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Gynäkologie

Interview

Myomtherapie in der Praxis

23.6.2023

Mit der GnRH-Antagonisten-Kombinationstherapie steht eine neue Therapieoption für Myompatientinnen zur Verfügung. Trotzdem können auch operative Verfahren und Off-Label-Therapien durchaus noch ihre Berechtigung haben. Wir sprechen mit Dr. med. Jens-Olaf Schmeißer über seine Erfahrungen.

Herr Dr. Schmeißer, der Uterus myomatosus gilt als häufigste benigne Erkrankung der Frau. Wie häufig sehen Sie Myompatientinnen in Ihrer Praxis?

Also tatsächlich sehr häufig. Ich liege mit meinen Patientenzahlen ungefähr im Durchschnitt der Daten von Herrn Arendt und Frau Foth aus 2017, dass man bei ungefähr knapp 50 % aller Patientinnen Myome findet, wenn man danach sucht.

Trifft das Frauen jeden Alters oder gibt es eine typische Altersgruppe?

Hauptaltersgruppe sind die 46- bis 50-Jährigen mit ­ungefähr 65 % der Patienten und ungefähr in dieser Häufigkeit sehe ich das auch. Da ich intensiv Ultraschall mache, liege ich vielleicht sogar ein bisschen über dem Durchschnitt der Frauenärzte in Deutschland. Aber die Zahlen kann ich im Prinzip bestätigen.

Was sind für Sie die Indikationen für eine Ultraschalluntersuchung?

Jede Art von Beschwerden. Wir haben ja mit dem Ultraschall das kleine Problem, dass es eine budgetierte, gedeckelte Leistung ist und wir als Frauenärzte sehr sorgfältig aussuchen müssen, welche ­Patientinnen wir im Rahmen einer Krankenkassenvergütung untersuchen und welchen wir das als IGe-Leistung anbieten müssen. Wenn eine Frau mit neu aufgetretenen starken Blutungsbeschwerden, Unterbauchbeschwerden, Druckgefühlen im Bauch, Schmerzen beim Sex etc. in die Praxis kommt, ist das für mich natürlich eine Kassenleistung. Und dann sollte auf jeden Fall auch immer der Ultraschall gemacht werden.

Wir wissen aber auch, dass es eine ganze Reihe von Patienten gibt, die überhaupt keine Beschwerden haben. Und die erfassen wir tatsächlich nur im Rahmen der IGeL-Ultraschalluntersuchungen. Ich biete Ultraschall nicht nur zur Früherkennung von Karzinom, Erkrankungen der Eierstöcke und der Gebärmutter an, sondern auch zur Früherkennung von gutartigen Veränderungen wie Polypen, Zysten etc. Letztendlich möchte ich, dass es bei jeder Patientin gemacht wird.

Welche Differenzialdiagnosen sind zu bedenken?

Das hängt ein bisschen von der Lage ab. Wenn ich ein intracavitäres Myom habe, muss man an Polypen und an Schleimhauthyperplasien denken. Man muss aber bei allen Myomen natürlich auch an Sarkome denken, die mit einer Inzidenz unter 1 : 100 000 zwar sehr selten sind, aber nicht ausgeschlossen. Und schon zweimal in meinen Berufsjahren habe ich intramurale Schwangerschaften gesehen. Auch selten, aber wenn der Schwangerschaftstest positiv ist und dieser kleine dunkle Herd im Myometrium wächst, dann muss man auch an die Schwangerschaft denken. Aber in erster Linie bleibt es bei der Adenomyose, bei den Polypen und bei den Sarkomen.

Sollten alle Frauen mit Myomen therapiert werden?

Nein, bei Weitem nicht. Ungefähr die Hälfte der Frauen mit Myomen haben Beschwerden. Die erwarten eine Therapie. Bei den Frauen ohne Beschwerden hängt es auch von der Wachstumsgeschwindigkeit ab. Wenn ich jetzt eine Frau habe, deren Myom innerhalb eines Jahres um 1–2 cm wächst und sie ist Mitte 30, dann kann man sich vorstellen, wie groß das Myom dann mit 50 sein würde. Um hier nicht den Sprung zur operativen Therapie zu verpassen, sollte natürlich auch bei den beschwerdefreien Patientinnen mit schnell wachsendem Myom über eine Therapie nachgedacht werden, aber ansonsten hauptsächlich die Frauen, die Beschwerden haben. Eine Frau, die ein langsam oder nicht wachsendes Myom hat und keine Beschwerden, braucht auch keine Therapie.

Wie häufig ist Kinderwunsch ein Thema bei Ihren Myompatientinnen?

Es geht noch, aber es wird zunehmend mehr. Noch vor zehn Jahren war das Durchschnittsalter für das erste Kind 29, jetzt liegen wir bei ungefähr 31, also in zehn Jahren ist es um zwei Jahre nach hinten gerutscht. In diesen zwei Jahren können natürlich auch Myome eine stärkere Rolle spielen, weil sie einfach häufiger nachweisbar sind. Und mit etwas Sorge beobachte ich die zunehmende Ablehnung von ­hormoneller Kontrazeption. Wir wissen ja, dass bei vielen Patientinnen mit einer hormonellen Kontrazeption ein gewisses Dämpfen des Wachstums der Myome einhergeht. Das ist nicht bei jeder Frau so, aber bei vielen schon, und ich denke, auch da werden wir über die ­Jahre eine Zunahme sehen.

Welche Auswirkungen haben hier die vielen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin?

Da kommen genau die Probleme auf uns zu, die wir gerade angesprochen haben: das zunehmende ­Alter beim ersten Kinderwunsch, die immer häufigere Adipositas und auch die Myome. Oft ist schon die Follikelpunktion problematisch. Wenn ein Myom da im Weg ist, kann man ja nicht einfach durchstechen, sondern man muss es dann irgendwie mühevoll beiseiteschieben oder den Eierstock sich so hinschieben, dass man mit der Nadel da gut reinkommt. Und wenn die Frau endlich schwanger ist, wissen wir, dass bei Myomen die Abortrate leicht erhöht sein kann. Und dann kommt noch dazu, dass bei voroperierten Frauen der Uterus oft Vernarbungen zeigt, welche die reproduktiven Leistungen dieser Frau deutlich einschränken können. Es ist nicht so ganz einfach.

Die Hysterektomie galt jahrzehntelang als Standardtherapie. Wie sieht das denn heute aus?

Die ist nach wie vor nicht wegzudenken. Es gibt eine ganze Reihe von Frauen, die eher von der Hysterektomie profitieren als von konservativen Behandlungsansätzen. Aber konservativ geht immer vor operativ, es sei denn, es gibt Gründe, die zu einer schnellen Operationsentscheidung drängen, wie Sarkomverdacht, oder dass wir keine Zeit haben bei Patienten mit einer massiven Blutung und submukösen Myomen, wobei die mit nur 6 % aller Fälle eher selten sind.

Es ist also eher die Ausnahme, dass man da operativ tätig werden muss. Neben der Lage ist der Wunsch der Patientin entscheidend und es gibt durchaus Frauen, die mit einer Hysterektomie glücklicher sind als mit allen anderen Behandlungs­methoden. Die fühlen sich fast erleichtert, weil sie sich über Blutungen und Myomwachstum keine Gedanken mehr machen müssen.

Es gibt auf der anderen Seite natürlich auch Frauen, für die der Uterus ein, sagen wir mal ein wichtiges Organ ist, auch wenn kein Kinderwunsch vorhanden ist, weil sie damit auch ein bisschen ihr Frausein ­definieren. Für diese Frauen wäre die Hysterektomie der absolute GAU. Also man muss sehr in die Patientin hineinhören, aber ich würde niemals die ­Hysterektomie ausschließen, weil viele Frauen davon profitieren.

 

Kommen wir zur medikamentösen Therapie, die Sie ja selbst durch­führen. Für welche Patientinnen sind sie besonders geeignet?

Die, die es wollen und die dafür geeignet sind. Wir haben ja immer noch nur ein Präparat, ein zweites ist unmittelbar vor der Zulassung. Und es ist wie bei der Hysterektomie: Für einige Patientinnen ist es überhaupt nicht schlimm, täglich eine Tablette zu nehmen und damit ihre Beschwerden in den Griff zu bekommen. Und für andere ist es wieder die Katastrophe: Ich soll jetzt jeden Tag eine Tablette nehmen und da sind auch noch Hormone drin?

Ich habe sehr gute Erfahrung mit den medikamentösen Therapien gemacht, weil sehr viele Frauen diese sehr gut vertragen. Ich habe weit über 100 Frauen behandelt und vielleicht fünf oder sechs sind damit nicht zurechtgekommen. Das ist eine sehr gute Rate und wahrscheinlich biete ich das deswegen mittlerweile auch etwas aktiver an.

Außer den zugelassenen werden ja auch andere Präparate off-label eingesetzt. Macht das heute noch Sinn?

Ja, es ist einfach die Realität. Wenn eine Frau mit einer starken Regelblutung kommt, wird man wahrscheinlich erst mal ein hormonelles Kontrazeptivum anbieten. Wir wissen, dass wir damit manchmal einen positiven Einfluss auf das Wachstum haben, manchmal nicht und manchmal sogar das Wachstum fördern können. Das ist nicht berechenbar, man kann es aber ausprobieren. Was wir damit ja häufig ganz gut im Griff bekommen, ist das Blutungsverhalten. Die Frau denkt, ich habe zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Kontrazeption sicher und mein Blutungsverhalten günstig beeinflusst. Dann sollte man nach einem halben Jahr noch mal schauen, ob das Myom weiter wächst – wenn ja, ist das wahrscheinlich nicht die optimale Alternative.

Was ich nach wie vor gerne einsetze, sind Intrauterin-Systeme mit Levonorgestrel, und zwar die beiden mit der etwas höheren Dosierung. Das geht aber nur bei den Frauen, wo das Myom nicht Kontakt zum Cavum uteri hat. Also sobald da auch nur andeutungsweise ein submuköses Myom ist, würde ich das nicht machen. Diese Patientinnen sollten operiert oder mit anderen Behandlungsmethoden therapiert werden.

In der Praxis gilt immer das Wirtschaftlichkeitsgebot. Muss man bei der Verordnung von relativ hochpreisigen Medikamenten womöglich mit Überprüfungen oder gar Regressen rechnen?

Also ich kann da aus der eigenen Erfahrung heraus mit einem Nein antworten. Und Sie haben das sehr schön formuliert: es ist relativ hochpreisig. Es ist jetzt nichts, was sofort in irgendeinem Prüfungsgremium bei den Krankenkassen alle Alarmglocken klingeln lässt. Es ist kein onkologische Präparat, was eine vierstellige Summe pro Monat verschlingt, sondern eine dreistellige Euro-Summe im Quartal. Es gibt ja Gott sei Dank auch wirtschaftliche Gegenrechnungen. Was kostet eine Hysterektomie? Egal über welche Methode, ob vaginal, abdominal oder laparoskopisch, das ist im mittleren vierstelligen Bereich.

Es muss eine Trias vorhanden sein – die Patientin und zwei Diagnosen: das Myom als Diagnose und die Beschwerden des Myoms, also Unterbauch­beschwerden, Hypermenorrhoe, Dysmenorrhoe oder Ähnliches. Und dann sollte es ein zugelassenes ­Präparat sein. Und wenn dieses zugelassene ­Präparat das einzige ist, dann hat man überhaupt ­keine Sorgen vor einer Regressforderung oder vor irgendwelchen Wirtschaftlichkeitsproblemen. Wenn es natürlich mehrere Präparate gibt und man ­verordnet immer nur das teuerste, kann es durchaus mal passieren, dass man das dann auch ­begründen muss.

Herr Dr. Schmeißer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Eine erweiterte Audio-Version des Interviews mit Dr. Schmeißer finden Sie HIER

Wenderlein M, Stolz D
Sectio caesarea Gegenüberstellung von Nutzen und Risiken

Springer Verlag 2023
ISBN: 978-3-662-66263-2
Preis: 14,99 Euro

Was ist zu tun, wenn eine Schwangere mit regelmäßigen Wehen um den Geburtstermin in den Kreißsaal kommt und eine Sectio will? Wunsch-Sectio als Indikation bedeutet, dass Krankenkassen diese Leistung nicht übernehmen.

Dieser Geburtsmodus kostet ca. 1.000 Euro mehr als eine vaginale Geburt. Oft wird Furcht vor Beckenbodenschäden durch vaginale Geburt als Grund angegeben. Das ist berechtigt bei 1 : 1-Risiko.

Harninkontinenz nach vaginaler Geburt ist ein weitverbreitetes Tabu. Dazu gibt es viele große Studien, die in der Monografie referiert werden. So ist Depression infolge Harninkontinenz häufig und bewirkt nach ­vaginaler Geburt belastete Partnerbeziehung und reduzierte Leistungsfähigkeit bei wieder begonnener Berufstätigkeit. Kommt soziale Isolation hinzu, kann das die Lebenserwartung um Jahre reduzieren. Will eine Schwangere die Sectio, dann regt die Monografie zur Klärung der Gründe an und macht Absolut-Angaben für die Sectio-Beratung. mw

Im Interview

Dr. med. Jens-Olaf Schmeißer
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
18311 Ribnitz-Damgarten

gynpraxis.dr.schmeisser@freenet.de

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