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Allgemeinmedizin

Angeborenes periodisches Fiebersyndrom

Familiäres Mittelmeerfieber rechtzeitig diagnostizieren und richtig therapieren

Dr. med. Christine Adderson-Kisser

23.9.2022

Das familiäre Mittelmeerfieber ist eine in Deutschland zwar selten anzutreffende Erkrankung, doch in Zeiten der Migration wird es auch bei uns zunehmend wichtiger, dieses Krankheitsbild zu erkennen und die Betroffenen rasch einer adäquaten Therapie zuzuführen – für mehr Lebensqualität und weniger Langzeitauswirkungen.

Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) stellt das häufigste Krankheitsbild in der Gruppe der angeborenen periodischen Fiebersyndrome (PFS) dar. Betroffen sind vor allem Menschen aus der östlichen Mittelmeerregion mit einer geschätzten Prävalenz von 1 : 120 bis 1 : 1 000. In Deutschland liegt die 2-Jahres-Prävalenz bei 0,012 %, die 2-Jahres-Inzidenz bei 0,004 %.

Die Betroffenen sind nicht selten jahrelang symptomatisch, bevor die Diagnose FMF endlich gestellt wird. Meist treten bei ihnen schon ab der Kindheit wiederholt selbstlimitierende Entzündungsschübe ohne erkennbare Ursache auf, begleitet von hohen Entzündungswerten. Charakteristische klinische Symptome sind

  • Fieberattacken (> 38 °C) für 2–3 Tage,
  • Bauch- und/oder Brustschmerzen (ausgelöst durch Peritonitis, Pleuritis oder Perikarditis),
  • Mono- oder Oligoarthritis (v. a. im Bereich von Sprunggelenk, Knie oder Hüfte) und
  • selten ein erysipelartiges Exanthem.

Zwischen den Schüben kann eine subklinische Inflammation vorliegen, die zu Folgeerscheinungen wie Anämie, Splenomegalie, verminderter Knochendichte und Wachstumsverzögerungen führen kann. Als schwerwiegendste Komplikation bei anhaltendem Entzündungsgeschehen gilt die Amyloidose, die in einer chronischen Niereninsuffizienz resultieren kann. Auch der Magen-Darm-Trakt kann von der Amyloidose betroffen sein.

Gendefekt mit unterschiedlicher Ausprägung

Das FMF wird autosomal rezessiv vererbt, zeigt dabei aber eine Gendosis-Wirkungs-Beziehung: die Menge des veränderten Genmaterials bestimmt die Ausprägung des Krankheitstyps. Ursächlich ist eine Mutation im MEFV-Gen (Mediterranean Fever Gene), das auf Chromosom 16 lokalisiert ist und für Pyrin kodiert, einem wichtigen Protein bei der natürlichen Entzündungskontrolle. Der Gendefekt bewirkt eine vermehrte Produktion des zentralen Entzündungs­mediators Interleukin(IL)-1β sowie eine Aktivierung inflammatorischer Prozesse. Aktuell sind 391 ­Sequenzvarianten des MEFV-Gens registriert.

Klinische Diagnosestellung

Hatte ein Patient mindestens drei Fieberschübe ohne erkennbaren Auslöser, die zudem von kurzer Dauer waren und mit starken Brust- und/oder Bauchschmerzen einhergingen, und stammt er aus dem östlichen Mittelmeerraum und berichtet eventuell von Verwandten mit ähnlichem Beschwerdebild, sollte an ein FMF gedacht werden. Weitere Hinweise geben die Laborbefunde: erhöhte Werte der Akute-Phase-­Proteine C-reaktives Protein (CRP) und Serum-Amyloid A (SAA) finden sich vor allem im akuten Schub, können aber auch bei subklinischer Inflammation zwischen den Schüben nachweisbar sein. Sie eignen sich auch für Verlaufskontrollen der Entzündungsaktivität. Lässt sich Eiweiß im Urin nachweisen, muss eine Amyloidose in Betracht gezogen werden.

Zur Diagnosestellung des FMF reichen gemäß der Eurofever/PRINTO-Klassifikationskriterien klinische Befunde aus (Abb.). Durch genetische Tests können Mutationen im MEFV-Gen bei etwa 60 % der klinisch Symptomatischen nachgewiesen werden – der ­fehlende Nachweis einer Mutation stellt jedoch kein Ausschlusskriterium für die Diagnosestellung dar. Bei Verdacht auf eine Amyloidose erfolgt die Bestätigung mittels Nierenbiopsie.

Therapieziel: Krankheitskontrolle

Vorrangiges therapeutisches Ziel ist es, eine schnelle und anhaltende Krankheitskontrolle zu erreichen, um die Betroffenen vor weiteren Schüben und bleibenden Schäden zu schützen. Dabei ist es auch wichtig, die subklinische Inflammation zwischen den Attacken auf ein Minimum zu reduzieren. Laut Empfehlungen der EULAR (European Alliance of Associations for Rheumatology) sollte frühzeitig Colchicin zur Anwendung kommen. Bei etwa 5–10 % der Behandelten treten allerdings unerwünschte Wirkungen unter der zur Symptomkontrolle notwendigen Dosis auf oder es liegt gar eine Resistenz gegen Colchicin vor. In ­diesen Fällen sollte laut Empfehlung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) und der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh) ein IL-1β-Inhibitor eingesetzt werden. In der internationalen randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Phase-III-Zulassungsstudie CLUSTER konnten Wirksamkeit und Verträglichkeit des ­humanen, monoklonalen Anti-IL-1β-Antikörpers ­Canakinumab bei 181 FMF-Patienten im akuten Schub belegt werden – auch in der Langzeitanwendung über 112 Wochen. Canakinumab bindet mit hoher Affinität spezifisch an humanes IL-1β und hemmt dessen Interaktion mit IL-1-Rezeptoren, ­wodurch die IL-1β-induzierte Gen­aktivierung und Bildung von Entzündungsmediatoren verhindert wird. Eine klinische Remission tritt bei 67,5 % der Patienten unter Canakinumab ein, die laufende Colchicin-Medikation soll nach Möglichkeit beibehalten werden.

Literatur bei der Redaktion

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