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Onkologie

Mykosen

Dermatophytosen bei Immunsuppression

Prof. Dr. med. Peter Mayser

4.11.2020

Mykosen können bei Immunsupprimierten lebensbedrohliche Erkrankungen darstellen und nur schwer zu diagnostizieren sein. Eine topische Kombinationstherapie aus einem Antimykotikum und einem Glukokortikosteroid kann zu einer raschen Besserung der Entzündung und Beschwerdesymptomatik führen.

Dermatophytosen gehören zu den häufigsten Haut­infektionen des Menschen. Dermatophyten gelten als Erreger, deren parasitäres Wachstum auf keratinisierte Strukturen der Haut beschränkt ist und die daher meist oberflächliche Infektionen wie Tinea corporis, Tinea cruris, Tinea pedis und Onychomykosen verursachen. Selbst bei tiefgreifenden entzündlichen Veränderungen wie dem Kerion Celsi dringen sie nicht in das Korium ein.

Für die klinische Ausprägung und insbesondere auch für das Ausmaß der entzündlichen Begleitsymptomatik spielt neben dem Immunstatus des Erkrankten auch die Adaption des Erregers an den Wirt eine wichtige Rolle. Gut angepasste anthropophile Erreger wie Trichophyton (T.) rubrum verursachen beim Menschen meist chronische, wenig entzündliche Infektionen, während zoophile (z. B. T. mentagrophytes) und geophile Erreger (z. B. Nannizzia gypsea) bei dem „Fehlwirt Mensch“ meist stark entzündliche Veränderungen induzieren. Dies wird auch in der externen Therapie berücksichtigt, bei der in der Lokaltherapie stark entzündlicher Mykosen auf die Kombination eines Antimykotikums mit einem entzündungshemmenden Glukokortiko­steroid zurückgegriffen werden kann. Bei Immunsupprimierten können Dermatophytosen durch eine ungewöhnliche Erkrankungsausdehnung oder durch eine Invasion des eigentlich auf die Epidermis bzw. das Stratum corneum beschränkten keratinophilen Erregers in die Dermis gekennzeichnet sein.

Ausgedehnte, auf die Epidermis begrenzte Dermatophytosen

Erkrankungsfälle wurden bei Patienten nach iatrogener Immunsuppression sowie nach solider Organ- oder Knochenmarktransplantation beschrieben. Das Erkrankungsbild kann erosive und nekrotisierende Läsionen umfassen, wie der folgende Bericht über eine Tinea corporis zeigt:

Tinea corporis nach Nierentransplantation

Anamnese

45-jährige Patientin; sechs Monate zuvor wegen präterminaler Niereninsuffizienz nierentransplantiert; Psoriasis vulgaris seit 20 Jahren. Unter einer immunsuppressiven Medikation (Prednisolon, Mycophenolatmofetil, Tacrolimus) zeigte die Patientin zunächst eine Verbesserung der bekannten Hautveränderungen, dann jedoch eine massive Verschlechterung des Hautbefundes, mit Ausbreitung auf den gesamten Oberkörper einschließlich des Gesichtes und starkem Pruritus.

Lokalbefund und Labor

An Oberkörper, oberen Extremitäten sowie im Gesicht fanden sich relativ scharf begrenzte annuläre Erytheme (Durchschnitt von 4–20 cm) mit gelblicher Schuppung und Erosionen (Abb. 1). Bis auf einen starken Juckreiz war der Allgemeinzustand der Patientin gut.

CRP-Wert 265,1 mg/dl ohne Leukozytose; Kreatinin 1,4 mg/dl. Wegen des unklaren Befundes (DD: Impetigo contagiosa, Erythema exsudativum-als Arzneimittelreaktion) bei vorbekannter Psoriasis wurde eine dermatohistopathologische Untersuchung veranlasst (Abb. 2; PAS x 400). Der Befund: Hornschicht und obere Teile der vitalen Epidermis durchsetzt von Myzel, bis an die Basalschicht heranreichende Nekrose der Epidermis mit zahlreichen neutrophilen Granulozyten.

Mikrobiologie

Hautabstrich: massenhaft Staphylococcus aureus. Schuppen vom Rücken: Nativpräparat dreifach positiv; in der Kultur T. mentagrophytes.

Die Patientin hatte mehrere Haustiere in ihrem ­privaten Umfeld (u. a. Katzen, Hasen, Meerschweinchen). Da die Tiere selbst nicht erkrankt sein müssen, sondern häufig asymptomatische Überträger darstellen, war dieses Infektionsrisiko für die Patientin nicht abzusehen. Dennoch legt dieses Beispiel die Frage nahe, ob die im Haushalt lebenden (warmblütigen) Tiere bei transplantierten Patienten nicht regelmäßig auf ­einen Dermatophytenbefall untersucht werden sollten.

Therapie

Therapeutisch wurden zunächst Fluconazol oral, dann aufgrund besserer Wirksamkeit gegen Dermatophyten und weniger Arzneimittelwechselwirkungen Terbinafinhydrochlorid-Tabletten 250 mg täglich über drei Tage verabreicht. Danach Reduktion auf 125 mg täglich über sechs Wochen. Obwohl die Patientin aufgrund der Transplantation bereits eine immunsuppressive Therapie erhielt, wurde zusätzlich zu einer systemischen antimykotischen Therapie eine topische Kombinationstherapie aus einem Azol-Antimykotikum (Miconazol) und einem Glukokortikosteroid über 14 Tage eingesetzt. Dies erfolgte insbesondere unter der Vorstellung, mit der lokalen Gabe wirksam der histologisch nachweisbaren nekrotisierenden Entzündungsreaktion zu begegnen. Ferner ist Miconazol auch gut wirksam gegen grampositive Erreger wie S. aureus einschließlich MRSA/FRSA. Die Wertigkeit dieser Maßnahme wurde durch den sehr günstigen Heilungsverlauf bestätigt (Abb. 3). Die Weiterbehandlung erfolgte dann mit einer Ciclopirox­olamin-haltigen Creme.

Seltener, aber differenzialdiagnostisch durchaus einzubeziehen sind ausgedehnte Mykosen bei immun­defizitären Infektionskrankheiten wie der HIV-Infektion oder auch bei genetisch bedingten Immundefekten wie Verhornungsstörungen oder dem CARD9-Mangel. Gerade bei älteren Menschen begünstigt die Immunoseneszenz auch die Ausbreitung einer zuvor lokalisierten Dermatophytose (z. B. Tinea pedum, Onychomykose), wobei wie in folgendem Fallbericht auch maligne, insbesondere hämatologische Grunderkrankungen bedeutsam sein können.

Chronische lymphatische Leukämie

Anamnese

Bei einem 76-jährigen, alleinstehenden Patienten bestehen seit mehreren Wochen scharf begrenzte Erytheme, insbesondere am Körperstamm, und starker Juckreiz, der ambulant mittels Therapie mit topischen Glukokortikosteroiden nicht mehr beherrscht werden konnte. Des Weiteren Gewichtsverlust in den vergangenen Wochen; keine regelmäßige Medikamenteneinnahme.

Lokalbefund und Labor

Scharf begrenztes, randbetontes Erythem mit vielen Kratzexkoriationen, welches nahezu den gesamten mittleren und unteren Rücken unter Einschluss des Gesäßes umfasste (Abb. 4). Veränderungen auch im Bereich der Leisten mit Ausdehnung auf die Oberschenkel. Lymphknoten an mehreren Stationen vergrößert. HB 9,6 g/dl; im Differenzialblutbild Lymphozyten 1.1000/µl. Die weitere Diagnostik brachte den Nachweis einer chronischen lymphatischen Leukämie (Stadium CIII nach Binet). Mikrobiologischer Befund: Im Schuppenmaterial aus dem Randbereich der Läsionen reichlich Hyphen nachweisbar, in der Kultur T. rubrum.

Therapie

Terbinafin-Tabletten 250 mg einmal täglich abends über sechs Wochen; Lokalbehandlung mit einem topischen Kortikoid Klasse 2 + Miconazol zweimal täglich über 20 Tage, darunter rasche Besserung des extremen Juckreizes, dann Übergang auf Ciclopirox­olamin-haltige Creme. Chemotherapie mit Flud­arabin, Cyclophosphamid und Rituximab (FCR).

Invasive und ungewöhnliche Infektionen

Immunsupprimierte Patienten können auch an Dermatophytosen leiden, bei denen die Erreger ausgehend von einer epidermalen Infektion tiefere Strukturen erreichen. Seltene Fallberichte bei schwerster, meist genetisch bedingter Immundefizienz berichten über einen Befall von Lymphknoten und inneren Organen oder sogar über septische Infektionen. Häufiger und mit steigender Inzidenz wird über lokalisierte tiefere Infektionen ausgehend von einer Follikelruptur berichtet. Bei der nodulären granulomatösen Perifollikulitis (Granuloma trichophyticum Majocchi, GM), einem bereits 1883 von Majocchi beschriebenen Krankheitsbild, handelt es sich um eine bisher eher seltene Infektion der Dermis durch Dermatophyten, beruhend auf einer Follikelruptur. Während früher insbesondere Unterernährung und Kachexie eine Rolle spielten, ist heute eine Langzeittherapie mit immunsuppressiv wirksamen Pharmaka, insbesondere mit Kortikosteroiden, bedeutsam.

Bei der GM werden derzeit zwei klinische Erscheinungsformen unterschieden:

a) Bei dem klassischen, eher dermal gelegenen perifollikulitischen Typ kommt es bei Immunkompetenten mit einer chronischen Dermatophytose im Anschluss an ein Trauma (z. B. Rasieren der Unterschenkelhaare) zu einer Ruptur von Haarfollikeln mit einer granulomatösen Gewebereaktion. Das dislozierte Keratin dient dem Erreger als Substrat.

b) Die tiefe dermale/subkutane noduläre Form tritt vornehmlich bei Immunsupprimierten auf und ist durch lividrote Papeln und Knoten gekennzeichnet. Die Diagnosestellung gelingt meist erst histologisch, oft wird auch an eine Neubildung unter immunsuppressiver Therapie gedacht. Hinweisend kann eine oberflächliche Dermatophytose in Läsionsnähe sein. Da die noduläre Perifollikulitis häufig im Bereich der Unterschenkel lokalisiert ist, findet sich eine oberflächliche Dermatophytose meist im Fußbereich (Onychomykose, Tinea pedis). Für einen solchen Zusammenhang spricht auch der Nachweis von T. rubrum, als dem mit Abstand häufigsten Erreger eines GM.

Noduläre Perifollikulitis (GM)

Anamnese

16-jähriger Patient mit follikulär gebundenen entzündlichen Papeln am linken Unterschenkel, an zwei Stellen zunehmend Infiltration und Ulzeration. Unter der Verdachtsdiagnose Sta­phy­lo­kok­kenfollikulitis/-abszess erfolgten eine Therapie mit einem System­antibiotikum sowie antibiotische Lokaltherapien, ­jedoch ohne Erfolg. Zustand nach Herztrans­plantation vor drei Jahren; Medikation: Tacrolimus, Glukokortikosteroide.

Lokalbefund und Labor

Im Bereich des linken Unterschenkels follikulär gebundene Pusteln und Infiltrate auf teils gerötetem Grund. Daneben 2–3 cm große Nodi mit zentraler Ulzeration, auf Druck kein Eiteraustritt (Abb. 5); starker Juckreiz, Abdeckung mit Pflaster. Leichte Erhöhung des CRP, übrige Routineparameter im Normbereich.

Mikrobiologie

Im Abstrich Staph. aureus. Epilierte Haare zeigen im Nativpräparat eine Manschette aus Sporen und Hyphen, in der Kultur T. rubrum.

Therapie

Terbinafin-Tabletten 250 mg einmal täglich abends über sechs Wochen; Lokalbehandlung mit einem topischen Kortikoid der Klasse 2 plus Miconazol zweimal täglich über zehn Tage. Hierunter besserten sich Juckreiz, Entzündung und die durch das Pflaster bedingte Mazeration der Haut rasch. Im Folgenden dann Wechsel auf Ciclopiroxolamin-haltige Creme.

Das GM muss immer systemisch antimykotisch ­behandelt werden. Die zusätzliche topische Kombi­nations­therapie führte im vorgestellten Fall zu einem deut­lichen Rückgang der entzündlichen und gewebe­destruierenden Symptomatik. Eine Tinea bei Immun­supprimierten erfordert in nahezu allen Fällen eine systemische antimykotische Therapie. Hierbei müssen aber Wechselwirkungen mit der oft großen Zahl gleichzeitig verabreichter Medikamente berücksichtigt werden. Zudem kann das durch eine effektive Therapie freigesetzte Pilz­antigen ­initial zu überschießenden Entzündungsreaktionen führen. Die aufgeführten Kasuistiken zeigen, dass die initiale topische Kombinationstherapie aus ­einem Antimykotikum und einem Glukokortikosteroid vorteilhaft für die Beherrschung von Entzündung und subjektiver Beschwerdesymptomatik sein kann. Ferner unterstreichen die Fallberichte die Forderung, dass Dermatophytosen vor einer Immunsuppression nach Möglichkeit saniert werden sollten.

Der Autor

Prof. Dr. med. Peter Mayser
Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten

p.mayser@t-online.de

Literatur beim Autor

Bildnachweis: Prof. Dr. med. Peter Mayser

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