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Dermatologie

Radiogene Dermatitis

Akut- und Spätfolgen

Dr. med. Voica Ghilescu

30.8.2021

Seit ihrer Entdeckung vor mehr als 120 Jahren ist die Strahlentherapie integrativer Teil einer Tumortherapie. Über 70 % aller Krebspatienten erhalten im Laufe ihrer Erkrankung Strahlentherapie, wobei die dadurch induzierte Hautreaktion eine häufige Nebenwirkung darstellt. Sie betrifft circa 85 % der Krebspatienten.

Die Ausprägung der Strahlentherapie induzierten Hautreaktion ist in den meisten Fällen gering und kurze Zeit nach Beendigung der Bestrahlung reversibel. Am häufigsten davon betroffen sind Patienten, bei denen die Haut, wie bei Brustkrebs, selbst Zielorgan der Behandlung ist. Die Bestrahlung der Haut unterbricht die normale Zellteilung und die Rege­neration der Haut. Die dadurch entstehenden Zellschäden setzen eine entzündliche Reaktion in Gang, die zur Schwellung, Rötung, Bräunung, Fibrose und Ulzeration der Haut führen kann, Beschwerden, denen wiederum Schmerzen, eine Überwärmung, Brennen und ­Jucken der Haut folgen. Die akute Strahlen­reaktion an der Haut tritt in der zweiten bis dritten Woche nach Beginn der Behandlung auf und heilt meistens bis zur vierten Woche nach Ende der Strahlentherapie ab.

Akute und chronische Hautveränderung

Zu den Akutreaktionen der Haut Grad I gehören die leichte Rötung, trockene Desquamation, Pruritus, Schuppung, Pigmentveränderungen und der Haarverlust. Die akute Reaktion Grad II tritt mit Berührungsempfindlichkeit, Hautödem, feuchter Desquamation in Hautfalten und Schmerzen nach vier bis fünf ­Wochen Behandlung und einer Dosis über 40 Gy auf. Der Höhe­punkt der Beschwerden ist allerdings ein bis zwei Wochen nach Ende der Bestrahlung zu erwarten. Deren Abheilung beginnt ca. drei bis fünf Wochen nach Bestrahlungsende. Bis zur vollstän­digen Abheilung können bis zu drei Monate vergehen. Selten wird eine Reaktion Grad III mit konfluierender feuchter ­Desquamation erreicht, die in ein Grad IV mit Ulzerationen, Blutungen und Hautnekrosen übergehen kann. Chronische Hautveränderungen können sich Monate oder Jahre nach Bestrahlung entwickeln. Hyper- oder Hypopigmentierungen, Austrocknung, Hyperkeratosen, Verlust der Haarfollikel und der Talgdrüsen, Atrophie, Teleangiektasien sowie eine subkutane Fibrose charakterisieren eine bestrahlte Haut, die häufig zu Ulzerationen und Rissen neigt.

Das Ziel ärztlichen Handelns zur Vermeidung schwerwiegender Strahlenfolgen an der Haut ist zum einen, eine von der Technik optimale Strahlentherapie ­einzusetzen und zum anderen präventive Pflegemaßnahmen, um die unerwünschten Strahlen­folgen an der Haut zu vermeiden. Kommt es dennoch zu therapiebedürftigen Folgen der Strahlentherapie, gilt es, diese angemessen zu behandeln.

Die milde akute Dermatitis wird symptomatisch ­behandelt. Waschen mit lauwarmem Wasser und einer milden Seife (z. B. Babyseife), locker sitzende Kleidung aus Naturfasern (z. B. Baumwolle, Leinen, Seide) und Vermeidung mechanischer, chemischer und physikalischer Reizung sollten im Fokus der ­Prävention stehen. Bei Rötung der Haut und trockener Desquamation können beruhigende und kühlende Cremes, Salben und Gele verwendet werden.

Studiendaten zu möglichen Therapien

In zahlreichen Studien wurde die Wirkung unterschiedlicher Behandlungen der akuten und der späten Radiodermatitis untersucht und miteinander verglichen. Eine eindeutige Evidenz für den Benefit einer der vielen untersuchten Produkte konnte nicht festgestellt werden. Sicher ist jedoch, dass Trocken-halten der bestrahlten Haut und Pudern genauso gut ist wie Waschen der Haut. Waschen nur mit Wasser ist genauso gut wie Waschen mit einer milden Seife. Das Benutzen eines Deodorants, das die Haut nicht reizt, ist nicht kontraindiziert. Die orale Einnahme von einer Enzymkombination aus Trypsin, Chymotrypsin und Papain sowie Zink verspricht eine Reduktion der akuten radiogenen Dermatitis.

Lokale Behandlungen wie Cremes und Salben auf ­Vaseline- oder Rizinusölbasis, Trypsin oder Trolamin und die topische Anwendung von Sucralfaten, ­Hya­luronsäure, Calendula- und Aloe-Vera-Extrakt, ­Antioxidantien (z. B. Vitamin C), Kortikosteroide, Dex­pan­thenol, Niacinamid, Linolsäure und Mandelöl ­können zur Verbesserung der Hautrötung und ­Desquamation eingesetzt werden. Allerdings liegen zu diesen lokalen Therapieoptionen kaum evidenz­basierte Studien vor.

Die schwere akute Dermatitis braucht eine adä­quate Wundbehandlung, bei der die Wunde sauber und feucht gehalten wird, und eine ausreichende Schmerzlinderung. Verbände mit Hydrogel, Hydrokolloid und Antiseptika können sowohl während als auch nach Beendigung der Strahlentherapie verwendet werden. Eine gezielte Behandlung der chronischen Dermatitis gibt es nicht. Auch hier sind eine sorgfältige Wundpflege, Physiotherapie (um Kontrakturen zu vermeiden) kosmetische Hilfsmittel, plastische Operationen und eine ausreichende Analgesie erforderlich, um eine gute Lebensqualität zu erhalten.

Behandlungen mit Pentoxifyllin 800 mg pro Tag und Vitamin E (1.000 IU/Tag) über sechs Monate haben in einer Studie eine signifikante Reduktion der radiogenen Spätfibrose gezeigt.

Behandlungen mit hyperbarem Sauerstoff, liposomalem Kupfer, Zinksuperoxid oder Interferon-gamma haben keine Wirkung auf Spätfolgen der Bestrahlung.

Eine Metaanalyse, in der 47 Studien, die Ergebnisse von Behandlungen und Prävention von akuten Hautreaktionen behandelten, berücksichtigt wurden, konnte lediglich zeigen, dass während der Strahlenbehandlung Waschen der Haut mit Seife, Benutzen eines Antiperspirants und Salben, die die Rötung und Desquamation vermeiden, sinnvoll sind. Darüber hinausgehenden Empfehlungen zur Behandlung der bestrahlten Haut fehlt die wissenschaftlich begründete Evidenz.

Patientenbezogene Faktoren für die Stärke der Hautreaktion

Die Stärke der Strahlentherapie induzierten Hautreaktion ist abhängig von patientenbezogenen Faktoren wie Alter, Allgemeinzustand, ethnische Herkunft, Komorbidität, Vorschädigung der Haut durch UV-Strahlung, Hormonstatus, Tumorsitz, genetische Faktoren (z. B. Ataxia teleangiectatica), Bindegewebserkrankungen (z. B. Sklerodermie), Hautfalten, Durchblutungsstörungen, Ernährungsstatus und von der Art, wie die Bestrahlung durchgeführt wird. Hierbei spielen die Gesamt- und Einzeldosis, die Größe der bestrahlten Hautfläche, die Strahlenart und -technik sowie die gleichzeitige Behandlung mit Chemo-/Immuntherapie und Medikamenten, die die Wirkung der Strahlentherapie verstärken, eine Rolle.

Die Autorin

Dr. med. Voica Ghilescu
Chefärztin
Klinik für Radioonkologie und
Strahlentherapie
Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH
89522 Heidenheim

voica.ghilescu@kliniken-heidenheim.de

Literatur bei der Autorin

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