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Kongress-Ticker

ADO Hautkrebskongress 2021

Hautkrebsscreening: Die Vorteile überwiegen

Dr. rer. nat. Christine Reinecke, Rainer Bubenzer

23.11.2021

Hautkrebsscreening: Die Vorteile überwiegen +++ Künstliche Intelligenz +++ Checkpoint-Inhibitoren: Entscheidend ist die Prävention +++ Malignes Melanom: Kombinierte Therapie von Vorteil +++ Adjuvante Tumortherapie +++ Heller Hautkrebs – Prävention und neue Therapie +++ onkoderm e. V.: Lichtschutzberatung für die Praxis

Hautkrebsscreening: Die Vorteile überwiegen

Hautkrebs ist noch immer die häufigste Krebserkrankung mit der größten Steigerungsrate. Pro Jahr nehmen alle Arten um 3–4 % zu. Dass sich die Neuerkrankungsrate in den letzten zehn Jahren in Deutschland auf rund 240 000 Fälle pro Jahr verdoppelt hat, wird auf UV-bedingte Hautschäden durch intensive Sonnenexposition in der Kindheit und Jugend zurückgeführt. Das etablierte Hautkrebsscreening ist zwar erfolgreich, hat sich jedoch durch Corona sehr reduziert. 15–20 % weniger Patienten fanden sich in den Praxen ein, berichtete Prof. Carola Berking (Erlangen). „Wir haben in den Hautkrebszentren deutlich dickere Melanome ­gesehen“, ergänzte der Tagungspräsident Dr. Peter Mohr (Buxtehude).

Zwar würden gegen das Hautkrebsscreening Argumente vorgebracht wie: stiftet Unruhe, stellt einen Eingriff dar, führt zu Überdiagnose und treibt die Kosten hoch, so Prof. Berking, der größte Kostenfaktor im Gesundheitssystem in Australien sei jedoch die Behandlung des hellen Hautkrebses. Deshalb sei das Screening ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre sinnvoll und richtig. Häufiger sollte es bei Risikogruppen geschehen, im Sinne eines „risikoadaptierten Screenings“ für die tägliche Praxis. Ein erhöhtes Hautkrebsrisiko besteht bei vielen Muttermalen und einer Hautkrebs-Vorgeschichte, bei Immunschwäche, im Alter sowie bei ­hellem Hauttyp.

Künstliche Intelligenz

Bei der Erkennung von Hautkrebs werden die größten Fortschritte mit komplexen Kamerasystemen und der Anwendung von künstlicher Intelligenz gemacht, so Dr. Mohr. „Diese neuen Systeme, die an 100 000 verschiedenen Hautveränderungen trainiert werden, sind in ihrer Diagnose inzwischen den meisten Dermatologen überlegen oder zumindest ebenbürtig“. In Zukunft würden diese intelligenten Tools ein zusätzliches Diagnose-Instrument darstellen. Die ersten Systeme seien bereits auf dem Markt, würden aber wegen der Kosten nicht von den Krankenkassen finanziert. Die Nachteile einer Videobeurteilung nach Fotoeinsendung: die Anamnese und Inaugenscheinnahme fehlen, nicht alle Apps sind gut evaluiert, offen bleiben die rechtlichen Konsequenzen eines Softwarefehlers.

Als weitere neue Diagnosemethode gilt die „Liquid Biopsy“, die Untersuchung von aus Tumorzellen abgesonderten DNA-Fragmenten. Zukünftig werde damit eine Routinediagnostik zur Verfügung stehen, mit der sich  Krankheitsaktivität, Tumormasse und Tumorgröße abschätzen ließen. Auch das Krankheitsmonitoring sowie das Nachverfolgen von Therapieansprechen oder -resistenz seien möglich. Neu in der personalisierten Therapie ist die Tumorimpfung durch mRNA-Vakzinierung. Die Behandlung kann eventuell mit Immuncheckpoint-Inhibitoren kombiniert werden.

Checkpoint-Inhibitoren: Entscheidend ist die Prävention

Nach zehn Jahren Immuntherapie lässt sich Positives sagen, so Prof. Berking: Das Langzeitüberleben nach Checkpoint-Inhibition beträgt 6,5 Jahre. ­Damit ist ein Fertilitätserhalt möglich, vor allem wenn die Therapie früh beginnt. Eventuell kann mit der Zulassung eines dritten Checkpoint-Inhibitors in Kombination mit bekannten Blockern gerechnet werden. Nach wie vor wichtig ist die Prävention, denn für helle Hautkrebsarten wird ein Anstieg der Inzidenz um 30 % in fünf Jahren erwartet.

Der Goldstandard in der Behandlung des Basalzellkarzinoms ist die Operation oder Bestrahlung bei lokal fortgeschrittenen Formen. Dann folgt die Inhibition des Hedgehog-Signalwegs durch Tabletten. Die Blockade des Programmed-Cell-Death-Protein-1 (PD-1) durch den Checkpoint-Inhibitor Cemiplimab zeigte eine gute Wirksamkeit bei wenig Neben­wirkungen, auch in der First-Line-Therapie und bei einem inoperablen Plattenepithelkarzinom. Für die Vorstufe des Plattenepithelkarzinoms, der extrem häufigen Aktinischen Keratose, erhielt Tirbanibulin kürzlich die Zulassung zur Flächenbehandlung. Der erste Wirkstoff aus der Klasse der Mikrotubuli-­Hemmer erwies sich als effektiv und sicher.

Malignes Melanom: Kombinierte Therapie von Vorteil

28 000 Neuerkrankungen pro Jahr – das ist die Inzidenz für das maligne Melanom. Kürzlich konnte in einer Phase-III-Studie gezeigt werden, dass die Kombination zweier abgestimmter Wirkstoffe, ­Anti-PD-1 (der Checkpoint-Inhibitor Nivolumab) und Anti-LAG-3 (Relatlimab, ein Antikörper gegen das Lymphozyten-Aktivierungsgen 3), das progressi­ons­freie Überleben signifikant verlängert, und zwar bei Patienten mit zuvor unbehandeltem, metas­ta­sier­tem oder nicht resezierbarem Melanom.

Jüngst wurde ein PD-1-Inhibitor ebenfalls für das metas­tasierte und inoperable Basalzellkarzinom zugelas­sen, wenn dieses nicht auf einen Hedgehog-Inhi­bitor anspricht. Dazu kommen Lokalverfahren wie die Einspritzung von genetisch veränderten Viren oder eine Elektrochemotherapie für lokal metas­tasierte Hautkrebserkrankungen, beispielsweise das ­mali­gne Melanom oder das Plattenepithel­karzinom. Letzteres weist rund 70 000 Neuerkran­kun­gen pro Jahr auf.

Adjuvante Tumortherapie

Eine Option beim Melanom ist die adjuvante Therapie nach kompletter Metastasenresektion. Seit 2018 kann im Stadium III mit PD-1-Antikörpern zielgerichtet therapiert werden, berichtete Prof. Christoffer Gebhardt (Hamburg). Dadurch wird die Aktivität des Immunsystems erhöht und häufig auch die Aktivität gegen das Tumorgewebe. Mit Anti-PD-1 wurde eine 50%ige Reduktion im Wiederauftreten der Erkrankung erreicht. Versucht wird, das auch im Stadium II zu erlangen, um die Patienten vor dem Schritt in das nächste ­Stadium zu bewahren und um die Mortalität zu verringern, so Gebhardt. Die Immuntherapien mit ­Checkpoint-Inhibitoren als „Neoadjuvanzien“ bei ­lokoregionären Metastasen vor einer Operation ­zeigten ein 80%iges Ansprechen

Heller Hautkrebs – Prävention und neue Therapie

Nach jahrzehntelanger Sonnenexposition kann sich eine aktinische Keratose bilden. Davor schützen das Vermeiden von Sonnenlicht und Eincremen. Neu in der Therapie ist der antiproliferative Wirkstoff Tirbanibulin, der in den Zulassungsstudien gut wirksam und verträglich war.

Wenn die UV-Belastung berufsbedingt um mehr als 40 Prozent erhöht ist, ist eine Anerkennung der Sonnenschäden als Berufserkrankung möglich, so Prof. Dr. Eggert Stockfleth (Bochum). Für alle Personen, die beruflich nicht exponiert sind, ist UV-Strahlung ein vermeidbares Karzinogen. Meidet man im Hochsommer zwischen 11 und 16 Uhr die Sonne, können 75 % der schädigenden UV-Strahlen umgangen werden. Zu jeder Zeit wichtig ist der Sonnenschutz, vor allem bei Kindern, die über die Jahre ein kumulatives Risiko für hellen Hautkrebs entwickeln.

In jedem Alter ist ­gewissenhaftes Eincremen nötig, und zwar mit 2 mg Creme pro cm2 Haut, was bei einer Körperoberfläche von 2 m2 20 g Creme bedeutet. Erfahrungsgemäß werden jedoch nur 33 % der Hautoberfläche eingecremt. Neue Erkenntnisse deuten außerdem darauf hin, dass Hautschäden auch durch High Energy Blue Light verursacht werden. Die energiereiche Strahlung führt zur Bildung von freien Radikalen und zur Zelloxidation, wodurch sich das Risiko für Mutationen in den Schlüsselgenen erhöht.

Tirbanibulin: Clearance in 44–54 %

Die Aktinische Keratose (AK), die Vorform des Plattenepithelkarzinoms, wird operativ, mit einem CO2-Laser oder mittels photodynamischer Therapie mit Metvix Creme behandelt. Letztere besitzt zwar einen hohen Evidenzlevel, induziert aber Schmerzen. Neu in der Therapie ist seit Juli 2021 Tirbanibulin Salbe 1 % bei Aktinischer Keratose im Gesicht oder auf der Kopfhaut. Der Wirkstoff hemmt die Tubulinpolymerisation, was den Zellzyklus stoppt und eine Apoptose in den proliferierenden Zellen induziert. So wird eine antitumorale Wirkung erreicht. Die Salbe wird einmal täglich über fünf Tage auf einer Fläche von maximal 25 cm2 aufgetragen – das ist patientenfreundlich und gut durchführbar. Die beiden Phase-III-Studien zu Wirksamkeit und Sicherheit wurden im New England Journal of Medicine zusammengefasst [1]. Das Ergebnis: In 44–54 % kam es zu einer vollständigen Clearance und in ungefähr 80 % zu einer ­Abnahme der Läsionszahl, bei insgesamt guter ­Verträglichkeit.

Während der einjährigen Nachbeobachtungszeit entwickelten 124 der 174 Patienten, die eine vollständige Clearance an Tag 57 gezeigt hatten, mehr als eine Läsion im Anwendungs­bereich. Von diesen hatten 72 (58 %) rezidivierende und 52 (42 %) neu entstandene AK-Läsionen. Tirbanibulin wurde auch in den Algorithmus bei Feldkanzerisierung aufgenommen, und zwar bei Vielfach-Läsionen, für die eine läsions- und feldgerichtete ­Therapie empfohlen wird. Einzelne Läsionen und die Hautumgebung werden klassisch behandelt. Vielfach-Läsionen sollten zweimal im Jahr untersucht werden, so Stockfleth, Einzelläsionen jährlich.

Weitere Informationen zu Tirbanibulin und seinem genauen Wirkmechanismus sowie Details zur Durchführung der beiden Phase-III-Studien [1] können auch auf den Seiten 16 und 17 in dieser Ausgabe nach­gelesen werden.

1) Blauvelt A et al., Phase 3 trials of tirbanibulin ointment for actinic keratosis. N Engl J Med 2021; 384: 512–520
Industriesymposium „NMSC – Status quo und Perspektiven“ (Veranstalter: Almirall GmbH)

onkoderm e. V.: Lichtschutzberatung für die Praxis

Die Früherkennung und Vorbeugung von Hautkrebs bleiben weiterhin wichtige Aufgaben für Hautärzte in der täglichen Praxis. Moderne Methoden der nicht invasiven Diagnostik und die neuen Leitlinien für die evidenzbasierte und strukturierte Lichtschutzberatung können hierbei helfen.

Eine kurze Übersicht über neue Entwicklungen in der nicht invasiven Diagnostik melanozytärer Läsionen bot Prof. Dr. Hjalmar Kurzen vom Haut- und Laserzentrum Freising. Das Grundproblem bestehe darin, dass ein Drittel der Melanome auf vorbestehenden Naevi und zwei Drittel de novo entstünden und bei der Diagnostik Melanome keinesfalls übersehen werden dürften (Frage der Sensitivität eines Verfahrens) bzw. gleichzeitig unnötige Exzisionen zu vermeiden seien (Frage der Spezifität). Gleichzeitig solle sich die Diagnostik zeit- und ­kosteneffizient darstellen, wofür es etliche neue Tools in der Melanomdiagnostik gebe.

So stehe beim Screening die sequenzielle Videodermatoskopie als deutlich qualitätsverbessertes Verfahren zur Verfügung. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) oder neuronalen Netzwerken (CNN) könnten Sensitivität und Spezifität bei der Mustererkennung insgesamt wesentlich optimiert werden. Das lückenlose Ganzkörperscreening erscheine in Corona-Zeiten zwar attraktiv (Abstandhalten gut möglich), sei jedoch derzeit noch sehr ­teuer und zeitaufwendig. Bei der Einzelläsionsanalyse ­erlaube die In-vivo-Mikro­skopie eine höhere Auflösung bis auf die zelluläre Ebene, so Kurzen. Die Laser-Scan-Mikroskopie (LSM) und die konfokale Line-Field-optische-Kohärenztomographie (LC-OCT) böten zwar eine großartige zelluläre Auflösung und erhöhte Eindringtiefe, seien aber teuer und schwierig zu erlernen. Die elektrische Impedanzspektroskopie sei in Deutschland dagegen bereits etabliert.

Beim Thema Lichtschutzberatung ging Dr. Hans­peter Prieur (Duisburg) auf die im März dieses ­Jahres aktualisiert herausgegebene S3-Leitlinie zur Prävention von Hautkrebs ein. Auch die onkoderm-­Arbeitsgruppe „Lichtschutz“ hat eine praxisnahe, strukturierte und standardisierte Lichtschutz­­­­beratungs-Leit­linie aufgelegt – mit allen für die Patientenberatung wesentlichen Aspekten. Die 12-seitige Broschüre kann kostenfrei als PDF unter www.­onkoderm.de/ heruntergeladen werden. Mit ihrer knappen und ver­ständ­lichen Darstellung ist sie bestens geeignet, um im Beratungsgespräch alle wesentlichen Sachverhalte zu individuellem ­Risiko und UV-Exposition textlich und grafisch zu verdeutlichen.

Prieur betonte, dass bei der Risikobewertung auch besondere Bedingungen berücksichtigt werden müssten, wie das Vorliegen solitärer aktinischer Keratosen (erhöhtes Risiko), photoaggravierter Dermatosen (stark erhöhtes Risiko) oder einer immunsuppressiven Dauer­medikation (sehr stark erhöhtes Risiko). Das 4-Stufen-Lichtschutz­modell von onkoderm basiert daher auf vier wesentlichen Schutzmaßnahmen: Verhaltensregeln, textilem Lichtschutz, topischem Lichtschutz und oralem Lichtschutz (inkl. Polypodium leucotomos-Extrakten und Nicotinamid).

1) S3-Leitlinie „Prävention von Hautkrebs“, März 2021 (AWMF-Nr. 032/052OL)
2) Dirschka T et al., Standardisierter Lichtschutz – Das onkoderm-4-Stufen-Lichtschutzmodell. onkoderm e. V. 2020
Symposium „Onkoderm e. V. meets ADO“ (Veranstalter: Onkoderm e. V.)

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