Schilddrüsenhormone regen die Energieproduktion auf zellulärer Ebene an und wirken auf das Zielorgan Herz wie ein Gaspedal: Bei einem Zuviel an Schilddrüsenhormonen läuft das Herz-Kreislauf-System übertourig, bei einem Zuwenig entsprechend untertourig.
Bei einer Hyperthyreose kommt es typischerweise zu verschiedenen tachykarden Rhythmusstörungen und zur Blutdrucksteigerung. Thyroxin verbessert gleichzeitig auch die Pumpkraft des Herzmuskels und hatte in tierexperimentellen Studien einen günstigen Einfluss auf den Verlauf einer Herzinsuffizienz. Therapeutisch ist das allerdings noch nicht nutzbar.
Umgekehrt treten bei einer Hypothyreose vor allem bradykarde Herzrhythmusstörungen und niedriger Blutdruck auf. Durch den geringeren Energieverbrauch hat eine Hypothyreose zudem einen gewissen protektiven Effekt bei Ischämien, in experimentellen Studien waren Größe und Schwere eines Herzinfarktes bei einer Hypothyreose deutlich geringer als bei einer Hyperthyreose.
In der Regel reagieren jüngere Patienten und Patientinnen sehr viel intensiver auf eine Fehlfunktion als ältere. So leiden beispielsweise Jüngere mit einer Hyperthyreose meist sehr viel stärker unter Herzrasen und Unruhezuständen als Ältere, die mitunter subjektiv gar keine Beschwerden haben. Auch das Ausmaß der laborchemisch feststellbaren Abweichungen muss nicht mit dem Ausmaß subjektiver Beschwerden oder klinisch feststellbarer Befunde korrelieren. Besonders anfällig für eine Schilddrüsenfehlfunktion sind Menschen mit einer vorbestehenden Herzerkrankung, z. B. einer koronaren Herzerkrankung oder nach einem vorausgegangenen Herzinfarkt.
Herzmedikamente beeinflussen die Schilddrüse
Umgekehrt können auch Herzmedikamente die Schilddrüse beeinflussen. Das gilt besonders für das Antiarrhythmikum Amiodaron, das einen sehr hohen Jodgehalt hat. Aufgrund der exzessiv hohen Jodzufuhr kann es durch eine immunogene Reaktion auch bei eigentlich Schilddrüsengesunden zu einer „Amiodaron-induzierten” Hyperthyreose kommen. Gefährlich ist Amiodaron auch dann, wenn bereits eine schlafende oder manifeste Hyperthyreose besteht und die zusätzliche Jodzufuhr zu einer rasanten und unter Umständen lebensbedrohlichen hyperthyreoten Krise führen kann. Andere Herzmedikamente wie Chinidin oder Digitoxin können die Wirkung von Schilddrüsenhormonen auf das Herz verstärken und so etwa Rhythmusstörungen provozieren. Wiederum andere Herzmedikamente wie Betablocker können die Wirkungen von Schilddrüsenhormonen reduzieren und so die kardialen Symptome einer Hyperthyreose verschleiern. Nicht kardioselektive Betablocker werden zudem therapeutisch bei einer symptomatischen Hyperthyreose genutzt, da sie nicht nur eine Sinustachykardie und den feinschlägigen Fingertremor verbessern, sondern auch die Konversion von T4 in das biologisch wirksamere T3 reduzieren.
Schilddrüsenfunktion abklären
Bei Patientinnen und Patienten mit kardialen Problemen sollte auch die Schilddrüsenfunktion abgeklärt werden. Der primäre Screening-Parameter ist der TSH-Wert. Je nach konkreter Laboranalyse können die Normwerte variieren und liegen in der Regel zwischen 0,4 und 4 mU/l. Erniedrigte Werte sind Zeichen einer zumindest latenten Hyperthyreose, erhöhte Werte einer zumindest latenten Hypothyreose. Die Bestimmung der freien Hormone fT4 und fT3 zeigt an, ob eine subklinische oder eine manifeste Funktionsstörung besteht. Bei der Interpretation des TSH-Wertes ist zu berücksichtigen, dass dieser eine zirkadiane Rhythmik hat (Maximum etwa 2–4 Uhr, Minimum etwa 18–20 Uhr) und physiologischerweise mit dem Alter ansteigt. Auch die spontane Normalisierung einmalig pathologischer TSH-Werte ist insbesondere bei älteren Personen nicht ungewöhnlich.
Schilddrüsenfehlfunktionen behandeln
Eine laborchemisch manifeste und eine klinisch symptomatische latente Hyper- und Hypothyreose sollten korrigiert werden. Voraussetzung ist die Abklärung der zugrunde liegenden Ursache. Häufigste Ursachen der Hyperthyreose sind die Autonomie und der Morbus Basedow, häufigste Ursache der Hypothyreose ist das Finalstadium der Hashimoto-Thyreoiditis.
Eine Hyperthyreose wird primär mit Thyreostatika (Carbimazol, Thiamazol, Propycil) behandelt und rekompensiert. Zur definitiven Therapie stehen eine Radiojodtherapie, eine Operation und bei solitären Adenomen evtl. auch eine Thermoablation zur Verfügung. Während die Behandlungsnotwendigkeit bei einer manifesten und symptomatischen Hyperthyreose in der Regel eindeutig ist, ist sie bei der latenten Hyperthyreose immer wieder Gegenstand von Diskussionen und orientiert sich auch am Lebensalter und möglichen Begleiterkrankungen. So empfiehlt die American Thyreoid Association bei Betroffenen > 65 Jahre und bei solchen mit kardialen Risikofaktoren und Herzerkrankungen die Behandlung der subklinischen Hyperthyreose ab einem dauerhaften TSH < 0,1 mU/l.
Therapie der Wahl der Hypothyreose ist die Rezeptur von synthetischem L-Thyroxin. Unlängst erregten Berichte über verstärkten Knochenschwund durch L-Thyroxin öffentliche Aufmerksamkeit. Diese mögliche Nebenwirkung ist schon länger bekannt, sollte aber daran erinnern, L-Thyroxin nicht zu großzügig und nur bei medizinisch gegebener Indikation zu rezeptieren und sowohl die Indikation als auch die Dosis regelmäßig zu überprüfen. Insbesondere bei älteren und asymptomatischen Erkrankten können spontane TSH-Werte über 6 und bis zu 10 mU/l erstmal nur beobachtet und kontrolliert werden.
Bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen sollte ein TSH-Screening erfolgen und bei Hinweisen auf eine Schilddrüsenfehlfunktion sollte diese weiter abgeklärt werden.
Manifeste Fehlfunktionen sollten konsequent korrigiert werden, bei latenten empfiehlt sich ein individualisiertes Vorgehen.
Der Autor
Prof. Dr. med. Hans Udo Zieren
Facharzt für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie
Ärztlicher Direktor Deutsches Schilddrüsenzentrum
50933 Köln
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