid@usz.ch

Red Flag: Tropenaufenthalt, Fischmahlzeit und wandernde Pannikulitis

Auch wenn manche Reiseerkrankungen sehr selten auftreten, sollte man doch diejenigen (er)kennen, die schwere Folgen haben können. So betreute ich einen 42-jährigen Mann nach einer einmonatigen Vietnamreise, der mit Bauchschmerzen, Fieber und plaqueartigen, schmerzhaften, wandernden Hautschwellungen des Abdomens in meine Praxis kam. Er gab an, auf seiner Reise rohen Fisch konsumiert zu haben. Bei dieser Klinik in Verbindung mit der Anamnese sollte man an eine wandernde Pannikulitis bei Gnatho­stomiasis denken. Hier ist es sinnvoll, ein Blutbild anzufertigen, das meist eine ausgeprägte Eosinophilie aufweist – bei meinem Patienten waren es 4,2 G/I, also 53 % Eosinophile –, und eine Hautbiopsie zu entnehmen, in der sich eine eosinophile noduläre Pannikulitis und teils sogar Parasiten-Anteile zeigen. Der serologische Nachweis von IgG gegen Gnathostoma spinigerum bestätigt den Verdacht – und sollte zur raschen Therapie mit Albendazol oder Ivermectin führen. Bei Urtikaria nach Rohfischgenuss in unseren Breitengraden ist an eine Infestation mit Anisakis simplex und entsprechender Sensibilisierung zu denken; sie lässt sich durch Nachweis von spezifischem IgE gegen Anisakis (Heringswurm) detektieren [11].

  1. Leroy J et al., Travel Med Infect Dis 2017; 20: 26–30
  2. Grau-Pérez M et al., Australas J Dermatol 2018; 59: e307–8
  3. Makino T et al., Br J Dermatol 2022; 186: e198–9
  4. Roach REJ et al., Lancet Infect Dis 2018; 18: 1045
  5. Eichelmann K et al., Semin Cutan Med Surg 2014; 33: 133–5
  6. Liu GH et al., Parasit Vectors 2020; 13: 616
  7. Bravo F et al., An Bras Dermatol 2018; 93: 172–80
  8. Diaz JH, J La State Med Soc 2015; 167: 215–9
  9. Eiras JC et al., Korean J Parasitol 2018; 56: 215–9
  10. Laga AC et al., J Am Acad Dermatol 2013; 68: 301–5
  11. Heffler E et al., Ann Allergy Asthma Immunol 2016; 116: 146–50

Vortrag „Hot Topic: Reisedermatosen“ anlässlich des Derma Updates 2024, Mainz, November 2024.

Bildnachweis: privat

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