Der Kopfschmerz vom Spannungstyp ist die häufigste Kopfschmerzform. Über die genauen Mechanismen ist aber nur wenig bekannt. Im Vergleich zur Migräne wird die individuelle funktionelle Beeinträchtigung insbesondere bei der episodischen Form oft deutlich geringer ausgeprägt empfunden.
Fast jeder leidet in seinem Leben zumindest zeitweise unter Spannungskopfschmerzen, die 1-Jahres-Prävalenz beträgt in Europa etwa 63 % [1]. Der Spannungskopfschmerz ist durch einen holozephalen Kopfschmerz mit einem dumpfen Schmerzcharakter gekennzeichnet. Viele Patienten beschreiben den Schmerz als „ringförmig“ oder „schraubstockartig“. Die Intensität ist gering bis mittelgradig und die Dauer schwankt zwischen 30 Minuten und mehreren Tagen. In Abgrenzung zur Migräne treten beim episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp keine vegetativen Symptome wie Übelkeit und Erbrechen, sondern allenfalls eine leichte Lärm- oder Lichtempfindlichkeit auf. Bei der chronischen Verlaufsform kann allerdings auch eine leichte Übelkeit anstelle von Photophobie oder Phonophobie vorhanden sein [2]. Hilfreich zur Unterscheidung von Spannungskopfschmerz und Migräne ist die Frage, ob der Kopfschmerz durch Routineaktiväten, z. B. Treppensteigen, verstärkt wird. Während die Intensität der Migräne hierbei i. d. R. zunimmt, wirkt Bewegung bei Spannungskopfschmerz häufig schmerzlindernd. Tabelle 1 zeigt die Diagnosekriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft für den selten auftretenden episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp (< 1 x pro Monat bzw. 12x pro Jahr).
Anhand der Kopfschmerzfrequenz werden weiterhin ein häufig auftretender episodischer (1–14 Tage pro Monat bzw. 12–179 Tage im Jahr) und ein chronischer (≥ 15 Tage/Monat bzw. ≥ 180 Tage/Jahr) Kopfschmerz vom Spannungstyp unterschieden. Letzterer hat in Deutschland eine Prävalenz von ca. 0,5 % [3]. Insbesondere bei einem neu aufgetretenen Spannungskopfschmerz ist es wichtig, einen symptomatischen Kopfschmerz wie die idiopathische intrakranielle Hypertension, ein chronisches Subduralhämatom, eine Arteriitis temporalis bei älteren Patienten oder auch eine (chronische) Sinusitis mittels klinischer Untersuchung und ggf. weiterer Diagnostik (Bildgebung, Doppler, Lumbalpunktion usw.) auszuschließen. Zudem sollte auf einen möglicherweise zusätzlich bestehenden Kopfschmerz, zurückzuführen auf einen Medikamentenübergebrauch bei Einnahme von Nicht-Opioid-Analgetika an mindestens 15 Tagen im Monat bzw. Schmerzmittelmischpräparaten an ≥ 10 Tagen im Monat, geachtet werden [2].
Die Mechanismen, die dem Spannungskopfschmerz zugrunde liegen, sind noch nicht gut verstanden. Eine Hypothese favorisiert eine durch biomechanische Faktoren und Stress verursachte erhöhte Anspannung der Nackenmuskulatur sowie vermehrt aktivierte muskuläre Triggerpunkte, die sekundär zu einer Sensitisierung des kaudalen Trigeminuskerns und des Thalamus führen [4]. Beim episodischen Spannungskopfschmerz überwiegen wahrscheinlich die peripheren Mechanismen, wohingegen die zentrale Sensitisierung beim chronischen Spannungskopfschmerz eine größere Rolle zu spielen scheint [5].
Zur Akuttherapie stehen hauptsächlich frei verfügbare Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (500–1 000 mg), Paracetamol (500–1 000 mg), Ibuprofen (200–400 mg) und Naproxen (500–1 000 mg) zur Verfügung. Auch das verschreibungspflichtige Metamizol (500–1 000 mg) ist wirksam. Im Vergleich zu den Einzelsubstanzen ist möglicherweise die Kombination von 250 mg Acetylsalicylsäure, 250 mg Paracetamol und 65 mg Koffein etwas effektiver. Eine weitere Möglichkeit ist die lokale Anwendung von Pfefferminzöl auf den Schläfen und dem Nacken (Tab 2). Für Opioide besteht keine Evidenz. Sie sollten beim Spannungskopfschmerz nicht eingesetzt werden.
Medikamentöse Verfahren zur Prophylaxe des Spannungskopfschmerzes sollten hauptsächlich beim chronischen Spannungskopfschmerz eingesetzt werden, die nicht medikamentösen spielen hingegen auch bei häufiger auftretendem episodischem Spannungskopfschmerz eine wichtige Rolle. Wie bei der Migräne werden Entspannungsverfahren, etwa die progressive Muskelentspannung nach Jacobson, regelmäßiges (2–3 x/Woche) aerobes Ausdauertraining, Edukation und ggf. Verhaltenstherapie sowie Stressmanagement, empfohlen. Des Weiteren gibt es Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit von physikalischer Therapie mit Schwerpunkt auf die Schulter- und Nackenmuskulatur, manueller Therapie, Biofeedback und Akupunktur. Für die medikamentöse Prophylaxe kommen als Mittel der ersten Wahl trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin (25–150 mg täglich) oder Doxepin (50–150 mg täglich), Imipramin (30–150 mg täglich) oder auch Clomipramin (75–150 mg täglich) infrage. Um Nebenwirkungen zu vermeiden und die Adhärenz zu steigern, sollten diese Therapien langsam einschleichend begonnen werden. Als Mittel der zweiten Wahl mit geringerer Evidenz können Mirtazapin (15–30 mg) und Venlafaxin (150–225 mg) oder möglicherweise auch Topiramat eingesetzt werden. Idealerweise erhalten Patienten mit einem chronischen Spannungskopfschmerz multidisziplinäre Behandlungsprogramme, die medikamentöse und nicht medikamentöse Verfahren kombinieren, um so eine möglichst hohe Effektivität zu erreichen. Mehr praxisrelevantes Wissen finden Fachkreise auch online im Migräne- und Kopfschmerz-Guide unter www.mk-guide.org, einem Projekt der DMKG Initiative „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen“.
Der Autor
PD Dr. med. Lars Neeb
Oberarzt Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der
Charité – Universitätsmedizin Berlin
1 Stovner LJ et al., J Headache Pain 2010; 11: 289–299, Epub 2010/05/18
2 Headache Classification Committee of the International Headache Society (IHS) The International Classification of Headache Disorders, 3rd edition, Cephalalgia.2018; 38: 1–211, Epub 2018/01/26
3 Yoon MS et al.,J Headache Pain 2012; 13: 215–223, Epub 2012/03/08
4 Fernandez-de-Las-Penas C et al.,J Bodyw Mov Ther 2010; 14: 391–396, Epub 2010/09/21
5 Jensen R, Cephalalgia 1999; 19 Suppl 25: 9–10, Epub 2000/02/11
6 Haag G et al., J Headache Pain 2011; 12: 201–217, Epub 2010/12/25
7 Straube A et al., Therapie des episodischen und chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp und anderer chronischer täglicher Kopfschmerzen (Herausgegeben von der Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sowie der Deutschen Migräne und Kopfschmerz Gesellschaft März 2015; www.dgn. org; www.dmkg.org; www.awmf.de. Stand: 13.01.2021
8 Kropp P et al., Nervenheilkunde 2016; 35: 502–515
9 Gaul C et al., J Headache Pain 2011; 12: 475–483, Epub 2011/05/06
10 Wallasch TM et al., J Headache Pain 2012; 13: 521–529.,Epub 2012/07/14
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