- Anzeige -
Allgemeinmedizin

Infektionskomplikationen

Sepsis - Todesfälle und Langzeitfolgen vermeidbar

Prof. Dr. med. Konrad Reinhart, Karen Tippkötter

26.3.2023

Sepsis trägt selbst in den Industriestaaten zu einem Drittel aller Todesfälle im Krankenhaus bei. Mehr als zwei Drittel der Überlebenden leiden unter schweren Langzeitfolgen. Nicht nur Bakterien, auch virale Infektionen der Atemwege und anderer Organsysteme können zu einer Sepsis führen, etwa bei COVID-19 oder Grippe.

Sepsis ist die schwerste Verlaufsform einer Infektion. Sie entsteht, wenn die körpereigene Immunabwehr außer Kontrolle gerät und beginnt, die eigenen Organe zu schädigen. Eine Sepsis kann jeden treffen: Ältere und kranke Menschen, Neugeborene und Kleinkinder unter fünf Jahren sind besonders gefährdet. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass die Mehrzahl der Todesfälle durch eine verbesserte Infektionsprävention vermeidbar ist, z. B. durch Impfungen gegen Pneumokokken, Meningokokken, COVID-19 oder Grippe, die Beachtung der Hygieneregeln, die Behandlung als zeit­kritischen Notfall sowie die Kenntnis der Sepsis-Frühsymptome bei Laien und beim medizinischen Personal.

Ursachen einer Sepsis

In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 340 000 Erwachsene an Sepsis, davon versterben etwa 100 000, während 75 % der Überlebenden laut der vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen ­Bundesausschusses (G-BA) geförderten Studien ­SEPFROK und OPTIMISE unter erheblichen physischen und psychischen Langzeitfolgen leiden. Schwere Krankheitsverläufe und 90 % der Todesfälle können auf eine virale Sepsis zurückgeführt werden. Über 75 % der Patienten, die wegen ­COVID-19 auf der Intensivstation behandelt werden, leiden unter der Schädigung oder dem Versagen eines oder mehrerer Organe, einem typischen ­Zeichen für eine Sepsis. Nur 10 % der Befragten einer bei der Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“ durchgeführten Allensbach-Umfrage ist überhaupt bewusst, dass Sepsis auch durch eine COVID-19-­Infektion entstehen kann. Die Ergebnisse der Umfrage decken zudem auf, wie gering das Wissen über Risikofaktoren, Symptome und Folgen einer Sepsis ist. Ein Großteil der Bevölkerung glaubt z. B., dass eine infizierte Wunde die Ursache für eine Sepsis ist, Wundinfektionen sind jedoch nur in rund 9 % der Fälle der Auslöser. Mit einem Anteil von 40 % entwickeln sich die meisten Sepsen aus einer Lungenentzündung. Weitere Ursachen sind Erkrankungen im Bauchraum wie Entzündungen des Blinddarms, der Nieren oder der Harnwege.

Gegen die häufigsten Sepsis-Auslöser existieren Impfungen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) weist darauf hin, dass Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken sowie gegen Meningokokken und Haemophilus influenzae B dazu beitragen können, Sepsis-Neuerkrankungen zu verhindern.

Maßnahmen zur Früherkennung einer Sepsis

Deutschland ist ein starker Forschungsstandort auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten und beweist seine Innovationskraft auch bei der Sepsis-Diagnostik und -Therapie. Fast kein Land der Welt gibt mehr Geld für sein Gesundheitswesen aus. Zwar ist Deutschland im europäischen Vergleich bei den Ressourcen Spitzenreiter, bei der Leistung jedoch nur Mittelklasse. Das spiegelt auch die Sepsis-Sterblichkeit wider, die teilweise doppelt so hoch ist wie in Australien, den USA, England, Irland oder Schweden. Um diese Situation zu verbessern, bedarf es einer verbindlichen Einführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen zur besseren Früherkennung von Sepsis und anderen lebensbedrohlichen Notfällen in Krankenhäusern.

Zu diesen Maßnahmen, die in den zuvor genannten Ländern zu einer signifikanten Reduzierung von ­Sepsis-Fällen geführt haben, zählen z. B. eine Steigerung bei der Nutzung und Effektivität von Fehlermeldesystemen für kritische Zwischenfälle (CIRS), regelmäßige Schulungen des behandelnden Personals in der Früherkennung unmittelbar lebens­bedrohlicher Erkrankungen, fachübergreifende innerklinische Notfallteams und eine Stärkung der Notfall-, Infektions- und Rettungsmedizin sowie des öffentlichen Gesundheitsdienstes.  

Trotz diverser Defizite hat sich in den vergangenen Jahren auf nationaler und internationaler Ebene viel bewegt. Die Dimension der Sepsis ist stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, und zentrale Entscheidungsträger in der Politik und im Gesundheitswesen engagieren sich zunehmend. Neben der Verabschiedung der World Sepsis ­Declaration und der Initiierung des ersten Welt-Sepsis-Tags am 13. September (2012) wurde 2017 die WHO Sepsis Resolution zur Verbesserung der Vorbeugung, Erkennung, Diagnose und Behandlung von Sepsis verabschiedet. 2022 wurde erstmals im Kommuniqué der G7-Gesundheitsminister die Bedeutung von Sepsis hervorgehoben mit der Zusage, die Implementierung der Forderungen aus der ­Reso­lution der WHO weltweit und auf der nationalen Ebene ­voranzutreiben.

Fazit

Sepsis gehört zu den führenden vermeidbaren Todesfällen. Die Akut- und Folgebehandlung von Sepsis bedeutet eine extreme finanzielle Belastung für das deutsche Gesundheits­system. Gravierende Langzeitfolgen werden allzu oft als psychosomatisch eingestuft. Durch höhere Impfraten, Aufklärung und eine bessere Früherkennung sowie Behandlung von Sepsis als Notfall wie Herzinfarkt oder Schlaganfall ist es möglich, die Zahl der Sepsis-Fälle erheblich zu reduzieren.

Korrespondierender Autor

Prof. Dr. med. Konrad Reinhart
Vorstandsvorsitzender der Sepsis-Stiftung
Charité Universitätsmedizin

konrad.reinhart@charite.de

Literatur beim Autor

Bildnachweis: Anastassiia (gettyimages); privat

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt