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Recht

Rechtliche Tipps

Impfunfähigkeitsattest +++ Überstundenabgeltung und Steuer +++ BAG und Gewerbesteuer

Andrea Schannath

29.7.2022

Aus der Praxis, für die Praxis – Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbundes, beantwortet ausgewählte Fragen.

Kann bei gefälschtem Attest zur Impfunfähigkeit gekündigt werden?

Herr Dr. P. aus Bremen hat folgende Frage:

„Ich habe meine Mitarbeiter zum 15.03.2022 aufgefordert, zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, den Impf- bzw. Genesenenstatus nachzuweisen oder ein ärztliches Impfunfähigkeitszeugnis vorzulegen. Eine über 20 Jahre in der Praxis tätige Mitarbeiterin hat mir eine Bescheinigung vorgelegt, die eine sechsmonatige vorläufige Impfunfähigkeit ausweist und die Unterschrift einer Ärztin aus Süddeutschland enthält. Die Bescheinigung wurde aus dem Internet ausgedruckt. Ich habe daraufhin das Gesundheitsamt informiert, weil ich glaube, das Attest ist falsch und der Mitarbeiterin fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Sind die Kündigungen wirksam?“

Frau Schannath: „Die hilfsweise ordentliche Kündigung unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist ist aufgrund des Fehlverhaltens der Mitarbeiterin sozial gerechtfertigt und damit wirksam. Dagegen ist die fristlose Kündigung angesichts der sehr langen Betriebszugehörigkeit unverhältnismäßig. So hat auch das Arbeitsgericht Lübeck am 13.04.2022 (Az.: 5 Ca 189/22) in einem ähnlichen Fall entschieden. Die Vorlage einer vorgefertigten ärztlichen Impfunfähigkeitsbescheinigung, ohne dass vorher eine Untersuchung erfolgt ist, stellt allerdings eine sehr schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar, die das Vertrauen in eine ungestörte weitere Zusammenarbeit auch ohne vorherige Abmahnung zerstört. Es musste der Mitarbeiterin klar sein, dass die vorgelegte ­Bescheinigung zwar bei der Arbeitgeberin den Anschein eines ärztlichen Zeugnisses erwecken würde, aber in Wahrheit nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhte.“

Bekommt man Steuerermäßigung für Überstundenabgeltung?

Frau Dr. L. aus Ulm hat dieses Problem:

„Ich werde meine Praxis zum Ende des Jahres verkaufen und der Käufer möchte, dass die Mitarbeiter keine Ansprüche auf Urlaub und Überstunden ins neue Jahr mitnehmen. Daher muss ich bei einer Mitarbeiterin, die über drei Jahre in erheblichem Umfang Überstunden geleistet hat, diese Überstunden auszahlen. Muss die Mitarbeiterin diese hohe Summe normal versteuern oder hat sie einen Anspruch auf Steuerermäßigung?“  

Frau Schannath: „Nein, die Überstunden müssen nicht normal versteuert werden. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 02.12.2021 (Az.: VI R 23/19) entschieden. Wer Überstunden nachträglich und zusammengefasst vergütet bekommt, genießt steuerliche Ermäßigungen – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. So muss sich die Nachzahlung auf eine Tätigkeit beziehen, die sich über mindestens zwei steuerliche Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.

Der BFH stellte klar, dass in diesem Fall für die Nachzahlung der ermäßigte Steuertarif gilt. Diesen sieht der Gesetzgeber vor, um den Progressionseffekt der Einkommenssteuer mit steigendem Einkommen bei einem „zusammengeballten Zufluss von Lohnnachzahlungen“ abzumildern. Die Tarifermäßigung sei nicht nur bei nachgezahlten Festlohnbestandteilen, sondern auch bei variablen Lohnbestandteilen anzuwenden.“

Droht bei Arbeitsteilung in BAG Gewerbesteuer?

Frau Dr. W. aus München wendet sich mit folgender Frage an uns:

„Wir betreiben in der Münchner Innenstadt eine Privatpraxis als Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Ein Kollege behandelt nahezu keine Patienten, sondern kümmert sich nur um die organisatorischen Aufgaben in der Praxis. Nach einer Betriebsprüfung vertritt das Finanzamt die Auffassung, dass die Einkünfte der BAG nicht mehr als freiberuflich, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren seien, weil in einer BAG jeder Gesellschafter Patienten behandeln müsse. Ist das richtig?“  

Frau Schannath: „Eine BAG von Ärzten kann insgesamt als Gewerbebetrieb eingestuft und ­damit gewerbesteuerpflichtig werden, wenn einer der ­Ärzte für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem ­Umfang eigene ärztliche Beratungs- und Be­hand­lungsleistungen am Patienten erbringt. Das hat am 12.04.2022 (Az.: 4 K 1270/19) das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden. Bei einer BAG müsse jeder der Gesellschafter in eigener Person die Hauptmerkmale des freien Berufes erfüllen, d. h. nicht nur über die persönliche Berufsquali­fikation verfügen, sondern die freiberufliche Tätigkeit tatsächlich auch entfalten. Grundsätzlich sei zwar eine gewisse Arbeitsteilung bzw. „Teamarbeit“ unschädlich. Übernehme ein Arzt aber nahezu nur kaufmännische Leitungsaufgaben, sei er nicht ­freiberuflich, sondern gewerblich tätig. Dies führe dazu, dass die gesamte Tätigkeit der BAG als ­gewerblich anzusehen sei.

Die Tätigkeit des gewerblich tätigen Arztes „infiziere“ die Tätigkeit der freiberuflichen Ärzte.“

Die Expertin

Andrea Schannath
Rechtsanwältin und Justiziarin des VirchowBunds
Chausseestr. 119 b
10367 Berlin
Tel.: +49 (0)30 - 288 774 125

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