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Seltene Erkrankungen

Polycythaemia vera

Von der Symptomkontrolle zur klonalen Suppression

Dr. med. Verena Petzer, PhD

22.3.2024

Betroffen von Polycythaemia vera sind insbesondere Menschen um die 60 Jahre. Ursachen und Auslöser der Erkrankung bleiben unklar. Unbehandelt beträgt die mediane Überlebenszeit nur wenige Jahre. Neben Aderlässen und der Thrombozytenaggregationshemmung rückt die klonale Suppression zunehmend in den Fokus.

Die Polycythaemia vera (PV) ist eine klonale ­Erkrankung, welche von der Stammzelle ausgeht und zum größeren Formenkreis der myeloproliferativen Erkrankungen gehört. Pathognomonisch ist die Erythrozytose, welche häufig mit einer Thrombo­­zytose und/oder Leukozytose vergesellschaftet ist. ­Pathogenetisch liegt bei 98 % eine somatische ­Mutation im JAK2-Gen vor [1].

Diagnosestellung

Die Diagnose wird anhand der WHO/ICC-Klassifikationskriterien gestellt (Tab.) [2,3]. Dafür müssen entweder alle 3 Hauptkriterien oder die ersten beiden Haupt- und ein Nebenkriterium erfüllt sein. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit, bei Verdacht auf eine PV, eine Knochenmarkpunktion inklusive einer histologischen Untersuchung durchzuführen sowie die molekulare Mutationsanalyse des JAK2-Gens einzuleiten. Als weitere Basisdiagnostik sollten ein Blutbild inklusive Differenzialblutbild und eine Messung des Erythropoetinspiegels erfolgen.

WHO/ICC-Klassifikationskriterien

Leitsymptom der PV ist die Erythrozytose, die sich nicht durch eine reaktive Ursache (z. B. kardiopulmonale Genese) erklären lässt. Häufiges Erstsymptom (in ca. 30 % der Fälle) ist das Auftreten von Thrombosen, zu 2/3 an arteriellen, zu 1/3 an venösen Lokalisationen [1,4]. Bei unprovozierten Thrombosen an atypischen Lokalisationen (z. B. Pfortader-/Milzvenenthrombose) sollte eine weitere Abklärung, die auch ein molekulares Screening auf JAK2-, CALR- und MPL-Mutationen umfasst, eingeleitet werden.

Behandlungsmanagement – Hämatokrit vs. Symptomkontrolle

Unbehandelt stellen thromboembolische Komplikationen die Haupttodesursache dar, das mediane Überleben liegt bei lediglich 1,5 Jahren [5]. Mit den heutzutage verfügbaren Therapien können diese Komplikationen besser beherrscht werden, und das mediane Überleben steigt auf nahezu 19 Jahre [6].

Die Einflussfaktoren auf die Thrombusentstehung sind komplex und multifaktoriell. So stellt neben der Panmyelose auch die begleitende endotheliale Dysfunktion einen Risikofaktor dar. Ein Therapiefokus muss daher, neben den hämatologischen Aspekten, auf die Beherrschung der kardiovaskulären Risikofaktoren gelegt werden.

Basistherapie für alle PV-Patientinnen und -Patienten sind der Aderlass (Ziel Hkt: < 45 %) und eine thrombozytenaggregationshemmende Therapie mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure. Ein Alter ≥ 60 Jahre und/oder eine stattgehabte Thrombose stellen die Hauptkriterien zur Einleitung einer erweiternden zytoreduktiven Therapie dar.

Zur Zytoreduktion stehen in der Erstlinie PEG-IFN-α (IFN) oder Hydroxyurea (HU) zur Verfügung [7]. Mit HU kann bei ca. der Hälfte der Behandelten eine Hkt-Kontrolle und damit einhergehend eine Kon­trolle der thromboembolischen Ereignisse erreicht werden, IFN sorgt hingegen zusätzlich zu einer signifikanten Verbesserung der Symptomlast durch ­Fatigue oder Pruritus [8]. Im Fall einer HU-Therapie sollte eine regelmäßige Evaluation hinsichtlich einer Resistenz bzw. Intoleranz erfolgen, um ggf. einen Therapie-Switch rechtzeitig einzuleiten [7].

In den randomisierten Phase-III-Nichtunterlegenheitsstudien PROUD-PV und CONTINUATION-PV zeigte sich eine IFN- versus beste verfügbare Therapie (BAT) signifikant besser hinsichtlich des kompletten hämatologischen Ansprechens nach 48 Monaten (61 % vs. 43 %) [9]. Auch das ereignisfreie Überleben mit einem Beobachtungszeitraum von ≥ 6 Jahren ­bestätigte den Einsatz von IFN [10]. Zu beachten sind die Nebenwirkungen durch eine IFN-Therapie wie Fatigue, grippales Krankheitsgefühl, gastrointestinale Nebenwirkungen, Kopfschmerzen oder musku­loskelettale Nebenwirkungen.

Zunehmende Bedeutung der JAK2-Allel-Last

Seit 2015 steht mit Ruxolitinib (RUX), einem JAK1/2-Inhibitor eine zielgerichtete Therapie in der Zweitlinie bei HU-Versagen zur Verfügung [11,12]. Langzeitdaten bestätigen, dass die Therapie mit RUX zu einer guten klinischen und hämatologischen Krankheitskontrolle führt. In der randomisierten Phase-II-Studie MAJIC-PV  konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass die Therapie mit RUX zu einem signifikanten Rückgang der JAK2 V617F VAF führt, einhergehend mit einem besseren klinischen Outcome [11].

Obwohl die JAK2-Allel-Last noch kein allgemein anerkannter Parameter zur Therapiestratifizierung/Prognoseabschätzung ist, wird der klonalen Suppression unter Therapie immer mehr Beachtung geschenkt [13]. Während es bei einer Therapie mit HU zunächst auch zu einer klonalen Suppression kommen kann, ist diese im Vergleich zu IFN zeitlich limitiert. Laufende Studien zu Kombinationstherapien (RUX + IFN) sind vielversprechend hinsichtlich einer guten Krankheitskontrolle assoziiert mit einer schnellen und lang anhaltenden klonalen Suppression [14].

Fazit

Die PV stellt heutzutage aufgrund der verfügbaren Therapien eine chronische Erkrankung dar. Ein besseres Verständnis der Erkrankung erlaubt ein zunehmend besseres Management der PV-Erkrankten mit damit einhergehenden neuen Therapieoptionen.

Die Autorin

Dr. med. Verena Petzer, PhD
Innere Medizin V
Hämatologie und Onkologie
Comprehensive Cancer Center
Medizinische Universität Innsbruck

verena.petzer@i-med.ac.at

  1. Tefferi A et al., Am J Hematol 2023; 98: 1465–87
  2. Arber DA et al., Blood 2022; 140: 1200–28
  3. Alaggio R et al., Leuk 2022; 36: 1720–48
  4. Hultcrantz M et al., Ann Intern Med 2018; 168: 317
  5. Chievitz E et al., Acta Med Scand 1962; 172: 513–23
  6. Tefferi A et al., Leuk 2013; 27: 1874–81
  7. Marchetti M et al., Lancet Haematol 2022; 9: e301–11
  8. Geyer H et al., J Clin Oncol 2016; 34: 151–9
  9. Gisslinger H et al., Lancet Haematol 2020; 7: e196–208
  10. Gisslinger H et al., Leuk 2023; 37: 2129–32
  11. Harrison CN et al., J Clin Oncol 2023; 41: 3534–44
  12. Kiladjian JJ et al., Lancet Haematol 2020; 7: e226–37
  13. Moliterno AR et al., Blood 2023; 141: 1934–42
  14. Sørensen ALL et al., Blood 2022; 140: 6806–7
Weitere Artikel aus dieser Serie finden Sie hier

Bildnachweis: privat

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