Mikrobielle Dysbalancen im Darm scheinen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes einherzugehen. Noch ist die gezielte Modulation des Mikrobioms ein experimenteller Ansatz, doch zukünftig könnte sie zur Routine in einer personalisierten Diabetestherapie gehören.
Das intestinale Mikrobiom setzt sich aus mehreren Billionen Mikroorganismen und rund 2 Millionen bakteriellen Genen zusammen. Dabei siedelt die größte Anzahl dieser Bakterien im Dickdarm – das Gesamtgewicht beträgt rund 200 g. Zunehmend wird diese Vielzahl an symbiotischen Mikroorganismen als essenzieller Regulator metabolischer, immunologischer und entzündlicher Prozesse verstanden. So scheint die bakterielle Zusammensetzung des Darms eine Rolle bei der Pathophysiologie des Diabetes zu spielen, und zwar bei Typ-1- wie auch bei Typ-2-Diabetes. Zudem deuten Daten darauf hin, dass mikrobielle Veränderungen dem klinischen Ausbruch des Typ-1-Diabetes (T1D) vorausgehen können. Beispielsweise fand sich bei der TEDDY-Studie in Stuhlproben von Kindern, die später an T1D erkrankten, signifikant häufiger Bacteroides-Spezies. Bei den stoffwechselgesunden jungen Probandinnen und Probanden dominierten hingegen Firmicutes [1]. Zudem entdeckten die Forschenden funktionelle Veränderungen, etwa eine verminderte Bildung kurzkettiger Fettsäuren wie Butyrat, das antiproliferativ und antientzündlich wirkt. Die Buttersäure stellt aber auch bis zu 80 % Energie für das Dickdarmepithel bereit und ist für die Stimulation des Epithelwachstums verantwortlich.
Kleine Fettsäuren mit großer Bedeutung
Um herauszufinden, ob es eine kausale Verbindung zwischen Charakteristika des Mikrobioms und Typ-2-Diabetes gibt, setzte ein niederländisches Forscherteam bidirektionale Mendelsche Randomisierungsanalysen (MR) ein. Die Daten zeigten, dass eine genetisch bedingte Verstärkung des Butyrat-bildenden Stoffwechselpfads PWY-5022 kausal mit einer besseren postprandialen Antwort, einer besseren Insulinsekretion und einer besseren Insulinsensitivität verbunden war. Eine genetisch bedingte Erhöhung der fäkalen Propionat-Konzentration hingegen war kausal mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes (T2D) verbunden [2].
Gleichzeitig zur sinkenden Konzentration kurzkettiger Fettsäuren und Gallensäuren, bei einem vermehrten Auftreten verzweigtkettiger Aminosäuren (BCAA), liegt bei T2D oft eine reduzierte mikrobielle Diversität vor: Der Anteil nützlicher Bakterienstämme wie Faecalibacterium prausnitzii ist verringert. Diese Veränderungen fördern das Entstehen chronischer, niedriggradiger Entzündungen und sind mit einem erhöhten Lipopolysaccharid-Spiegel (LPS) assoziiert, der als Marker einer metabolischen Endotoxin-Belastung dient.
Veränderungen in der Darmbesiedelung
Weitere Erkenntnisse zum Darmmikrobiom von Personen mit T2D, Prädiabetes und normoglykämischem Status lieferte eine Metaanalyse [3]. Der Datensatz umfasste genomische Informationen aus dem Darmmikrobiom von 8 117 Personen (54,4 % Frauen; mittleres Alter ± Standardabweichung [SD]: 57,9 ± 10,7 Jahre) aus insgesamt 10 Kohorten in den USA, Europa, Israel und China. Die Forschenden identifizierten eine Dysbiose von 19 phylogenetisch unterschiedlichen Spezies, die signifikant mit T2D assoziiert war (False Discovery Rate: < 0,10), unabhängig von Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI) und Metformin-Einnahme. Beobachtet wurde z. B. eine Anreicherung von Escherichia coli, Clostridium bolteae, Bacteroides fragilis und Streptococcus salivarius, zugleich fiel eine Verringerung von z. B. Turicibacter sanguinis, Clostridium sp. CAG:167 oder Oscillibacter sp. 57 20 auf. Insgesamt ließen sich von den 19 identifizierten Spezies 14 mit T2D sowie mit Prädiabetes assoziieren. Das Wissenschaftlerteam analysierte die funktionellen Merkmale dieser Spezies, um mehr über die Rolle dieser Mikroorganismen im Darm zu verstehen. Es fiel auf, dass die Mikroorganismen auch zu funktionellen Veränderungen im Darmmikrobiom beitrugen, die möglicherweise der Entstehung von T2D zugrunde liegen – z. B. Störungen im Glucosestoffwechsel. Außerdem legten die Daten eine Verstärkung der bakteriellen Stoffwechselprozesse nahe, die die Glykolyse fördern oder den Insulinabbau begünstigen. Auch die Biosynthese gesättigter Fettsäuren, die potenziell zur Insulinresistenz beitragen, scheint höher zu sein. Darüber hinaus zeigte sich, dass bei T2D eine gesteigerte Produktion von bakteriellen Bausteinen, die das Immunsystem beeinflussen können, vorliegt.
Untersucht wurde zudem eine kleine Untergruppe, die kürzlich mit T2D diagnostiziert wurde und deren Darmmikrobiom daher weniger wahrscheinlich durch die Einnahme von Medikamenten oder einen langfristig erhöhten Blutglucosespiegel beeinflusst wurde. Da die Ergebnisse den Gesamtergebnissen der Studie weitgehend entsprachen, vermuteten die Forschenden, dass die Veränderungen im Darmmikrobiom zuerst auftreten und der Diabetes sich später entwickelt – und nicht andersherum. Allerdings verwiesen sie darauf, dass groß angelegte prospektive oder Interventionsstudien erforderlich seien, um diese Hypothese zu bestätigen.
Mikrobiomgestützte Präzisionsmedizin
Zwar belegt die aktuelle Studienlage signifikante Veränderungen der mikrobiellen Zusammensetzung, doch ist die Befundlage heterogen. Es zeichnet sich aber ab, dass das Mikrobiom zukünftig ein wichtiger Parameter für neue therapeutische Ansätze zur Behandlung von Diabetes sein könnte. Eine mögliche Strategie ist die Förderung der Produktion kurzkettiger Fettsäuren durch eine präbiotische, ballaststoffreiche Ernährung.
In einer Metaanalyse wird z. B. berichtet, dass eine Erhöhung der Ballaststoffzufuhr um 15 g/Tag (auf 35 g/Tag) bei Personen mit T2D oder T1D günstige Effekte auf die glykämische Kontrolle habe [4]. Ein weiterer Ansatz ist die Gabe probiotischer Bakterien der Gattungen Lactobacillus oder Escherichia. Beispielsweise wurden 27 Kinder und Jugendliche mit lang bestehendem T1D entweder mit probiotischen Bakterienstämmen oder einem Placebo behandelt [5]. Beobachtet wurde ein Effekt auf die glykämische Kontrolle und den Entzündungsstatus. Ebenfalls diskutiert wird fäkale Mikrobiota-Transplantationen, sie sind in der Diabetologie bisher aber nicht standardisiert etabliert. Perspektivisch wird eine Kombination aus personalisierter Ernährung und selektiver Mikrobiommodulation angestrebt.