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Allgemeinmedizin

Herzinsuffizienz im Alter

Therapie mit Augenmaß

Dr. med. Tobias Daniel Trippel, Univ. Prof. Dr. med. Carsten Tschöpe

Im Verlaufe eines Lebens schlägt das Herz eines Menschen etwas mehr als drei Milliarden Mal. Natürlich läuft der alternde Mensch da Gefahr, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln. Sollte dem nicht entgegengesteuert werden können, steht eine breite Palette an Therapieoptionen zur Verfügung.

Die Entwicklung einer Herzinsuffizienz (HI) stellt in Deutschland die Haupttodesursache dar. Wer hierzulande heute 70 Jahre alt ist, hat eine statistische Lebenserwartung von 14 bis 17 zusätzlichen Lebensjahren; bei 80-Jährigen sind es weitere 8 bis 10 Jahre. Eine Herzinsuffizienz kann zwar jeder Mensch in jeder Lebensphase ausbilden, bei den über 80-Jährigen „Octogenarians“ ist jedoch jeder zehnte hiervon ­betroffen. Dabei erkranken Männer etwa 1,5-fach häufiger als gleichaltrige Frauen. Neben Alter und Geschlecht sind vor allem Komorbiditäten wichtige Treiber. So stieg z. B. die Prävalenz von Diabetes ­mellitus Typ 2, ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung der HI, bei diesen hochbetagten Patienten auf 33 % an. Auch die Prävalenz von Hypertonie ­erhöht sich im Alter erheblich – noch stärker bei ­Vorliegen eines Diabetes mellitus.

Präventivmaßnahmen

Um einer HI vorzubeugen, sollten insbesondere die Risikofaktoren, die deren Auftreten begünstigen, ­reduziert werden. Hierzu zählt der Verzicht auf ­Nikotin, regelmäßige körperliche Aktivität, eine herzgesunde Ernährung (mediterrane Diät), wenig ­Alkohol, eine adäquate Kontrolle des Körpergewichts sowie eine konsequente Einnahme der Medikamente z. B. zur Therapie des Blutdrucks oder des Dia­betes mellitus. Zur Prävention einer Herzinsuffizienz gerade bei älteren Hypertonikern konnte die Kombination aus dem ACE-Hemmer Perindopril und dem Diuretikum Indamapid erfolgreiche Studienergebnisse zeigen (HYET-Studie) [1]. Bezüglich Typ-2-Diabetes ist die Kombination aus Metformin und SGLT2-Inhibitoren allen anderen oralen anti­diabetisch wirkenden Kombinationen über­legen [2]. Ihr Einsatz bei Patienten mit erhöhtem Risiko für eine HI stellt eine Klasse-1A-Empfehlung zur ­Prävention dar.

Therapieoptionen

Bezüglich der Behandlung sind zwei Hauptformen zu unterscheiden: die Herzinsuffizienz mit noch ­erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF; EF > 50 %) und die mit reduzierter oder mittel reduzierter EF: (HFrEF; EF < 40 %; HFmrEF; EF zwischen 40 und 50 %). HFpEF ist die führende Form der Herzinsuffizienz im Alter. Die Prognose ist hier ähnlich eingeschränkt wie die von HFrEF oder HFmrEF. Da jedoch die EF noch erhalten ist, ist sie schwerer zu diagnostizieren. Es sind dazu spezifische echokardiografische Techniken nötig, die zusammen mit erhöhten BNP-­Werten zur Diagnose führen. Eine spezifische Therapie ist bis heute nicht etabliert. Sie setzt sich aus der Therapie der Komorbiditäten, aus Diuretika (inkl. niedrig dosierten Aldosteronantagonisten) zur Verbesserung der Belastungsdyspnoe und sportlicher Aktivität zusammen. Die Therapie der HFrEF besteht aus einer Basis- und einer erweiterten Therapie. Die Empfehlungen für die 70- oder gar 80-jährigen Patienten basiert dabei meist nur auf Subgruppenanalysen. Die Basis­behandlung setzt sich aus einer Trippeltherapie bestehend aus ACE-Hemmern (AT1-Blocker bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit), Betablockern und niedrig dosierten Aldosteronantagonisten zusammen. Sie wird meist durch Diuretika ergänzt. Mit der Ausnahme zu Betablockern, wo Sicherheit, Wirksamkeit und Verträglichkeit zu Nebivolol aus der SENIORS Studie [3] vorliegen, gibt es keine prospektiven ­Studien zu über 80-Jährigen mit HFrEF. Dennoch ist diese Basistherapie Standard für jedes Alter, wie retrospektiven Analysen oder Real-World-Register zeigen [4], da durch sie die Lebensqualität verbessert und auch die Rehospitalisations-Ereignisse reduziert werden. Letzteres ist gerade für ­ältere Patienten oft im Vordergrund stehend. Zur Basistherapie gehört auch, dass HFrEF-Patienten jährlich gegen Grippe und Pneumokokken geimpft werden.

Kommt es trotz der Basistherapie zu weiteren ­Beschwerden oder Zeichen der Progression der ­Erkrankung (z. B. steigende BNP-Werte), sollte der ACE-Hemmer gegen einen Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) ausgetauscht werden. Hier liegen zumindest Subgruppenanalysen vor, dass auch hochbetagte Patienten von der Umstellung der Therapie profitieren, was sich auch günstig auf die Lebensqualität auswirkte. Blutdruck und ­Nierenfunktion müssen hierbei aber gerade zu ­Beginn der Therapie kontrolliert werden.

Ganz neu sind in diesem Zusammenhang nun auch die SGLT2-Rezeptor-Inhibitoren einzuordnen. Als antidiabetische Medikamente sind sie schon lange etabliert. Nun konnte aber gezeigt werden, dass sie die Prognose und die Lebensqualität – zusätzlich zur Basistherapie oder einer ARNI-geführten HFrEF-Therapie – deutlich verbessern. Dieser Effekt ist unabhängig davon, ob die Patienten an Diabetes leiden oder nicht, und war bereits nach wenigen Wochen nachweisbar. Das galt auch für bis zu 80-jährige Patienten, wie Post-hoc-Analysen zeigten. So ist hier eine Einmalgabe von Dapagliflozin (10 mg) sinnvoll, solange die Nierenfunktion eine GFR von > 30 ml/min aufweist [5].

Für Patienten mit HFmrEF liegen keine prospektiven Studienergebnisse vor. Registerdaten zeigen jedoch einen Benefit für ACE-Hemmer und Betablocker für diesen Grad der Herzinsuffizienz. Die Gerätetherapie einer HFrEF stellt uns mit den Daten der DANISH-Studie vor besondere Herausforderungen [6]. Patienten mit einer nicht ischämischen Genese der HI scheinen im höheren Lebensalter ­weniger von der Implantation eines Defibrillators zu profitieren. Kürzlich gab es hier jedoch vermehrt Hinweise darauf, dass insbesondere kardiale Fibroseareale, die in einer kardialen Magnetresonanz­tomografie bestimmt werden können, bei der Entscheidungsfindung helfen können. Bei ischämischer Genese einer Herzinsuffizienz sehen wir bei ≥ 75-jährigen Patienten gute Entscheidungsspielräume, die auch im direkten Gespräch mit den Betroffenen ­erörtert werden sollten.

Fazit:

Die Abwägung des kalendarischen gegen das biologische Alter einerseits, jedoch auch die Berücksichtigung des denkbar guten Allgemein­zustandes eines kalendarisch wie biologischen Octogenarians stellen behandelnde Ärzte natürlich vor die Herausforderung einer Therapie mit Augenmaß. Gleichzeitig stehen sie in der Verantwortung, realistische Therapieziele offen zu besprechen. Es zeigt sich deutlich, dass das Herz eines alternden Menschen einer besonders hohen Gefahr ausgesetzt ist, zu erkranken. Dennoch ist es bemerkenswert, wie viele „junge Herzen“ sich auch bei hochbetagten Patienten finden. Angesichts der bemerkens­werten Lebenserwartung selbst von 80-Jährigen, ist eine auf den allgemeinen Zustand der Patienten angepasste Diagnostik und Therapie anzuraten. Damit kann für die Patienten ein relevanter Zugewinn an Lebensqualität und Lebenszeit ermöglicht werden.

Der Autor

Dr. med. Tobias Daniel Trippel
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
13353 Berlin

tobias_daniel.trippel@charite.de

Der Autor

Prof. Dr. med. Carsten Tschöpe
Medizinische Klinik
mit Schwerpunkt Kardiologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
13353 Berlin

carsten.tschoepe@charite.de

1 Beckett NS et al., N Engl J Med 2008; 358: 1887–1898
2 Cahn A et al., Diabetes Care 2020; 43: 468–475
3 Flather MD et al., Eur Heart J 2005; 26: 215–225
4 Düngen HD et al., Eur J Heart Fail 2011; 13: 670–680
5 McMurray JJV et al., N Engl J Med 2019; 381: 1995–2008
6 Køber L et al., N Engl J Med 2016; 375: 1221–1230

Bildnachweis: privat

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