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Allgemeinmedizin

Wenn das Hören erschwert ist

Viel Lärm, wenig Belastbares zu Schwerhörigkeit und Tinnitus im Zuge der COVID-19-Pandemie

Sabina Thiemeyer

30.1.2023

Der wissenschaftliche Diskurs rund um Fragen der Schwerhörigkeit erstreckte sich im vergangenen Jahr nach Ansicht von Prof. Dr. med. Gerhard Hesse (Bad Arolsen) mehr auf Ausprägung, Einschränkungen und Begleiterscheinungen der Kommunikationsfähigkeit als auf die Grundlagenforschung.

Im Zuge von COVID-Impfungen wird viel von Hörstörungen und Tinnitus berichtet. Aus einer telefonischen Befragung von 4 400 Personen in Norditalien folgerten die Autoren, dass die insgesamt eher häufigen COVID-19-Infektionen der Region weder die Inzidenz noch die Schwere von Tinnitus beeinflusst haben. Eine weitere Befragung von 1 082 Long-­COVID-Patienten ergab, dass bei ihnen Tinnitus und Schwindel häufig auftretende Symptome darstellen. Ob die audiovestibuläre Symptomatik bei Long-­COVID-Patienten ausgeprägter ist, ist in Studien mit genauerer audiologischer Diagnostik zu prüfen. Für das Risiko einer Tinnitusentstehung nach COVID-Impfungen liegen derzeit kaum belastbare Daten vor.

Alter + Lärmschäden = Schwerhörigkeit

Lärmschädigungen des Innenohrs sind nach wie vor die häufigste Ursache für Schwerhörigkeit, insbesondere in Verbindung mit altersbedingten Veränderungen, die durch die Lebenslärmsumme verstärkt werden. Mögliche genetische Ursachen unterschiedlicher Vulnerabilität sind bisher unbekannt. Generell bleibt Gehörschutz extrem wichtig.

Cortison: hoch oder niedrig dosiert oder intratympanal?

Eine von 2017 bis 2021 in Deutschland durchgeführte, bislang unveröffentlichte Studie zum Einsatz von unterschiedlich hoch dosiertem Cortison bei plötzlichen Hörminderungen („Hörsturz“) lässt ersten Ergebnissen zufolge noch keine Schlüsse zu, ob eine hoch dosierte systemische Cortisontherapie einer niedrig dosierten überlegen ist. Metaanalysen zur intratympanalen Cortisontherapie ergaben keine Evidenzen für eine Überlegenheit der intratympanalen Therapie, weder als Erst- noch als Zweitbehandlung eines Hörsturzes.

Tinnitus: Neue Leitlinie empfiehlt Hörgeräte

Tinnitus erleben ca. 15 % aller Erwachsenen, wobei die Inzidenz mit dem Alter ansteigt. Stark betroffen im Sinne eines hohen Leidensdrucks sind ca. 2 %. Die Krankheitskosten betragen in Deutschland mehr als 20 Mrd. Euro pro Jahr. Der entscheidende Faktor zur Tinnitusentstehung ist ein Hörverlust. Er führt zu mangelhafter Inhibition, die sich durch gesteigerte Fokussierung auf das Ohrgeräusch weiter verringert und die Tinnituswahrnehmung belastet. Folglich empfiehlt die neue S3-Leitlinie „Chronischer Tinnitus“ neben gründlicher Diagnostik, ausführlicher Beratung und kognitiver, tinnitusspezifischer Verhaltenstherapie auch Interventionen gegen den Hörverlust im Sinne von Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten. Die Liste der Nichtempfehlungen führt Rheologika, Betahistin, Steroide und Ginkgo auf, ebenso neuromodulative Verfahren (Wirksamkeit nicht belegt) sowie Noiser und Marker (keine Evidenz).

Hesse zog als Fazit für Klinik und Praxis, dass die wichtigste Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz von Hörgeräten zur Förderung der Tinnitushabituation eine ausreichende Verstärkung des Hörvermögens und damit ein guter Ausgleich des Hörverlusts (auch bei reiner Hochtonschwerhörigkeit) ist.­­ Eine Metaanalyse zeigte, dass Tinnituspatienten mit hochgradiger Schwerhörigkeit oder Surditas (auch einseitig) deutlich von Cochlea-Implantaten profitieren.

Online-Veranstaltung „HNO-Update“, Innenohrschwerhörigkeit und Tinnitus, November 2022

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