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Neurologie

Bedeutung des Schlafs für das Lernen und Gedächtnis

29.5.2025

Warum Schlaf so wichtig für das Lernen und das Gedächtnis ist, haben jetzt Neurowissenschaftler am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in einem Tiermodell genauer untersucht. Für rund 20 Stunden überwachten sie die neuronale Aktivität im Gehirn von Ratten im Schlaf, nachdem diese eine neue Umgebung kennengelernt hatten. Im Mittelpunkt der Ergebnisse stehen Reorganisationen neuronaler Aktivitätsmuster während des Schlafs, die jene widerspiegeln, die beim Erinnern des Gedächtnisses nach dem Aufwachen beobachtet werden.

Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Jozsef Csicsvari am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) hat nun die Schlüsselrolle der Schlafphasen für die Optimierung der Gedächtnisleistung nachgewiesen. Mit einer kabellosen Methode haben sie erstmals die neuronalen Aktivitätsmuster im Gehirn von Ratten in einem Schlaf-Zyklus von 20 Stunden gemessen und damit die bisher gemeldeten Messzeiten erheblich verlängert. „Wir haben gezeigt, dass die neuronalen Anordnungen in den frühen Schlafphasen kürzlich erlernte räumliche Erinnerungen widerspiegeln. Mit fortschreitendem Schlaf verwandeln sich die neuronalen Aktivitätsmuster jedoch allmählich in die Muster, die später zu sehen sind, wenn die Ratten aufwachen und sich an die Orte erinnern, an denen sie ihre Futterbelohnungen erhalten haben“, sagt Csicsvari.

Frühere Arbeiten hatten bereits gezeigt, dass der Hippocampus sowohl für das Erkunden und Einhalten von Routen in einer Umgebung (sogenannte räumliche Navigation) wichtig ist, als auch für das räumliche Lernen. Neuronen im Hippocampus verfolgen die Position des Tieres, indem sie an bestimmten Orten feuern und so eine kognitive Karte der Umgebung erstellen. Tiere nutzen diese Karte, um sich im Raum zurechtzufinden, und aktualisieren sie während des Lernens. Bei diesem Prozess sind die Belohnungsorte entscheidend, da sie auf der kognitiven Karte der Tiere überproportional stark vertreten sind.

Nach dem räumlichen Lernen spielt der Hippocampus eine wichtige Rolle bei der Verbesserung des Gedächtnisses im Schlaf. Das geschieht durch die Reaktivierung kürzlich erlernter Gedächtnisspuren. In einer früheren Studie zeigte die Csicsvari-Gruppe, dass sich das Tier beim Aufwachen umso besser an einen bestimmten Belohnungsort erinnerte, je öfter dieser im Schlaf reaktiviert wurde. Als das Team hingegen versuchte, die Reaktivierung eines bestimmten Belohnungsgedächtnisses zu blockieren, konnten sich die Tiere nicht an den jeweiligen Ort erinnern.

Reorganisation neuronaler Muster während des Schlafs prägt Erinnerungen

„Unsere Ergebnisse waren unerwartet. Wir konnten zeigen, dass sich die Aktivitätsmuster der Neuronen, die mit den Belohnungsorten verbunden sind, während des langen Schlafs neu organisieren“, sagt Lars Bollmann, einer der beiden Erstautoren der Studie. Tatsächlich blieben bei der Reaktivierung eines bestimmten Belohnungsortes nicht alle Neuronen, die diesen Ort repräsentierten, während des gesamten Schlafs aktiv. Während einige aktiv blieben – die ISTA-Forscher nannten sie eine „stabile Untergruppe“ –, hörten andere in späteren Schlafphasen auf zu feuern. Gleichzeitig begann jedoch eine neue Gruppe von Neuronen allmählich zu feuern. „Am überraschendsten war, dass wir zeigen konnten, dass das Muster der feuernden Neuronen in den frühen Schlafphasen zwar die neuronale Aktivität in der Lernphase widerspiegelte, sich dieses Muster jedoch später weiterentwickelte, um die neuronale Aktivität beim Aufwachen der Ratten und der Erinnerung an die Position der Belohnungen widerzuspiegeln“, so Bollmann. Das Team beobachtete also nicht nur eine Verschiebung der neuronalen Aktivitätsmuster während des Schlafs im Rahmen des räumlichen Lernens, sondern brachte sie auch mit dem Prozess der Gedächtnisreaktivierung in Verbindung. So konnten sie aufzeigen, wie der Schlaf dazu beiträgt, Erinnerungen frisch zu halten. Darüber hinaus zeigten sie, dass diese Reorganisation während des Non-REM-Schlafs stattfindet, während der REM-Schlaf ihr entgegenwirkt.

Welche Rolle spielt dieses Phänomen, das im Schlaf auftritt und als „representational drift“ bezeichnet wird? „Wir können diesbezüglich nur spekulieren“, sagt Csicsvari. „Es ist möglich, dass Gedächtnisrepräsentationen während des Lernens schnell gebildet werden müssen, aber dass solche Repräsentationen für die langfristige Speicherung nicht optimal sind. Daher kann im Schlaf ein Prozess stattfinden, der diese Repräsentationen optimiert, um die Gehirnressourcen für die Speicherung eines bestimmten Gedächtnisses zu reduzieren.“ Als Beleg für diese Vermutung beobachteten die Forscher, dass nach dem Schlaf weniger Neuronen mit einem bestimmten Belohnungsort verbunden waren als zuvor. Somit werden einige Neuronen frei, um neuere Erinnerungen aufzunehmen. „Alle neuen Erinnerungen müssen einen Weg finden, in das vorhandene Wissen integriert zu werden. Häufige Wiederholungen der neuen Erinnerungen sowie eine teilweise Änderung der neuronalen Verdrahtung können daher dazu beitragen, ihre Integration in bestehende Gedächtnisrepräsentationen zu optimieren“, so Csicsvari abschließend.

Pressemitteilung „Wie Schlaf unsere Erinnerungen frisch hält - ISTA: Neuronale Muster reorganisieren sich im Schlaf, um das Gedächtnis zu stärken“. Institute of Science and Technology Austria (ISTA), Klosterneuburg/Österreich, 25.3.2025 (https://ista.ac.at/de/news/wie-schlaf-unsere-erinnerungen-frisch-haelt/).
* Bollmann L et al.: Sleep stages antagonistically modulate reactivation drift. Neuron. 2025 Mar 19:S0896-6273(25)00167-9 (DOI 10.1016/j.neuron.2025.02.025).

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