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Recht

Ambulante vs. stationäre Versorgung

BGH schafft Klarheit: Honorararzt kann kein Wahlarzt sein

Dr. jur. Christian Bichler

20.10.2020

Die Grenze zwischen ambulanter und stationärer Versorgung immer weiter aufzuweichen, ist gesundheitspolitisch gewollt. Doch die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten wird rechtlich immer schwieriger – wie ein Urteil des BGH zum (Auslauf)Modell des Honorararztes zeigt.

War es bislang eine medizinisch wie auch wirtschaftlich durchaus attraktive Möglichkeit für niedergelassene Ärzte, auch in Kliniken Patienten zu versorgen, scheint diesem Modell mit mehreren Gerichtsentscheidungen aus 2019 ein jähes Ende gesetzt worden zu sein. Begonnen hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 10.01.2019 (Az. III ZR 325/17), in dem er nun endgültig klargestellt hat, dass Honorarärzte keine Wahlärzte sein können.


Honorararzt vs. Konsiliararzt

Die gegenseitige fachliche Unterstützung zwischen Ärzten kennt das Gesundheitswesen schon lange. Man spricht hierbei gern von einem ärztlichen Konsil. Der beispielsweise vom Krankenhaus hinzugerufene (niedergelassene) Arzt, der Patienten des Krankenhauses innerhalb seines Fachgebiets rein konsiliarisch, in der Regel mangels Vorhalt der betreffenden Disziplin in der Klinik, behandelt (vgl. SG Gelsenkirchen, Urteil vom 29.09.2005, Az. S 16 KA 15/04), wird als Konsiliararzt bezeichnet. Dabei geht es also um Ärzte, die im Auftrag anderer Ärzte im Einzelfall zu diagnostischen oder therapeutischen Leistungen hinzugezogen werden. Der Begriff der Konsiliaruntersuchung (vgl § 24 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte – BMV-Ä) sieht vor, dass der die Konsiliaruntersuchung durchführende Arzt rein diagnostisch tätig werden darf, nicht jedoch die Kernleistung, also die Behandlung selbst erbringen darf. Wenngleich der – vom Konsiliararzt zu unterscheidende – Honorararzt gesetzlich nicht geregelt ist, hat ihn der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 16.10.2014 (Az. III ZR 85/14) definiert als „Facharzt […] der im stationären und/oder ambulanten Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger erbringt, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder als Konsiliararzt tätig zu sein. Er wird zeitlich befristet freiberuflich auf Honorarbasis tätig, wobei das Honorar mit dem Krankenhausträger frei und unabhängig von den Vorgaben der Gebührenordnung für Ärzte vereinbart wird und mangels Anstellung des Honorararztes keinen tarifvertraglichen Bindungen unterliegt“. Das Bundesverfassungsgericht hat dies kurze Zeit später (Beschluss vom 03.03.2015, Az. 1 BvR 3226/14) bestätigt. Bei der Einordnung als Honorararzt kommt es ebenso weder darauf an, ob der Honorararzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt oder über eine Niederlassung verfügt. Honorarärzte sind somit wunschgemäß keine über Arbeitsverträge an das Krankenhaus angebundene Arbeitnehmer, sondern schließen klassischerweise Honorararztverträge oder Kooperationsverträge (in Form von Dienstleistungsverträgen) mit den Krankenhäusern.

Liquidieren darf nicht jeder

Wenngleich der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2014 (Urteil vom 16.10.2014 – Az. III ZR 85/14) den Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte unter Verweis auf § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG klargestellt hat, war bis Anfang 2019 – nicht zuletzt aufgrund der insofern relativierenden Entscheidung des BVerfG vom 03.03.2015 (Az. 1 BvR 3226/14) – streitig, ob in einer Wahlleistungsvereinbarung ausdrücklich aufgeführte Honorarärzte liquidationsberechtigt sein können. Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2019 wurden indes die letzten Zweifel ausgeräumt. Die Ärzte, die zur gesonderten Berechnung ihrer (Wahl)Leistungen berechtigt sind, sind in § 17 Abs 3 S. 1 KHEntgG abschließend fest­gelegt, der besagt „Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der vollstationären und teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a des SGBvV) berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses; darauf ist in der Vereinbarung hinzuweisen“. Honorarärzte sind weder angestellt noch beamtet und genügen somit nicht den Anforderungen des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG. Bei dieser Vorschrift handelt es sich – so der Bundesgerichtshof – um eine preisrechtliche Schutzvorschrift zugunsten des Patienten, die es auch verbietet, den Honorararzt als „originären“ Wahlarzt zu bestimmen. Der Bundesgerichtshof führt weiter aus, dass der dem Schutz des Privatpatienten dienende Regelungsgehalt der Vorschrift infrage gestellt wäre, wenn die Liquidationsberechtigung durch die Aufnahme von im Krankenhaus tätigen Honorarärzten in der Wahlleistungsvereinbarung frei geregelt werden könnte. Diese Bewertung beruhe letztlich nicht nur auf dem Wortlaut des 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG, sondern auch auf der Entstehungsgeschichte der Norm, wonach der Gesetzgeber den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte kontinuierlich eingeengt hat. Zudem könne die ein zusätzliches Entgelt erst rechtfertigende herausgehobene ärztliche Qualifikation – der Bundesgerichtshof grenzt insofern den Chefarztstandard vom Facharztstandard ab – nicht bei allen Honorarärzten von vorneherein angenommen werden. Es soll verhindert werden, dass ein Honorararzt, der hinter dem Chefarztstandard zurück bleibt, seine Leistungen aber wie ein Chefarzt liquidiert. Der Bundesgerichtshof hat somit – letzte Zweifel ausräumend – entschieden, dass Honorarärzte nicht zu den liquidationsberechtigten Ärzten gehören und in Wahlleistungsvereinbarungen nichts zu suchen haben. Zwar lässt § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG zu, die Wirkungen einer Wahlleistungsvereinbarung auch auf die – in einer Wahlleistungsvereinbarung nicht ausdrücklich genannten – Ärzte zu erstrecken, deren Leistungen vom liquidationsberechtigten (Chef)Arzt veranlasst wurden. Demnach werden entsprechend veranlasste Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses in die Wahlleistungsvereinbarung einbezogen. Hierbei spricht man von der externen Wahlarzt- oder Liquidationskette. Der Bundesgerichtshof hat jedoch in seinem Urteil vom 10.01.2019 (Az. III ZR 325/17) auch klargestellt, dass der in der streitgegenständlichen Konstellation tätige Arzt planmäßig die Hauptbehandlungsleistung als Erfüllungsgehilfe des Krankenhausträgers mit den von diesem bereitgestellten Ressourcen erbracht hat und somit schon deshalb nicht zur externen Wahlarztkette gehören kann. Zudem habe der Arzt seine ärztlichen Leistungen nicht „auf Veranlassung“ eines angestellten oder beamteten Krankenhausarztes mit eigener Liquidationsberechtigung erbracht. Ferner wird man bei einem Kooperationsvertrag zwischen Honorararzt und Krankenhaus regelmäßig davon ausgehen müssen, dass die Veranlassung vom Krankenhaus und nicht dem liquidationsberechtigten (Chef)Arzt selbst ausgeht.

Was folgt daraus?

Eine Privatliquidation durch einen Arzt, der nicht in § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG aufgeführt ist, ist – unabhängig davon, ob der Arzt in einer Wahlleistungsvereinbarung ausdrücklich genannt ist oder nicht – rechtlich nicht möglich. Entsprechende Vereinbarungen sind nach § 134 BGB nichtig, darin vereinbarte Vergütungen nicht zu zahlen. Bereits erhaltene Beträge müssen auf der Grundlage ungerechtfertigter Bereicherung an den Patienten bzw. (eine wirksame Abtretung der Ansprüche vorausgesetzt) die private Krankenversicherung zurückgezahlt werden.

Über den Krankenhäusern und Honorarärzten schwebt für alle bereits abgerechneten Fälle das Damoklesschwert der Rückforderung.

Über den Krankenhäusern und Honorarärzten schwebt für alle bereits abgerechneten Fälle das Damoklesschwert der Rückforderung. Zudem muss in solchen Fällen auch über den strafrechtlichen Tatbestand des Abrechnungsbetrugs nachgedacht werden, zumindest dann, wenn sich Krankenhaus und Honorararzt wider besseren Wissens vehement gegen die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wehren.

Und nun?

Da dem Honorararzt bzw. dem Krankenhaus durch die besprochene Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine bislang durchaus lukrative Möglichkeit der Abrechnung wahlärztlicher Leistungen endgültig genommen wurde, hat das Modell erheblich an Attraktivität verloren. Möglich bliebe nur noch, einen externen (Honorar)Arzt als „gewünschten Stellvertreter“ des Wahlarztes einzusetzen, was jedoch nur im speziellen Einzelfall zulässig wäre. Vorstellbar wäre hier eine Situation, bei der die besondere Expertise des Honorararztes gefragt wäre (Maßstab würde auch hier eine Art Chefarztstandard sein). Bei allgemeinen Leistungen hingegen, wird der Einsatz als „gewünschter Stellvertreter“ nicht möglich bzw. nur schwer zu begründen sein. Für diese Fälle wird in der Regel ein Oberarzt als ständiger ärztlicher Vertreter eingesetzt. Die namentliche Nennung des Honorararztes in der Wahlleistungsvereinbarung genügt für ein Liquidationsrecht der Leistungen des Honorararztes jedenfalls nicht. Für die Honorarärzteschaft und kooperierende Kliniken kommt zu den erwähnten Auswirkungen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der fehlenden Abrechenbarkeit von Wahlleistungen noch die vom Bundessozialgericht (Urteil vom 04.06.2019 – Az. B 12 R 11/18) konstatierte regelhafte Sozialversicherungspflicht hinzu. Kommt ein Kooperationsverhältnis zwischen Honorararzt und Klinik auf den Prüfstand, droht somit nicht nur der Verlust der Privatliquidation, sondern auch die Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen (ggf. jeweils verbunden mit strafrechtlichen Sanktionen). Die Bundesgerichte machen es den Honorarärzten aktuell somit nicht gerade leicht, wie bisher weiterarbeiten zu können. Den Krankenhäusern wird letztlich – um auf der rechtlich sicheren Seite zu sein – in Zukunft nichts anderes übrig bleiben, als die bisherigen Honorarärzte in irgendeiner Form (teil)anzustellen, ggf. befristet oder auf Abruf. Neu entwickelte Modelle (bspw. das „Hybridmodell“, wonach das Krankenhaus für Honorarärzte vorsorglich Sozialversicherungsbeiträge abführen soll, ohne ein Anstellungsverhältnis mit dem Hono­r­ararzt eingehen zu müssen) sind kritisch zu hinterfragen und sollten nicht ohne anwaltlichen Rat versucht werden. Jedenfalls müssen sich sowohl Krankenhäuser als auch Honorarärzte – soweit nicht bereits geschehen – auf nicht unerhebliche vertragliche An­passungen der Zusammenarbeit einstellen, und dies nicht nur vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundes­sozialgerichts, sondern auch der zwar zwischenzeitlich flächendeckend bekannten, aber häufig nicht in der gebotenen Sorgfalt umgesetzten ­Korruptionstatbestände.

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Der Autor

Dr. jur. Christian Bichler
Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator
Fachanwalt für Medizinrecht
85609 Aschheim

cb@jurmed.de

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