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Gynäkologie

Leitliniengerechte Therapieformen im Vergleich

Harnwegsinfekt: Antibiotisch oder symptomatisch behandeln?

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

24.6.2022

Nicht immer muss eine vaginale Infektion gleich antibiotisch abgedeckt werden, mit Phytotherapie oder symptomatischer Therapie geht es mitunter auch. Die S3-Leitlinie zu Harnwegsinfekten vergleicht die Therapieformen und gibt Hinweise für den Praxisalltag.

Pünktlich zum Beginn der Sommerzeit häufen sich in der Praxis wieder die urogynäkologischen Infektionen. Die erhöhte Ansteckungsgefahr kommt durch Schwimmbäder und nasse Badesachen, zudem kann eine erhöhte UV-Strahlung das Immunsystem schwächen. Zudem haben viele Frauen im Sommer häufiger Sex, der über Veränderungen des Scheidenmilieus und direkte Übertragung auch zu einer erhöhten Infektionsgefahr führt.

Die Leitlinie definiert Harnwegsinfektionen (HWI) als eine symptomatische Entzündung der Harnwege, ausgelöst durch eine bakterielle Besiedlung [1]. Diese Besiedlung erfolgt zum überwiegenden Teil aufsteigend aus der Urethra, eine hämatogene oder lympho­gene Genese spielt eine untergeordnete Rolle. Typische Symptome sind Dysurie, häufiger Harndrang sowie neu aufgetretene Schmerzen im Unterbauch.

Risikofaktoren ermitteln

Zu den unkomplizierten HWI zählen die akute unkomplizierte Zystitis sowie die akute unkomplizierte ­Pyelonephritis. Wichtig ist die Erfassung von Risikofak­toren für komplizierte Verläufe wie ­Grunderkrankungen, anatomische und funktionelle Besonder­heiten sowie Fieber oder Krankheitsgefühl als Hinweis auf eine ­Pyelonephritis. Unkomplizierte HWI betreffen per Defi­nition nur nicht schwangere Frauen, bei Schwangeren wird eine HWI immer als kompliziert eingestuft (> Schwangerschaft).

Therapeutisch bietet die Leitlinie beim unkompli­zierten HWI mehrere Optionen an, neben Antibiose auch eine symptomorientierte Therapie mit Schmerzmitteln bzw. pflanzlichen Präparaten. Dazu wird ­üblicherweise eine erhöhte Trinkmenge empfohlen. Insgesamt werden rund die Hälfte der betroffenen Patientinnen auch ohne Antibiotika gesund, allerdings bestehen die Symptome länger und die Komplika­tionsrate ist erhöht (Fieber, Pyelonephritis).

Für die antibiotische Behandlung stehen gemäß ­Leitlinie verschiedene Antibiotika zur Auswahl: ­Fosfomycin-Trometamol 3 000 mg (Einmalgabe), ­Pivmecillinam 2–3 × 400 mg/3 Tage, Trimethoprim 2 × 200 mg/3 Tage, Nitrofurantoin ret. 2 × 100 mg/5 Tage oder Nitroxolin 3 × 250 mg/5 Tage.

Bei einigen Patientinnen steht die zügige Beschwerde­linderung im Vordergrund, andere möchten gezielt Antibiotika vermeiden und sind bereit, dafür eine längere Beschwerdedauer in Kauf zu nehmen. Das Für und Wider der verschiedenen Therapieformen (Tabelle) wird daher mit der Patientin diskutiert. Um bei nicht antibiotischer Behandlung einen zeitnahen Wechsel bei zunehmenden Symptomen zu erleichtern, hat es sich in der Praxis bewährt, ein Rezept für ein Antibiotikum auszustellen, das die Patientin bei Verschlechterung der Beschwerden umgehend einlösen kann.

Biofilm und Rezidive

Wenn Harnwegsinfekte rezidivieren, liegt das oft daran, dass die Bakterien sich in die obersten Zellschichten der Blasenwand einnisten und dort länger ­überdauern können. Oder es entsteht ein Biofilm. An der Ausbildung dieses Biofilms sind besondere Proteine wie UpaB beteiligt [2]. Diese Proteine befinden sich auf der äußeren Membran von uropathogenen E.-coli-Bakterien, die rund 50 % der Harnwegsinfekte bei Frauen ausmachen. Dank der gelartigen Schicht aus Biopolymeren sind die zusammenlebenden Bakterien sowohl vor Antibiotika als auch dem Immunsystem geschützt und werden nicht mit dem Urinfluss ausgespült. Sie können jedoch innerhalb des Films über chemische Signale kommunizieren und sogar „Kolonien“ gründen, ähnlich wie das bei einem metastasierenden Tumor der Fall ist.

Im Kapitel zur Prävention rezidivierender Harnwegs­infektionen heißt es in der Leitlinie: Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau soll vor jeder medikamentösen Langzeitprävention eine ausführliche Beratung der Patientin zur Vermeidung von Risikoverhalten erfolgen (Ib-A). Wurden diese Präventionsmaßnahmen adäquat umgesetzt und bestehen weiterhin rezidi­vierende HWI, sollte vor Beginn einer antibiotischen Langzeitprävention das Immunprophylaktikum ­Uro-Vaxom oral über drei Monate eingesetzt werden (Ia-B), ebenfalls kann das Immunprophylaktikum ­StroVac parenteral mit drei Injektionen in wöchentlichen Abständen verwendet werden (Ib-C). Bei ­häufig rezidivierender Zystitis der Frau kann darüber ­hinaus Mannose empfohlen werden (Ib-C).

1 Schiemann G et al., S3-Leitlinie Harnwegsinfektionen, AWMF-Register-Nr. 053-001, DEGAM-Leitlinie Nr. 1, gültig bis 12/2022
2 Paxman JJ et al., Nature Comm 2019; 10: 1967

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