Aktuelle britische Umfrageergebnisse im Zuge des Stroke Awareness Month (Europäischer Tag der Schlaganfall-Aufklärung, 14. Mai) zeigen, dass ein signifikanter Anteil von Schlaganfallpatienten in der frühen Rehabilitationsphase singen kann, bevor die verbale Sprachfähigkeit zurückkehrt.
Laut einer Befragung der Stroke Association (London) unter 1 000 Betroffenen verlieren 33 % der Überlebenden zunächst die Sprachfähigkeit, während 35 % bereits in den ersten Tagen bis Monaten nach dem Ereignis besser singen als sprechen können. Bei 26 % manifestierte sich die Fähigkeit zu summen oder zu singen sogar vor der Rückkehr der artikulierten Sprache. Diese Beobachtung unterstreicht das Potential musikbasierter Therapieansätze, insbesondere bei Aphasie, die bei einem Drittel der Schlaganfallpatienten auftritt.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass gezieltes Singen die neuroplastische Reorganisation fördert und die Wiederherstellung kommunikativer Fähigkeiten unterstützt. In der Befragung gaben 54 % der Betroffenen an, dass Musik einen positiven Einfluss auf ihre Genesung hatte, wobei 40 % von einem substantiellen Effekt berichteten. Konkret verbesserten sich bei 61 % der Patienten und Patientinnen die Kommunikationsfähigkeit, bei 51 % das Gedächtnis und das Hörverständnis. Auf emotionaler Ebene half Singen 45 % der Befragten beim Entspannen, gab 34 % Hoffnung durch die wiedergewonnene Ausdrucksfähigkeit und stärkte bei 43 % die psychische Resilienz. Dennoch sind 28 % der Allgemeinbevölkerung nicht über die häufigen kommunikativen Folgen eines Schlaganfalls informiert, was die psychosoziale Belastung verstärkt: 59 % der Patienten entwickeln Ängste, 56 % depressive Verstimmungen, 52 % leiden unter reduziertem Selbstvertrauen und 40 % unter sozialer Isolation.
Fortschritte durch musikalisch gestützte Therapie?
Ein Fallbeispiel illustriert diese Erkenntnisse: Die 26-jährige Summer Clarke (Manchester) überlebte trotz einer 10%igen Überlebensprognose nach einer spontanen Hirnblutung. Während ihrer Rehabilitation konnte sie bereits Lieder textsicher singen, bevor sie ihre Mutter wiedererkannte oder artikulierte Sprache produzierte. Ihre Familie und Therapeuten führen den bemerkenswerten Fortschritt auf ihre musikalisch gestützte Therapie sowie ihre intrinsische Motivation zurück.
Die Stroke Association initiierte daher die Kampagne Sing4Stroke, um musiktherapeutische Interventionen zu fördern. Gruppensingen schafft sichere Räume für soziale Interaktion und stärkt das psychische Wohlbefinden, wie eine Studie der Universität Exeter unter Leitung des Psychologen Prof. Dr. Mark Tarrant zeigt. Juliet Bouverie, CEO der Stroke Association, betont, dass Musik und Sprache unterschiedliche neuronale Netzwerke aktivieren – ein Schlüsselmechanismus, der Patienten mit Aphasie alternative Kommunikationswege eröffnet.
Für Ärzte, Ärztinnen und Therapeuten bzw. Therapeutinnen ergibt sich daraus eine klare Handlungsempfehlung: Musikbasierte Ansätze sollten früh in rehabilitative Konzepte integriert werden, um sowohl die neurokognitive Erholung als auch die psychosoziale Integration zu unterstützen. Initiativen wie Sing4Stroke bieten hierfür praxisnahe Rahmenbedingungen, etwa durch angeleitete Gruppensitzungen oder individuelle Übungen mit persönlichen Playlists.
Pressemitteilung „A third of stroke survivors can sing better than speak soon after their stroke, according to new research to mark Stroke Awareness Month“. Stroke Association, London, 1.5.2025 (https://www.stroke.org.uk/about-us/press-office#/pressreleases/a-third-of-stroke-survivors-can-sing-better-than-speak-soon-after-their-stroke-according-to-new-research-to-mark-stroke-awareness-month-3383442).