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Dermatologie

Interview Neoadjuvanz weiter auf dem Vormarsch PAD 03/25

ASCO-Kongress

Dr. med. Christine Adderson-Kisser

20.8.2025

Von Ergebnissen, die zu neuen Zulassungen und Therapiestandards beim Plattenepithelkarzinom führen, bis hin zum unerwarteten Versagen einer adjuvant applizierten Anti-PD-1/LAG3-Kombination beim Melanom – der größte onkologische Kongress der USA bot erneut die aktuellsten internationalen News zum Thema Hautkrebs.

Prof. Dr. med. Axel Hauschild
medermis Kiel GmbH sowie
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Sie kommen gerade vom ASCO-­Kongress in Chicago zurück, wie hat es Ihnen gefallen?

Nun, ich war bereits 33-mal bei diesem größten onkologischen Kongress in den USA. In Bezug auf das Netzwerken gibt es einfach keine bessere Veranstaltung als den ASCO-Kongress. Alle führenden Personen in den einzelnen Tumorentitäten, aber auch die forschende Industrie sind dort vertreten, die Teilnehmerzahl ist mit mehr als 42 000 wirklich beeindruckend. Logistisch ist die Organisation dieser Großveranstaltung eine Meisterleistung.

Was gab es Neues beim Hautkrebs?

Das unbestrittene Highlight war die Zulassungsstudie zur adjuvanten Behandlung mit dem PD-1-Antikörper Cemiplimab bei Hochrisiko-Plattenepithelkarzinomen. Da es bisher keinen therapeutischen Standard – abgesehen von der adjuvanten Strahlentherapie – gibt, wurde hier eine placebokontrollierte Studie bei 412 Erkrankten durchgeführt. Der primäre Studienendpunkt, das rezidivfreie Überleben, konnte durch Cemiplimab um 68 % verbessert werden (Hazard Ratio 0,32) und dieses herausragende Ergebnis zeigte sich auch in allen Subgruppenanalysen. Am Tag der Vorstellung der Ergebnisse als Vortrag erschien parallel auch ein Manuskript im New England Journal of Medicine (Danny Rischin et al., NEJM 2025). Aufgrund der Ergebnisse ist davon auszugehen, dass wir hier einen neuen Therapiestandard haben, der sich natürlich auch in den Leitlinien wiederfinden muss und sicherlich innerhalb von 6 bis 9 Monaten zu einer Zulassung auch in Europa führen sollte. Die Cemiplimab-Therapie wurde genauso gut wie bei den fortgeschrittenen kutanen Plattenepithelkarzinomen vertragen, sodass es hier keine Altersbeschränkungen geben dürfte.

Gab es bei den nicht melanozytären Hauttumoren noch andere gute Ergebnisse?

Ja, es gab mehr Abstracts denn je, die sich mit diesen extrem häufigen Hauttumoren beschäftigten. Naturgemäß steht auf dem ASCO-Kongress die systemische Therapie im Vordergrund und aus diesem Grunde möchte ich hier eine Phase-II-Studie zur neoadjuvanten Therapie mit Lenvatinib, einem Angiogenese-Inhibitor, und Pembrolizumab, einem PD-1-Inhibitor, beim Merkelzell-Karzinom beispielhaft erwähnen. Durch eine nur kurzfristige Therapie über 6 Wochen konnte bei den 26 behandelten Patientinnen und Patienten eine pathologisch bestätigte komplette Remissionsrate von 57,7 % erreicht werden. Das bedeutet, dass nach nur zwei Therapiezyklen kein Tumor mehr nachweisbar war. Allerdings traten die bekannten, z. T. auch etwas schwereren Nebenwirkungen von Lenvatinib, die aber nicht lebensbedrohlich waren, auf – hier ist insbesondere der Hypertonus zu nennen. Ich gehe davon aus, dass aufgrund dieser Daten – wie auch schon bei den anderen Hauttumoren – auch die neoadjuvante Therapie beim Merkelzell-Karzinom propagiert werden kann und Eingang in unsere Leitlinien finden könnte. Insgesamt überwogen bei diesem ASCO-Kongress die Vorstellungen der neoadjuvanten Studien, d. h. die systemische Therapie vor einer Operation. Insbesondere beim Melanom ist ein Ende dieser Entwicklung gar nicht abzusehen.

Und damit wären wir direkt beim Melanom, was gab es hier Neues?

Erwähnt wurde von mir bereits die Flut von neoadjuvanten Vorträgen mit allerdings z. T. recht kleinen Patientenzahlen, sodass ich sie „Pilotstudien“ nennen würde. Am spannendsten fand ich hier die nur einmalige Gabe von Ipilimumab (3 mg/kg KG) in Kombination mit Nivolumab (1 mg/kg KG) beim resezierbaren, lokal fortgeschrittenen Melanom. Die systemische Therapie wurde 4 Wochen vor der Operation verabreicht und bei den 19 so behandelten Personen konnte ein herausragendes Ansprechen (major pathologic response; MPR) bei 53 % beobachtet werden. Damit bewegen sich diese Ergebnisse im Rahmen der im vergangenen Jahr vorgestellten NADINA-Studie, die das damalige Kongress-Highlight darstellte. Hier werden aber zwei Zyklen verabreicht, die mit erheblich mehr Toxizität einhergingen. Die Zahl der schwereren Nebenwirkungen betrug bei der nur einmaligen Gabe nur 11 %. Diese Studie ist ein Beispiel für die Möglichkeit einer direkten Umsetzung auch in unseren deutschen Hauttumorzentren, wenn nur nicht das leidige Thema der fehlenden Zulassung für diese Indikation existent bliebe.

Was gab es denn in der adjuvanten Therapie an Neuigkeiten beim Melanom?

Leider gibt es hier über zwei Studien nicht nur Positives zu berichten. Die eine Studie (COLUMBUS-AD) zeigte in Bezug auf das krankheitsfreie Überleben eine deutlich bessere Wirksamkeit von Encorafenib und Binimetinib (BRAF-/MEK-Inhibitoren) im Vergleich zum Placebo bei Personen im AJCC-Tumor­stadium IIB/C. In dieser Indikation gibt es bisher keine zugelassenen targeted therapies. Tolles Ergebnis, aber diese Studie wurde nach der Rekrutierung von nur 150 Personen abgebrochen, da sie immer langsamer rekrutiert hatte. Der Grund hierfür lag in der zwischenzeitlichen Zulassung der PD-1-Antikörper für diese Indikation, sodass ein Placebo-Kontrollarm hier nicht länger vertretbar war. Der Studiensponsor hat sich daher entschlossen, die Studie komplett zu schließen, sodass wir keine Konsequenzen aus diesen guten Ergebnissen ableiten können. Leider, leider fehlt damit im Stadium IIB/C eine therapeutische Alternative zu den beiden zugelassenen PD-1-­Antikörpern.

Die größte Enttäuschung wurde von Prof. Georgina Long aus Sydney vorgestellt. Die sogenannte Zulassungsstudie RELATIVITY-098 zu Nivolumab und Relatlimab (PD-1-/LAG3-Antikörper) zeigte für den primären Endpunkt, das rezidivfreie Überleben, und auch für den sekundären Endpunkt, das fernmetas­tasenfreie Überleben, keinerlei Vorteile gegenüber einer Standardtherapie mit Nivolumab. Die Kombinationstherapie war aber deutlich toxischer. Aufgrund dieser Ergebnisse wird natürlich kein Zulassungsantrag gestellt und man muss die Frage offen diskutieren, ob eine zweite Zulassungsstudie mit einem sehr ähnlichen Design (HARMONY-2055) zu Cemiplimab und Fianlimab ein ähnliches Schicksal erleiden wird, wenn die ersten Ergebnisse im kommenden Jahr vorgestellt werden.

Georgina Long diskutierte nämlich, dass bei der translationalen Begleitstudie beobachtet wurde, dass LAG3-Antikörper offensichtlich die Präsenz von Tumorzellen benötigen, um wirken zu können. In der adjuvanten Situation nach vollständiger Operation von Tumoren liegen ja nur noch Mikrometastasen vor, die vielleicht nicht ausreichen, um eine antitumorale Immunantwort durch LAG3-Inhibitoren zu bewirken. Dies zeigten die Ergebnisse einer vergleichenden Studie zu Patientinnen und Patienten mit Fernmetastasen, wo dies gut gelang. Sollten diese Unterschiede wirklich uneingeschränkt richtig sein, könnte von einer Kombination aus einem PD-1- und LAG3-Antikörper in der adjuvanten Situation kein therapeutischer Benefit zu erwarten sein, und zwei große Studien mit insgesamt fast 3 000 Personen wären umsonst durchgeführt worden. Es bleibt zu hoffen, dass der andere LAG3-Antikörper (Fianlimab) – in deutlich höherer Dosierung appliziert – biologisch distinkte Wirkungen entfalten kann.

Gab es abgesehen von diesen ganzen ­Studien auch noch andere interessante Ergebnisse in Chicago?

Auf jeden Fall. Hier möchte ich beispielhaft eine Studie erwähnen, die sicherlich noch viel interdisziplinär diskutiert werden wird: die „DIET-Studie“. Es handelt sich um eine randomisierte Phase-II-Studie, bei der im Zusammenhang mit einer neoadjuvanten oder auch palliativen Immuncheckpoint-Blockade über 3 Monate hinweg entweder eine hoch ballaststoffreiche Ernährung („Diät“) oder Normalkost verabreicht wurde. Randomisiert wurden 48 Personen, die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 22,6 Monate. Für alle Effizienzparameter (Remissionsrate, krankheits-/ereignisfreies Überleben) zeigten sich Vorteile für diejenigen, die eine standardisierte ballaststoffreiche Kost eingenommen hatten. Insofern könnten hier vielleicht bereits zum jetzigen Zeitpunkt Empfehlungen zu einer gesünderen Ernährung Auswirkungen auf die Effizienz der Immuncheckpoint-Blockade nicht nur beim Melanom haben. Ob sich die verheißungsvollen Ergebnisse dieser Studie aber generalisieren lassen, soll eine geplante große Phase-III-Studie nachweisen.

Was ist Ihr Fazit zum ASCO-Kongress 2025 in Chicago?

Mein Fazit ist, dass es sich wirklich lohnt, die weite Reise nach Chicago auf sich zu nehmen oder zumindest virtuell an diesem Kongress teilzunehmen, der so viele Neuigkeiten, gebündelt an wenigen Tagen, bietet. Es ist faszinierend zu sehen, wie viele Studien gerade beim Melanom, aber nunmehr auch bei anderen Hauttumoren durchgeführt und zeitgleich oder nachfolgend publiziert werden. Verglichen mit den Ergebnissen vor dem Jahr 2010 können wir wirklich von einer therapeutischen Revolution in der Therapie von Hautkrebs sprechen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass es zukünftig genauso weitergehen wird. Wünschenswert wären allenfalls mehr Präsentationen aus den deutschen Hauttumorzentren.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

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