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Dermatologie

Dermatoonkologie

ESMO 2023 – Die aktuellsten Daten aus Europa

Dr. med. Christine Adderson-Kisser

27.2.2024

Auf dem ESMO 2023 in Madrid, dem größten europäischen Krebskongress, wurden im Oktober eine Vielzahl an Studien-Updates mit Nachbeobachtungszeiten von bis zu 7 Jahren präsentiert. Prof. Dr. med. Dirk Schadendorf (Essen) fasste im Interview die neuesten Erkenntnisse zu Melanom & Co zusammen.

Welche interessanten Langzeitdaten wurden auf dem ESMO präsentiert?

Zum Themenkomplex „Hirnmetastasen beim Melanom“ gab es Follow-up(FU)-Daten einer italienischen Studie, die über 7 Jahre reichen. Verglichen wurden die klassische Chemotherapie mit Fotemustin und die kombinierte Gabe von Nivolumab und Ipilimumab, die wir heute bei Hirnmetastasen einsetzen. Trotz kleiner Fallzahlen von 25 bis 30 Personen pro Studienarm sind die Ergebnisse aufgrund der langen Nachbeobachtungsdauer doch sehr spannend: denn nach 7 Jahren lebten unter den mit Nivolumab/Ipilimumab Behandelten noch 40 %. Das wäre vor 10 Jahren bei Patienten mit Hirnmetastasen undenkbar gewesen. Auch andere Studien (mit kürzerem FU) belegen, dass eine Checkpoint-Blockade in Erstlinie das Auftreten von Hirnmetastasen bei einem Teil der Patienten im Verlauf verzögert oder verhindert.

Zu welchen Aspekten des malignen Melanoms gab es noch nennenswerte Daten?

Im Stadium III, also bei Lymphknoten-Metastasierung, gibt es jetzt zunehmend Studienkonzepte zur neoadjuvanten oder perioperativen Therapie. Dabei wird der Tumor zunächst belassen und für 6 bis 12 Wochen mit einer Checkpoint-Blockade oder dualen Checkpoint-Blockade (CTLA-4- plus PD-1-Blockade, z. B. Ipilimumab/Nivolumab) vorbehandelt. Bei der klassischen Neoadjuvanz ist die systemische Therapie damit beendet, bei der perioperativen Therapie wird im Anschluss an die OP weiterbehandelt – meist für 10 bis 12 Monate. In einer größeren Studie von Sapna Patel und Kollegen [1] mit über 300 Patienten haben wir nun gesehen, dass eine perioperative Therapie mit Pembrolizumab die Rezidivrate nach 2 Jahren um etwa 25 % reduzieren kann. Das hat schon einen gewissen Enthusiasmus ausgelöst, würde ich sagen.

Die Frage, die sich nun allerdings stellt und die viel auf dem ESMO diskutiert wurde, ist jetzt, wie wir den Erfolg der Neoadjuvanz beurteilen können. Muss der Lymphknoten pathologisch untersucht werden oder reicht ein konventionelles Staging mittels CT? Von Letzterem wissen wir leider, dass wir den Behandlungserfolg, also die Frage nach einem kompletten Ansprechen, in der Regel deutlich unterschätzen, da nach einer solch kurzen Behandlungs­dauer der Befund im besten Fall geschrumpft, aber nicht verschwunden ist. Die pathologische Beurteilung der Lymphknoten ist zwar genauer, aber natürlich mit Aufwand und OP-Risiken verbunden.

Spielt das Thema Neoadjuvanz auch bei anderen Tumorentitäten eine Rolle?

Ja, auch für das Plattenepithelkarzinom der Haut (PEK) gab es die 1-Jahres-Follow-up-Daten einer neoadjuvanten Studie zu Cemiplimab beim fortgeschrittenen PEK, die letztes Jahr im New England Journal publiziert worden war [2,3]. Nach neoadjuvanter Gabe von Cemiplimab war es den Behandelnden im Verlauf freigestellt, ob die Therapie damit beendet war (klassische Neoadjuanz), ob nachbestrahlt oder Cemiplimab im Sinne einer perioperativen Therapie fortgeführt wurde. Auch wenn es für eine wirkliche Konklusion aus den Daten noch zu früh ist, ist die Nachricht, dass bei den nicht weiter behandelten Patienten – und das war der Großteil – keine Rezidive während der einjährigen Nachbeobachtung aufgetreten sind, natürlich eine gute. Denn über 80 % derer mit fortgeschrittenem PEK dürften älter als 75 Jahre sein und bringen meist noch Komorbiditäten mit, daher wären eine kurze Behandlungs- und somit Krankenhausaufenthaltsdauer mit möglichst langfristigem Effekt äußerst wünschenswert. Und diese Studie deutet darauf hin, dass wir auf diesem Weg einen nächsten Schritt gemacht haben – auch wenn wir natürlich erst noch Daten aus längeren Nachbeobachtungszeiträumen brauchen.

Gab es auch neue therapeutische Ansätze, die vorgestellt wurden?

Beim Uveamelanom mit Lebermetastasen gibt es tatsächlich eine Neuzulassung: das bispezifische Protein Tebentafusp. Dieses neue Molekül wirkt ebenfalls immunologisch, aber mit einem anderen Wirkmechanismus als die Checkpoint-Inhibitoren, denn es bildet quasi eine Brücke zwischen dem Gewebemerkmal HLA-A*02:01, das sich bei 50 % der Mitteleuropäer findet, und dem Tumorantigen GP-100. Auch hierzu gab es ein Update der bestehenden Studiendaten [4].

Stichwort Biomarker: Wo stehen wir da aktuell? Gibt es schon welche im Routineeinsatz?

Generell ist ja die große Frage: „Wie monitoriere ich Patienten unter Behandlung?“ Hier hat sich, ebenfalls beim Uveamelanom, gezeigt, dass der Behandlungserfolg der Patienten gut mit dem Absinken der im Blut nachweisbaren ctDNA-Moleküle korreliert – die Liquid biopsy also eine durchaus vielversprechende Methode darstellt, wenn auch vorerst nicht standardmäßig in der Routineversorgung, sondern eher im Stadium des Experimentellen. Ein Problem ist natürlich noch die Abrechenbarkeit. In Universitätskliniken wird diese Art der Diagnostik aber für Privatzahler durchaus angeboten und auch wahrgenommen.

Auch interessant und schon eher an der Schwelle zum Routineeinsatz sind die Gen-Signaturen und immunologischen Signaturen, die zur Risikostratifizierung von primären Tumoren verwendet werden. Man muss aber ganz klar sagen: Auch wenn das Ganze in größeren retrospektiven Kohorten analysiert wurde und wir gesehen haben, dass es funktioniert, gibt es aktuell noch keine prospektive Überprüfung in Studien. Und es bleibt weiter die Frage: Welche Konsequenzen ziehe ich aus den Ergebnissen? Dieses Dilemma wird uns wohl noch ein paar Jahre begleiten, bis Studiendaten dazu vorliegen.

Im Gespräch

Prof. Dr. med. Dirk Schadendorf
Direktor der Klinik für Dermatologie, WTZ, DKTK, (NCT-)West
Universitätsklinikum Essen

dirk.schadendorf@uk-essen.de

1 Patel et al., N Engl J Med 2023; 388: 813­–23
2 Gross et al., N Engl J Med 2022; 387: 1557–68
3 Gross ND et al., Lancet Oncol 2023; 24: 1196–205
4 Hassel et al., N Engl J Med 2023; 389: 2256–66

Bildnachweis: privat

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