Stimulantien wie Methylphenidat oder Amphetamin gehören zur Standardtherapie bei Kindern und Jugendlichen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Dennoch bestehen seit Jahren Sorgen, ob diese Medikamente psychotische Symptome wie Halluzinationen oder Wahnideen auslösen könnten – insbesondere bei jungen Personen. Eine aktuelle, methodisch aufwendige Auswertung von Daten aus der US-amerikanischen Adolescent Brain Cognitive Development (ABCD)-Studie liefert hierzu nun eine Entwarnung.
In die Analyse flossen Daten von 8 391 Kindern im Alter von 9 bis 14 Jahren ein, die innerhalb eines Jahres nachbeobachtet wurden. Bei 5,5 % der Kinder wurde in diesem Zeitraum erstmals ein Stimulans verschrieben, während 15,1 % mindestens eine psychotische Erfahrung von moderatem Ausmaß angaben. In einer unbereinigten Analyse ergab sich zunächst eine Assoziation zwischen der Stimulantienverordnung und dem Auftreten psychotischer Erlebnisse (OR = 1,46). Umgekehrt zeigte sich jedoch auch, dass Kinder mit psychotischen Erfahrungen zum Ausgangszeitpunkt häufiger später ein Stimulans verschrieben bekamen (OR = 1,93).
Um echte Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge besser beurteilen zu können, wurde ein Target Trial Emulation-Verfahren eingesetzt. Dabei handelt es sich um einen innovativen Ansatz, der auf Basis von Beobachtungsdaten eine randomisierte Studie simuliert. Hierbei wurden relevante Einflussgrößen wie Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, Schwere der psychischen Symptome und ethnische Zugehörigkeit statistisch berücksichtigt. Das Ergebnis: Nach Anwendung einer doppelt robusten Schätzung zeigte sich kein Hinweis auf eine kausale Verbindung zwischen der Einnahme von Stimulanzien und späteren psychotischen Erfahrungen (OR = 1,09; 95 %-KI: 0,71-1,56).
Bedeutung für die Praxis
Die Ergebnisse könnten eine wichtige Orientierung für klinische Entscheidungen bieten: Die in der Routine eingesetzten Stimulantien zur ADHS-Therapie sind bei Kindern und Jugendlichen nicht ursächlich für das Auftreten psychotischer Symptome. Vielmehr dürften individuelle Risikofaktoren – etwa die psychische Ausgangsbelastung – sowohl die Wahrscheinlichkeit einer Medikation als auch das Risiko für psychotische Erfahrungen beeinflussen. Ärztinnen und Ärzte können diese Erkenntnisse nutzen, um betroffenen Familien Ängste zu nehmen und informierte Therapieentscheidungen zu treffen. Gleichwohl bleibt eine sorgfältige Indikationsstellung und kontinuierliche Verlaufsbeobachtung bei ADHS essentiell.
O‘Hare K et al.: Stimulant Medication Use and Risk of Psychotic Experiences. Pediatrics. 2025 May 12:e2024069142 (DOI 10.1542/peds.2024-069142).
* Henderson J: No Causal Link Between Stimulants and Psychotic Experiences in Kids With ADHD. MedpageToday, 12.5.2025 (https://www.medpagetoday.com/pediatrics/generalpediatrics/115531).