- Anzeige -
Allgemeinmedizin

HNO-Update

Neue mögliche Ursachen für vestibuläre Störungen

Agata Kwapisz

17.5.2022

Kommen Patienten mit Schwindel in die Praxis, kann die Ursache sehr vielfältig sein. Für eine optimale Behandlung ist eine möglichst genaue Diagnostik wichtig, denn die Ursache kann sich hinter scheinbar unwichtigen Details verbergen. Worauf zu achten ist, erläuterte Prof. Dr. med. Frank Schmäl (Münster/Greven).

Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (BPLS) ist die häufigste periphere vestibuläre Störung. Er führt zu wiederkehrenden, bewegungsabhängigen Drehschwindelattacken. Diese können bis zu 20 Sekunden andauern. Oft wird das Krankheitsbild aus Schwindelursache übersehen, was zu unnötigen Untersuchungen führen kann.

In der Anamnese deuten eine kurze Schwindeldauer und eine Provokation von Schwindel durch Umdrehen im Bett auf einen BPLS hin. Die Ursachen für einen BPLS können vielfältig sein. Aus diesem Grund ist eine genaue Anamnese der Schlüssel, um eine schnelle Diagnose bei vestibulären Störungen zu stellen. Besonders der Hausarzt benötigt Algorithmen, die nur auf wenigen Fragen und Variablen basieren, um geeignete diagnostische Entscheidungen ziel­sicher zu treffen.


BPLS und Vitamin D

Im Zuge einer Metaanalyse wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen benignem paroxysmalem Lagerungsschwindel und Vitamin-D(VD)-Serumspiegeln untersucht. Die Forscher fanden heraus, dass der VD-Spiegel bei Patienten mit BPLS signifikant niedriger war als in den Kontrollgruppen. Bei Patienten mit rezidivierendem BPLS war der VD-Spiegel in allen untersuchten Ländern signifikant niedriger als bei denjenigen ohne Rezidive. Eine weitere Analyse untersuchte die Serumkonzentrationen von VD und Calcium hinsichtlich der Frage, ob ein niedriger VD-Spiegel ursächlich für ein BPLS-Rezidiv sein könnte.  Zudem wurde geprüft, ob eine VD-Supplementierung das Risiko für ein BPLS-Rezidiv senkt. Insgesamt wurden 60 Patienten in die Studie eingeschlossen. Ein p-BPLS wurde bei 53 Patienten gefunden, ein h-BPLS bei sieben ­Patienten. Bei 40 der Untersuchten wurde ein ungewöhnlich niedriger VD-Spiegel festgestellt. Insgesamt gab es eine statistisch signifikante positive Korrelation zwischen dem mittleren VD-Assay und dem Serumcalcium mit BPLS. Beim Vergleich des BPLS-Rezidivs für die Gruppe, die Vitamin D nach einem Jahr Nachbeobachtung erhielt, gab es einen statistisch signifikanten Unterschied. Abnorme VD-Spiegel wurden mit dem Auftreten und Rezidiv eines BPLS in Verbindung gebracht. Das Rezidivrisiko verringerte sich mit der Korrektur des niedrigen VD-Spiegels.

Ein molekularer Mechanismus kann Aufschluss ­zeigen: Otolithen sind dafür zuständig, das Gleichgewicht zu halten. VD trägt zur Aufrechterhaltung der normalen Otolithenfunktion bei und wird mit BPLS in Verbindung gebracht. Die biologischen Funktionen von VD werden hauptsächlich über den VD-Rezeptor (VDR) ausgeübt. Eine Studie konnte aufzeigen, dass VDR bei Patienten mit BPLS mög­licherweise unterexprimiert wird und die Expressionsspiegel von ­Otolithen-assoziierten Proteinen beeinflusst.


Vestibuläre Migräne

Auch bei der vestibulären Migräne (VM) kann der Hausarzt mit Schwindelattacken konfrontiert werden. Die Diagnose dieser episodischen Schwindelattacken ist einfach, wenn wiederholt reversible Attacken mit unterschiedlicher Kombination von Kopfschmerz (meist okzipital), Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit, Sehstörungen, Stand- und Gangataxie und/oder anderen Hirnstammausfällen bei familiärer Migränebelastung auftreten.

Jedoch wird die Diagnose schwieriger, wenn die Schwindelattacken isoliert auftreten (30 %) oder monosymp­tomatische audio-vestibuläre Attacken überwiegen (70 %). Hinzukommend kann ihre Dauer mit einem M. Menière (MM) kompatibel sein (20 Minuten bis 24 Stunden), insbesondere wenn zusätzlich milde cochleäre Symptome vorhanden sind oder sich die VM mit isolierten lageabhängigen Schwindelattacken zeigt.

Laut der aktuellen Klassifikation, die in Zusammenarbeit der International Headache Society und der Bárány Society entstanden ist, wird zwischen einer VM und einer wahrscheinlichen VM unterschieden (s. Tab.).

Estrogenmangel fördert VM

Bei der Anamnese bei Patientinnen sollte der Behandler auch mit einbeziehen, ob sie sich in der Menopause befindet. Eine Studie untersuchte die Rolle von Sexualhormonen bei 242 postmenopausalen Frauen mit VM. Anhand eines Radioimmunoassays wurde der Serumspiegel von Sexualhormo­nen ­bestimmt. Die VM-Attacken wurden dokumentiert und deren Grad mittels der visuellen Analogskala gemessen. Es zeigte sich, dass die Serum-Prolaktinspiegel bei postmenopausalen Patientinnen mit VM im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen signifikant höher waren. Estradiolspiegel im Serum waren negativ mit der Dauer, Häufigkeit und Schwere des Auftretens der VM korreliert. Frauen, die einen höheren Serumestradiolspiegel aufwiesen, zeigten eine längere krankheitsfreie Überlebenszeit. Schlussfolgernd kann man sagen, dass Sexualhormone bei postmenopausalen Frauen mit VM korrelieren. Zudem korrelieren sie mit der Dauer, Häufigkeit und Schwere des Auftretens von VM.

Online-Veranstaltung „HNO-Update“, Vestibuläre Störungen, November 2021

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt