Mein Patient ist privatversichert, d. h., alle Kosten werden übernommen. Oder nicht? Ganz so einfach ist es doch nicht. Basis-, Standard-, Notlagen- oder Normaltarif? Und was gilt eigentlich bei Beamten? Wie so häufig im Leben ist die Kostenübernahme davon abhängig, was der Patient mit seiner Versicherung vereinbart hat.
In der Regel dürften Ihre Patienten „normale“ Privatversicherte oder Beamte sein. Sie haben also bei einem der 42 Unternehmen der privaten Krankenversicherung einen individuellen, auf ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnittenen Versicherungsschutz abgeschlossen. Für die Kostenerstattung sind somit der vom Patienten gewählte Tarif sowie etwaige zusätzliche Vereinbarungen entscheidend. Insbesondere neuere Tarife sehen teilweise Beschränkungen vor. So können bestimmte Leistungen in der Anzahl limitiert (z. B. psychotherapeutische Behandlungen) oder ganz ausgeschlossen sein. Nicht unüblich sind auch Beschränkungen auf die Höchstsätze der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), d. h. den 3,5-fachen Gebührensatz der GOÄ (bzw. 2,5-fachen Gebührensatz der GOÄ bei technischen sowie 1,3-fachen Gebührensatz der GOÄ bei Laborleistungen).
Anders als in der GKV ist übrigens eine spätere Kürzung des Versicherungsschutzes ausgeschlossen: Weder die Krankenversicherung noch der Gesetzgeber dürfen den Vertrag nachträglich zu Lasten der Versicherten ändern. Im Zweifel sollten Sie Privatversicherten – insbesondere bei Behandlungen bei denen die Kostenübernahme fraglich ist oder die besonders kostenintensiv sind – empfehlen, sich mit einem Kostenvoranschlag an ihre private Krankenversicherung zu wenden.
Was muss ich bei Beamten zusätzlich berücksichtigen?
Bei Beamten beteiligt sich der Dienstherr zu einem prozentualen Anteil an den Kosten der medizinischen Versorgung. Daher benötigen sie nur eine private Krankenversicherung für die Versorgungslücke (üblicherweise 30–50 %). Die Krankenversicherung erstattet dann die Kosten in Höhe der vereinbarten Quote.
Beamte müssen ihre Rechnung sowohl bei der Beihilfe als auch bei ihrer Krankenversicherung einreichen. Die Erstattung der Krankenversicherung ist wie bei „normalen“ Privatversicherten tarifabhängig. Für den Anteil der Beihilfe gelten die Regelungen des jeweiligen Dienstherrn. Es kann also sein, dass die Beihilfe die Kosten übernimmt und die Krankenversicherung nicht oder umgekehrt. Die Gebührensätze werden von der Beihilfe regelmäßig bis zu den Regelhöchstsätzen anerkannt. Mit individueller Begründung werden auch Leistungen bis zum Höchstsatz übernommen.
Auch hier gilt: Im Zweifel sollten Sie Beihilfeberechtigten empfehlen, sich mit einem Kostenvoranschlag an ihre private Krankenversicherung sowie Beihilfestelle zu wenden.
Welche besonderen Tarife gibt es in der PKV?
Ihr Patient kann auch im Basis-, Standard- oder Notlagentarif versichert sein. Diese brancheneinheitlichen Tarife bzw. Sozialtarife muss jede private Krankenversicherung anbieten. Sie sind bei allen Versicherungsunternehmen im Leistungsumfang und in der Kalkulation einheitlich. Die Beiträge unterscheiden sich nur leicht durch die unternehmensindividuellen Verwaltungskosten. Die sonst üblichen Spielräume bei der Tarifgestaltung sind hier eingeschränkt. Sie richten sich an Privatversicherte, die aus finanziellen Gründen einen besonders preiswerten Tarif wünschen.
Standardtarif
Der Standardtarif ist der erste brancheneinheitliche Tarif. Er wurde bereits 1994 eingeführt und kann nur von Versicherten abgeschlossen werden, die bereits vor 2009 in der privaten Krankenversicherung versichert waren und weitere Voraussetzungen erfüllen. Der Leistungskatalog des Standardtarifs ist vergleichbar mit dem Leistungskatalog der GKV, aber nicht identisch.
Die Beiträge im Standardtarif sind grundsätzlich auf den GKV-Höchstbeitrag von 706,28 Euro im Monat begrenzt (2022). Langjährig Privatversicherten kommt zugute, dass sie bereits Altersrückstellungen gebildet haben. Diese werden im Standardtarif berücksichtigt, sodass die Beiträge deutlich geringer ausfallen. Ein besonderer Vorteil der ca. 47 500 Versicherten im Standardtarif (Stand: 2021) ist, dass sie sich – anders als Versicherte im Basis- und Notlagentarif – von allen niedergelassenen Ärzten behandeln lassen können, d. h. sowohl von Privat- als auch Vertragsärzten.
Basistarif
Der Basistarif wurde 2009 eingeführt. Der Umfang der Leistungen entspricht dem GKV-Niveau, etwa beim Zahnersatz und beim Krankentagegeld. Die genaue Ausgestaltung des Versicherungsschutzes legt der PKV-Verband fest. Änderungen bei GKV-Leistungen werden in der Regel auch in den Basistarif übernommen. Anders als im Standardtarif und sonst in der PKV üblich, müssen die Leistungen des Basistarifs wie in der GKV ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Die Kostenerstattung kann also abgelehnt werden, wenn es günstigere Behandlungsmethoden als die gewählte gibt. Der Beitrag im Basistarif ist begrenzt auf den GKV-Höchstbeitrag plus durchschnittlichem Zusatzbeitrag. Für 2022 ergibt sich somit ein Höchstbeitrag von 769,16 Euro.
Wer seine Krankenversicherung nach dem 31.12.2008 abgeschlossen hat, kann jederzeit in den Basistarif eines beliebigen PKV-Unternehmens wechseln. Wenn die PKV-Versicherung schon länger besteht, ist ein Wechsel in den Basistarif der aktuellen Krankenversicherung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Anders als in den übrigen PKV-Tarifen wird der Gesundheitszustand nicht berücksichtigt. Versicherte mit Vorerkrankungen müssen keine Risikozuschläge zahlen. Stattdessen werden die Mehrkosten, die durch Vorerkrankungen entstehen, gleichmäßig auf alle ca. 33 000 im Basistarif Versicherten verteilt (Stand: 2020). Wichtig: Die PKV übernimmt die Kosten bei Versicherten im Basistarif nur, wenn sie von Vertragsärzten behandelt werden.
Notlagentarif
Beim Notlagentarif handelt es sich um eine Lösung für vorübergehende Zahlungsunfähigkeit. Versicherte können sich nicht bewusst und dauerhaft für diesen Tarif entscheiden. Stattdessen werden sie von ihrer Krankenversicherung in den Notlagentarif umgestuft, wenn sie über mehrere Monate mit ihren Beiträgen im Rückstand sind. Aufgrund des sehr geringen Beitrags von ungefähr 100 Euro im Monat ermöglicht er es den Betroffenen, ihre Beitragsschulden schneller zurückzuzahlen bzw. weniger neue Schulden anzusammeln. Es erfolgt nur eine Erstattung für die Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Bei Kindern und Jugendlichen werden auch medizinisch notwendige Heilbehandlungen, Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen übernommen. Auch hier übernimmt die PKV die Kosten bei Versicherten im Notlagentarif nur, wenn sie von Vertragsärzten behandelt werden.
Was muss ich bei Privatversicherten in den brancheneinheitlichen Tarifen beachten?
Zunächst einmal gilt: Auch Patienten in diesen drei Tarifen sind Privatversicherte. Sie stellen Ihre Rechnung also wie üblich nach der GOÄ gegenüber dem Patienten. Dieser reicht seine Rechnung wiederum bei seiner Versicherung ein. Im Übrigen ist es wichtig, dass Sie Patienten, die in den brancheneinheitlichen Tarifen versichert sind, nur Leistungen zu einem festgelegten Gebührensatz nach der GOÄ in Rechnung stellen dürfen. Die Gebührensätze, die Sie berechnen können, finden Sie in der Tabelle. Mit dieser Begrenzung soll erreicht werden, dass ärztliche Leistungen vollständig von der Krankenversicherung erstattet werden und damit Selbstbehalte in der Regel entfallen.
Darüber hinaus bleibt Ihnen die Möglichkeit, mit Patienten, die in brancheneinheitlichen Tarifen versichert sind, individuell eine abweichende Gebührenhöhe zu vereinbaren. Dies muss – wie bei jeder abweichenden Vereinbarung – schriftlich und bevor Sie die Leistung erbringen erfolgen. Zuvor müssen Sie den Patienten zudem über seine beschränkten Erstattungsansprüche sowie die sich ergebenden zusätzlichen finanziellen Belastungen aufklären. Diese Aufklärung sollten Sie ebenfalls schriftlich dokumentieren. Reicht der Patient sodann die Rechnung mit den höheren Gebührensätzen ein, erstattet die Versicherung allerdings nur die für den brancheneinheitlichen Tarif geltenden Sätze. Die Differenz aus dem Rechnungsbetrag und der Erstattungssumme muss der Patient selbst tragen.
Woher weiß ich, dass mein Patient in einem brancheneinheitlichen Tarif versichert ist?
Die in brancheneinheitlichen Tarifen versicherten Patienten sind verpflichtet, vor Behandlungsbeginn darauf hinzuweisen, dass sie in einem brancheneinheitlichen Tarif versichert sind. Dies kann durch die Vorlage eines Versicherungsausweises erfolgen, den einige private Krankenversicherungen ausstellen.
Hat der Patient Ihnen auf diese Weise oder mündlich mitgeteilt, dass er im Basis-, Standard- oder Notlagentarif versichert ist und haben Sie die Behandlung nicht ausdrücklich unter Verweis auf seinen Tarif abgelehnt, sind Sie zur Behandlung und Abrechnung nach dem jeweiligen brancheneinheitlichen Tarif verpflichtet, also auch zur Abrechnung mit den oben genannten niedrigen Gebührensätzen.
Hat der Patient sich vor der Behandlung nicht als Versicherter im Basis-, Standard- oder Notlagentarif zu erkennen gegeben, sind Sie als Arzt berechtigt, eine übliche GOÄ-Rechnung zu erstellen. Sie sind nicht zur nachträglichen Rechnungskorrektur verpflichtet. Allerdings stellt sich die Frage, ob Ihr Patient in der Lage ist, für die Rechnung selbst aufzukommen. Die häufig gestellte Frage: „Bin ich verpflichtet, Versicherte in den brancheneinheitlichen Tarifen zu behandeln?“ kann – mit einer Ausnahme – mit „Nein!“ beantwortet werden. Eine Behandlungspflicht besteht sowohl für Privatärzte als auch Vertragsärzte nur in Notfällen (BVerfG, 05.05.2018, Az.: 1 BvR 807/08).
Spätere Erstattungsprobleme inklusive langem Schriftwechsel können Sie im Vorfeld vermeiden. Bei Versicherten in Normaltarifen sowie Beihilfeberechtigten gilt: Empfehlen Sie Ihrem Patienten, im Zweifel einen Kostenvoranschlag bei seiner privaten Krankenversicherung und ggf. Beihilfe einzureichen. Im Übrigen sollten Ihre Mitarbeiter den Patienten bei der Anmeldung immer fragen, ob sie „normal“ privatversichert oder in einem brancheneinheitlichen Tarif versichert sind. Den Versicherungsstatus sollten Sie auch schriftlich in den Patientenunterlagen festhalten. Bei Versicherten in den brancheneinheitlichen Tarifen sind die festgelegten Gebührensätze nach der GOÄ bei der Rechnungsstellung zu berücksichtigen.
Sind Sie reiner Privatarzt und ist Ihr Patient in einem brancheneinheitlichen Tarif versichert gilt: Nur bei Patienten im Standardtarif werden von Ihnen erbrachte Leistungen (mit Ausnah-me von Notfällen) von der Krankenversicherung übernommen. Versicherte im Basis- und Notlagentarif haben keine freie Arztwahl und erhalten nur eine Erstattung, wenn Sie zusätzlich eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung haben.
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