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Allgemeinmedizin

Mannheim Oktober 2025

DGS Deutscher Schmerzkongress 2025

Ines Schulz-Hanke

24.11.2025

Neues und Integratives bei Migräne +++ Der Rücken lügt nicht +++ Wege zur Schmerzrückbildung +++ Schmerzerleben beeinflussen +++ Selbstmitgefühl bei Schmerzen

Neues und Integratives bei Migräne

Für Migräneerkrankte stehen neben den bewährten Triptanen zur Therapie akuter Migräneattacken nun die Wirkstoffe Lasmiditan und Rimegepant zur Verfügung. Sie sind gerade bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen geeignet, da sie nicht gefäßverengend wirken, wie PD Dr. med. Lars Neeb (Brandenburg an der Havel) ausführte. In der Prophylaxe erweitern Atogepant und Rimegepant als gut verträgliche orale CGRP-Rezeptorantagonisten das Spektrum.

Das Projekt MIGRA-MD zur strukturierten fachärztlichen Migräneversorgung soll die Migränetherapie verbessern, indem es Leitlinienwissen, digitale Unterstützung und multimodale Behandlung kombiniert: Ein digitaler Kopfschmerzkalender per DMKG-App sowie die Ergebnisse eines digitalen Kopfschmerzfragebogens erleichtern im Arztportal eine leitliniengerechte Anamnese und Verlaufskontrolle. Die Lernplattform MIGRA-MD vermittelt Patientenwissen zu medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien, um die Selbstwirksamkeit Betroffener zu stärken und die Nutzung nicht-medikamentöser Ansätze zu fördern, so PD Dr. med. Ruth Ruscheweyh (München). Dies wird in einer randomisierten, kontrollierten klinischen Studie ab März 2026 mit 1 000 Migräneerkrankten an 50 deutschlandweit teilnehmenden Zentren und Praxen erprobt.

Der Rücken lügt nicht

Das bei Rückenschmerzen übliche diagnostische Vorgehen aus statischer Bildgebung, einmaliger Bewegungs- und Schmerzanalyse, Beurteilung der mentalen Gesundheit erfasse das dynamische Verhalten der Wirbelsäule im Alltag nicht und führe oft zu Fehldiagnosen, kritisierte Prof. Dr. biol. hum. Hendrik Schmidt (Berlin).

Standardtests wie der Schober-Test oder die Finger-to-Floor-Messung erfassten nur etwa 50 % der tatsächlichen Beweglichkeit und bildgebende Verfahren lieferten in akuten Fällen nur in 10 –15 % der Fälle eine spezifische Ursache für Rückenschmerzen. Tatsächlich variiere die Intensität chronischer Rückenschmerzen (cLBP) stark, rund 34 % der Betroffenen berichten auch über thorakale Schmerzen, oft als Folge von Kompensationsmechanismen. Zudem verringerten cLBP die Haltungs- und Bewegungsvariabilität deutlich.

„Der Rücken lügt nicht“, betonte Schmidt. Notwendig sei ein biopsychosozialer Diagnoseansatz, der die Schmerzwahrnehmung in Echtzeit misst, mentale Gesundheit, Bewegungsmuster, Muskelaktivität und segmentale Belastungen beurteilt. Hieraus sollten sich personalisierte Therapien mit Bewegung, gezielter Muskelaktivierung, Psychotherapie und ggf. Medikation ableiten.

Wege zur Schmerzrückbildung

Rückbildung und Genesung von Schmerzen sind aktive Prozesse, für die Entzündungen abklingen und neuronale Schaltwege im Nervensystem wiederhergestellt werden müssen. Anderenfalls können chronische Schmerzen auftreten. Die klinische Forschungsgruppe KFO5001 ResolvePAIN untersucht, warum Schmerzen nach einer Nervenläsion, einer Operation oder einem Trauma in manchen Fällen remittiert und in anderen chronisch werden.

Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) nach Unfällen oder Operationen ist mit sehr starken Schmerzen, Schwellungen und Empfindungsstörungen verbunden. Bei einem Drittel der Fälle lässt der Schmerz im Verlauf nach, meist nach Eindämmung des Immunsystems und bei wenig Nervenschädigung. Außerdem verändere sich das Komplementsystem in der betroffenen Extremität. Tiermodelle könnten helfen, den genauen Mechanismus zu verstehen. Für die schmerzhafte Neuropathie nach Behandlung des multiplen Myeloms mit Bortezomib konnte die Gruppe im Drosophila-Modell Gene identifizieren, die das Risiko für neuropathische Schmerzen erhöhen. Sie stellte auch fest, dass die Schmerzrückbildung eng mit der Regeneration der gestörten Blut-Nerven-Schranke verknüpft ist. Zukünftige Therapien könnten auf diese beiden Parameter sowie auf die Balance pro- und antientzündlicher Prozesse abzielen.

Schmerzerleben beeinflussen

Zu den modernen Optionen, das Schmerzerleben zu beeinflussen und den Schmerz besser zu bewältigen, zählten Virtual- und Mixed-Reality-Anwendungen (VR / XR) sowie digitale Gesundheitsanwendungen, berichtete Prof. Dr. med. Heike Rittner (Würzburg). Die Identifikation molekularer Schmerzmechanismen sowie neue Bildgebungsverfahren für Nerven und Gewebe identifizierten Zielstrukturen für medikamentöse Therapien.

So sei das kürzlich von der FDA zugelassene nicht-opioide Suzetrigin das erste Medikament, das gezielt Ionenkanäle auf Schmerzfasern blockiert.

Zu den Innovationen gehörten darüber hinaus Komplement-Inhibitoren sowie Weiterentwicklungen klassischer Opioide. Big Data liefere Einblicke in die Wirkung genetischer Faktoren bei chronischen Schmerzen oder die Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper.

Selbstmitgefühl bei Schmerzen

Schmerzpatientinnen und -patienten profitierten von Selbstmitgefühl, erklärte Dipl.-Psych. Dr. phil. Thomas Dresler (Tübingen). Es sei ein bisschen wie „eine Umarmung“. Zum Selbstmitgefühl nach der Definition von Kristin Neff gehörten Selbstfreundlichkeit und damit der Verzicht auf Selbstverurteilung, menschliche Verbundenheit sowie Achtsamkeit.

Sich selbst anzusprechen mit „Heute sind deine Schmerzen wirklich schlimm. Kann ich was für dich tun?“ statt mit „Reiß dich doch mal zusammen!“ sei wichtig, um sich nicht selbst weiter nach unten zu ziehen. Menschen mit chronischen Schmerzen sollten sich bewusst machen, dass andere ähnliche Erfahrungen machen wie sie selbst. Dies könne entlasten und menschliche Zugehörigkeit herstellen, die gegen soziale Isolierung hilft.

Achtsamkeit bedeute, das Hier und Jetzt nicht wertend zu erfassen. Dies helfe den Patientinnen und Patienten oftmals, den Fokus vom Schmerz wegzurücken. Betroffene sähen sich dann nicht länger nur als die „Schmerzperson“, sondern der Schmerz werde zu einem von mehreren Aspekten im Gesamterleben, sagte Dresler.

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