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Sonderredaktion

Hormonelle Kontrazeption

Individuelle Beratung mit einem neuen Servicetool

Prof. Dr. med. Thomas Römer

25.8.2023

Die individuelle Kontrazeptionsberatung ist aufgrund der Vielzahl der Optionen auch für erfahrene Gynäkologen eine Herausforderung. Eine neu entwickelte Beratungshilfe mit Übersichtstabelle und Drehscheibe unterstützt bei der Wahl des passenden Kontrazeptivums. Ein strukturierter Anamnesebogen erfasst vorab die wichtigsten Faktoren.

Die hormonelle Kontrazeption ist immer noch die häufigste Verhütungsform in Deutschland, auch wenn die Verordnungszahlen im vergangenen Jahr noch einmal um bis zu 4 % zurückgegangen sind. Dieser Trend hält schon seit einigen Jahren an und hat vielfältige Ursachen. Die Patientinnen werden oft durch externe und auch fehlerhafte Informationen verunsichert. Insofern gewinnt die individuelle Beratung zur Kontrazeption in der gynäkologischen Praxis eine noch größere Bedeutung. Die Kontrazeption hat hauptsächlich das Ziel, eine ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden, wobei positive klinische Zusatzeffekte die Compliance erhöhen können.

Verfügbare Kontrazeptionsmethoden

Heute steht uns eine Vielzahl von Verhütungsmethoden zur Verfügung, die eine individuelle Beratung unserer Patientinnen erfordern. Neben den kombinierten hormonellen Kontrazeptiva, die sowohl oral, transdermal als auch vaginal verfügbar sind, gibt es Gestagen-Monopräparate, die oral, als Implantat, Injektion oder in Form einer Hormonspirale verfügbar sind. Um aus all diesen Möglichkeiten für die Patientin die richtige Methode auszuwählen, bedarf es einer gynäkologisch-endokrinologischen Expertise, sodass dies nur in der Frauenarztpraxis erfolgen sollte.

Bei verunsicherten Patientinnen hat die individuelle Beratung in der Frauenarztpraxis große Bedeutung.

Bei den kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) ist die Wahl zwischen den zahlreichen Pillen auch für den erfahrenen Gynäkologen oft schwierig, da es verschiedene Variationsmöglichkeiten gibt. Zunächst ist es die Wahl des Estrogens zwischen Ethinylestradiol, Estradiol und Estetrol und den verschiedenen Dosierungen, hauptsächlich zwischen 20 und 30 µg Ethinylestradiol. Eine weiter praktisch wichtige Frage ist die Selektion des Gestagens. Die pauschale Fokussierung auf das thromboembolische Risiko der Kombinationspillen ist in der Praxis oft allein nicht ausreichend. Natürlich spielen der Rote-Hand-Brief und auch die bekannten Daten zum thromboembolischen Risiko eine große Rolle. Allerdings gibt es durch die Partialwirkungen einzelner Gestagene ­vielfältige Zusatznutzen, die in der Praxis gewünscht sind. Insofern ist für die individuelle Auswahl zunächst eine sorgfältige Anamnese erforderlich.

Anamnese in der Praxis

Die Firma Hormosan hat für diesen wichtigen Schritt einen strukturierten Fragebogen entwickelt. Hier werden die anamnestischen Faktoren erfasst, die auch über die Checkliste des Rote-Hand-Briefes ­hin­ausgehen und hilfreich für die Wahl des Kontrazeptivums sind.

Dieser Fragebogen, der durch die Patientin ausgefüllt werden soll, entbindet natürlich nicht von der persönlichen Anamneseerhebung und dem gezielten Nachfragen bei vorbestehenden Erkrankungen. Er ersetzt auch nicht die Checkliste zur Fragestellung des VTE-Risikos. Er verkürzt und fokussiert aber die oft limitierte Beratungszeit in der Praxis. Wenn die Entscheidung zu einer hormonellen Kontrazeption fällt, stellt sich zudem oft die Frage, bei welchen Zusatzindikationen welche Kontrazeptionsmethode besonders gut geeignet ist.

Auswahl der Kontrazeptionsmethode

Gerade bei jungen Frauen mit Androgenisierungserscheinungen und Blutungsstörungen sind diese Punkte entscheidend bei der Auswahl der Präparate. Eine im neuen Servicetool enthaltene und speziell entwickelte Drehscheibe kann hier eine sehr gute und schnelle Orientierung geben, welches Präparat in welcher Situation zu bevorzugen ist. Weitere Risikofaktoren sind natürlich stets zu beachten. Insbesondere sind auch die relativen und absoluten Kontraindikationen für kombinierte hormonelle Kontrazeptiva genau zu erfassen.

Kontraindikationen im VTE-Bereich bestehen natürlich ebenfalls für die transdermale und vaginale Applikation. Dies sollte auch bei der Beratung berücksichtigt werden. Die Drehscheibe ersetzt bei speziellen Fragestellungen nicht die aktuelle DGGG-Leitlinie „Hormonelle Empfängnisverhütung“ bzw. die WHO-Empfehlung zur Kontrazeption von 2015, ist aber eine willkommene Hilfe in der Praxis.

Sollten kombinierte hormonelle Kontrazeptiva nicht infrage kommen, ist eine Therapie mit Gestagenen oder auch eine intrauterine Kontrazeption in den meisten Fällen möglich. Es bestehen nur selten ­Kontraindikationen für eine Gestagen-Monotherapie. Allerdings gibt es auch erhebliche Unterschiede ­zwischen den verschiedenen oralen Gestagen-

Monotherapien – auch hinsichtlich der Partial­wirkung des Gestagens und des Blutungsverhaltens. Implantate und Injektionen haben aufgrund ihrer Applikationsform Vorteile bezüglich der Compliance.

Bei welchen Zusatzindikationen ist welche Methode am besten geeignet?

Depot-MPA hat allerdings auch einige erhebliche Nachteile, etwa den längeren Zeitraum bis zur Rückkehr der Fertilität, das höhere Osteoporoserisiko, Gewichtszunahme und höheres Thromboserisiko als orale Gestagen-Monopräparate.

Intrauterine Kontrazeptionsmethoden können durchaus auch bei jungen Frauen angewendet werden, hier ist in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwechsel zu beobachten. Im Vorfeld ist zu klären, inwieweit tatsächlich eine Akzeptanz seitens der Patientin besteht. Vorteile liegen insbesondere bei den Hormonspiralen im Vergleich zum Kupfer-IUD in günstigeren Blutungsprofilen und positiven Effekten, auch auf eine Dysmenorrhoe. Bei Patientinnen, die andere Arznei­mittel einnehmen, ist bei einer intrauterinen Verhütung das Risiko von Interaktionen sehr gering.

In einer Übersichtstabelle des Servicematerials werden deshalb alle Methoden dargestellt und auf die verschiedenen Indikationsbereiche und Zusatzeffekte hingewiesen. Diese basieren auf einer Übersicht aus den DGGG-Leitlinien „Hormonelle Empfängnisverhütung“, den WHO-Empfehlungen und weiteren ­relevanten Übersichtsarbeiten zur Thematik. Einige typische Zusatzeffekte von kombinierter hormoneller Kontrazeption haben wir hier noch einmal für Sie zusammengefasst.

Kontrazeptionsmethode und Zusatzeffekte
Akne / Hirsutismus

Bei Androgenisierungserscheinungen sind KOK mit Ethinylestradiol auch mit einer höheren Dosierung von 30 µg und antiandrogenen Gestagenen von Vorteil, da sie einerseits über die Wirkung des Ethi-nylestradiols auf das SHBG, andererseits durch die antiandrogenen Effekte der Gestagene, wie CMA, Dienogest, Drospirenon, besonders effektiv sind. Dies muss natürlich immer gegen ein mögliches Thromboserisiko abgewogen werden. Eine Anwendung im Langzyklus ist hier von Vorteil.

Hypermenorrhoe / Dysmenorrhoe

Bei Patientinnen mit Blutungsstörungen sind alle KOK günstig, wobei solche mit besonders endometriumpotenten Gestagenen, wie Dienogest, besonders hilfreich sind. Auch die Pille mit Estradiolvalerat/Dienogest bietet hier noch eine deutlich höhere Effektivität. Zu bevorzugen ist auch in dieser Situation die Anwendung im Langzyklus, die Vorteile überwiegen deutlich. Alle kombinierten hormonellen Kontrazeptiva reduzieren die Dysmenorrhoe-bedingten Schmerzen um ca. 50 %. Oft wird dies diesen Patientinnen erst bewusst, wenn die Pille abgesetzt wird. Auch hier kann die Anwendung im Langzyklus sinnvoll sein.

PMS / PMDD

Bei Patientinnen mit prämenstruellem Syndrom (PMS) oder prämenstruellem dysphorischen ­Syndrom (PMDD) werden in den Leitlinien drosperinonhaltige Kontrazeptiva besonders empfohlen. Durch seine anti­mineralokortikoiden Eigenschaften ist der Wirkstoff hier vorteilhaft. Dies ist in Studien belegt und wird in den Leitlinien explizit herausgestellt. Insbesondere bei Patientinnen mit PMS, die unter Ödemneigung leiden, sind drospirenonhaltige Kontrazeptiva vorteilhaft.

Zusatzblutungen unter kombinierten oralen Kontrazeptiva

Bei Zusatzblutungen kann immer ein Versuch sinnvoll sein, auf einen Vaginalring zu wechseln. In Studien konnte gezeigt werden, dass der Vaginalring hier insbesondere initial eine geringe Rate an Zusatz­blutungen hat als KOK, beispielsweise mit EE / LNG oder EE / Drospirenon.

Risikosituation Hypertonus/Migräne

In zahlreichen Risikosituationen verbieten sich kombinierte hormonelle Kontrazeptiva, wie bei einem Hypertonus oder einer Migräne mit Aura. Hier kommt bevorzugt eine Gestagen-Monotherapie infrage. Auch bei den Gestagen-Monopräparaten sind die Vorteile abzuwägen, einerseits zwischen ­oralen POP und Langzeitkontrazeptiva wie Implantaten oder Injektionen. Bei Androgenisierungserscheinungen oder auch bei moderatem Hypertonus kann z. B. Drospirenon vorteilhaft sein.

Alter der Patientin

Das Alter der Patientin ist prinzipiell keine Kontraindikation für die Anwendung kombinierter hormoneller Kontrazeptiva. Allerdings sollte ab dem 40. Lebensjahr immer noch einmal die VTE-Checkliste genutzt werden, um zu prüfen, ob die Anwendung hormoneller Kontrazeptiva noch möglich ist. Da ­altersbedingt auch das Thromboserisiko ansteigt, wären hier KOK zu bevorzugen, die mit einem ­niedrigen VTE-Risiko im Rote-Hand-Brief vom BfArM eingestuft wurden.

Fazit:

Neben der sorgfältigen Anamnese sind bei der Auswahl der Kontrazeptionsmethode zahlreiche Faktoren zu beachten. Da in der Praxis oft die Zeit für eine entsprechende Beratung fehlt und die Beratung auch immer noch unzureichend vergütet wird, sollten unterstützende Hilfsmittel für die Praxis genutzt werden. Gerade eine Erstberatung zur Kontrazeption kann wegweisend für den zukünftigen verantwortungsbewussten Umgang der Patientin mit der Kontrazeption sein, und möglicherweise auch eine negative Grundeinstellung zur Anwendung von Hormonen revidieren. Insofern kommt dem Erstgespräch eine besondere Bedeutung zu. Denn mit einer individuellen Beratung können wir den Patientinnen einen Service bieten, den sie so nirgendwo erhalten. Und wir können über Jahrzehnte dankbare Patientinnen haben.

Servicematerialien ersetzen sicher nicht die individuelle Beratung, sind aber eine Hilfestellung für eine schnelle Orientierung in der Praxis für die ­Auswahl des optimalen Kontrazeptivums.

In Anbetracht steigender Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2022 ist eine individuelle Kontrazeptionsberatung besonders bei jüngeren Frauen heute so wichtig wie nie zuvor.

Der Autor

Prof. Dr. med. Thomas Römer
Chefarzt der Frauenklinik in Köln-Weyertal

Herausgeber des Journals DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE

thomas.roemer@evk-koeln.de

Impressum
Bericht: Prof. Dr. med. Thomas Römer I Redaktion und Konzept: Dr. rer. nat. Reinhard Merz
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der Hormosan Pharma GmbH (Frankfurt/Main)

Bildnachweis: privat

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