Der große Charme der Pille liegt ja gerade in ihrer einfachen Anwendung. Trotzdem müssen wir immer wieder feststellen, dass junge Frauen ihr ablehnend gegenüberstehen. Sie nutzen stattdessen Zyklus-Apps und andere FemTech-Produkte oder Methoden der Natürlichen Familienplanung. Auch dabei gibt es viel zu beachten.
Auch wenn wir es als Frauenärztinnen und Frauenärzte mitunter kritisch betrachten (müssen): Die Welt der Kontrazeption hat sich weit über die traditionellen Methoden wie Kondome und orale Kontrazeptiva hinaus entwickelt. Mit dem Aufkommen von FemTech-Produkten wie den Zyklus-Apps haben Frauen mehr Kontrolle und Autonomie über ihre reproduktive Gesundheit erlangt. Über die Vorhersage von fruchtbaren Fenstern und die Bereitstellung von Gesundheitsinformationen.
Laut aktuellen Daten hat die FemTech-Branche in Deutschland in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Clue, eine der Pionierfirmen in diesem Bereich, wurde 2012 gegründet und hat nach eigenen Angaben monatlich mittlerweile etwa 12 Millionen aktive Nutzer weltweit. Die App ermöglicht es Frauen, ihren Zyklus einfach zu verfolgen, indem sie Symptome, sexuelle Aktivität, Stimmungen, (Menstruations-)Schmerzen und alles andere, was der Benutzerin wichtig erscheint, aufzeichnet. Die von der Benutzerin selbst verfolgten und ausgewerteten Daten bilden die Grundlage für personalisierte Erinnerungen an mögliche Fruchtbarkeitszeiten oder PMS-Perioden.
Die wenigsten Apps sind zur Kontrazeption geeignet.
Den meisten Frauen, die auf der Suche nach einer hormonfreien, natürlichen Verhütungsmethode sind, ist gar nicht bewusst, dass es unterschiedliche Auswertungsmethoden gibt, die den Apps zugrunde liegen (siehe Kasten). Sie entscheiden sich vielmehr nach Design und Benutzerfreundlichkeit. Zwei Kriterien, die ebenfalls wichtig sind, aber eben nicht ausschlaggebend, wenn man tatsächlich zuverlässig natürlich verhüten will.
In den App Stores gibt es unzählige Zyklus-Apps – doch nur die wenigsten sind zur Anwendung einer zuverlässigen Verhütungsmethode geeignet. Die Bedenken betreffen einmal den Datenschutz. Denn oft ist nicht klar, wo die sehr intimen und sensiblen Daten gespeichert werden. Sie betreffen aber auch die kontrazeptive Sicherheit, der Pearl-Index liegt bei guten Apps und richtiger Anwendung im Bereich von 1, in der Praxis aber durchaus im zweistelligen Bereich. Also keine gute Idee für Frauen, die auf keinen Fall schwanger werden wollen (siehe Kasten).
Apps, die mit smarten Techniken verbunden sind und Hormone oder neue Parameter messen, sind noch experimentell. Für die neuen Messsysteme ist noch nicht nachgewiesen worden, dass mit ihrer Hilfe das komplette fertile Fenster, insbesondere die hochfertilen Tage, detektiert wird. TÜV-Siegel, CE-Klassifizierung oder FDA-Zulassungen sagen nichts über die Wirksamkeit einer Zyklus-App aus, da sich diese Institutionen lediglich auf Herstellerdaten verlassen [1].
Eine hohe Sicherheit ist zudem nur dann zu erzielen, wenn rechtzeitig vor der Ovulation klar ist, dass ungeschützter Verkehr unterbleiben muss, da Spermien in utero bis fünf Tage überleben können. Das kann nur erreicht werden, indem Estrogenmarker wie der Muttermundschleim mit Rechenregeln, die sich nach dem individuellen Zyklus richten, kombiniert werden.
Eine Studie von 2021 untersuchte die Fähigkeit dieser Apps, fruchtbare Fenster und den Eisprung genau vorherzusagen [2]. Die Sensitivität zur Vorhersage des fruchtbaren Fensters lag zwischen 35 % und 94 %, während die Sensitivität zur Vorhersage des Eisprungs zwischen 0 % und 31 % lag. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die alleinige Verwendung von Zyklus-Apps nicht der Goldstandard für die Kontrazeption sein kann.
Der Klassiker: NFP mit Sensiplan
Die Hormonalternative mit höchstmöglichem Schutz ist die symptothermale Methode (STM) der Natürlichen Familienplanung (NFP). Am besten erforscht und wissenschaftlich belegt ist die Methode Sensiplan, die aus jahrelanger Arbeit der Sektion natürliche Fertilität der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe hervorgegangen ist. Die Universitäten Heidelberg und später Düsseldorf waren hier federführend.
Am besten erforscht und wissenschaftlich belegt ist die Methode Sensiplan.
Das ist die Kombination aus Temperaturmessung, Beobachtung des Zervixschleims und Barrieremethoden. Das funktioniert aber nur, wenn man ein relativ ruhiges Leben lebt, der Zyklus regelmäßig ist und man nicht noch im Schichtdienst arbeitet. Sensiplan ist dann sicher genug, wenn eine ausführliche Beratung stattgefunden hat oder die Frau sich intensiv mit der Methode beschäftigt und gewissenhaft ist. Unter diesen Bedingungen hat Sensiplan einen Pearl-Index von 0,4. Wenn nach dem Absetzen hormoneller Verhütung der Zyklus noch nicht ganz regelmäßig ist und Körperzeichen einfach gedeutet werden können, ist es gut, eine Back-up-Methode zu haben, auch für die Mischanwendung [3].
Die Kombination von Barrieremethoden und Sensiplan wird von vielen Patientinnen praktiziert. Wenn der Eisprung sicher abgelaufen ist, kann das Diaphragma bis zum Beginn des nächsten Zyklus weggelassen werden. Sind die Zyklusaufzeichnungen dagegen nicht eindeutig oder die Messungen durch zu viele Nachtschichten, Reisen mit Zeitverschiebungen oder Zyklusstörungen schwer auszuwerten, kann es selbstverständlich durchgehend über den ganzen Zyklus verwendet werden.
Barrieremethoden
Der Klassiker dieser Kategorie ist das Kondom mit dem unstrittigen Zusatznutzen, dass auch Infektionen auf diese Art verhindert werden können. Oft werden Kondome daher zusätzlich zu anderen Empfängnisverhütungsmitteln eingesetzt. Viele Patientinnen wissen nicht, dass es auch Kondome für Frauen gibt: das Femidom – einen reißfesten Schlauch zwischen zwei Gummiringen. Ein Ring am verschlossenen Ende wird um den Muttermund gelegt, der andere liegt außerhalb über den Schamlippen. Das Femidom ist gut für Frauen geeignet, die sich sicher vor vaginalen Infektionen schützen wollen und einen Partner haben, der kein Kondom benutzen will. Es kann Stunden vor dem Verkehr eingesetzt werden, sodass es im entscheidenden Moment nicht die Atmosphäre stört.
Beim Diaphragma sollte die Patientin wissen, dass es den Muttermund nicht 100 % gegen Spermien abdichtet. Daher wird das Diaphragma mit spermienhemmendem Gel gefüllt und maximal zwei Stunden vor dem Verkehr über den Muttermund platziert, 8–24 Stunden nach dem Verkehr wird es wieder entfernt. Eventuell an der Barriere vorbeischwimmende Spermien bleiben im Gel hängen. Selbstverständlich kann ein Diaphragma auch als alleinige Verhütungsmethode verwendet werden, wenn es konsequent bei jedem Geschlechtsverkehr benutzt wird. Diaphragmen sind heute alle aus Silikon, Latexallergien gehören damit der Vergangenheit an. Sie können nach einer vaginalen Infektion mit kochendem Wasser übergossen werden. Da mittlerweile nur noch Diaphragmagele in den deutschen Apotheken erhältlich sind, die für die vaginale Flora gut verträglich sind, können sie auch bei einer Neigung zu Scheideninfektionen verwendet werden.
Die meisten Zyklus-Apps werten nur nach der Kalendermethode aus. Diese beruht allein auf Durchschnittsdaten aus der Vergangenheit und prognostiziert anhand dieser die fruchtbaren Tage für den nächsten Zyklus – dabei wird jedoch völlig vernachlässigt, dass der Eisprung nicht immer am gleichen Zyklustag stattfindet, die individuelle Zyklusdauer variieren kann und der Zyklus generell Schwankungen unterliegt, zum Beispiel durch Stress, eine Erkältung etc. Oft sprechen schon die Namen der Apps für diese reine Rechenmethode: Period Tracker, Menstruations-Kalender, Mein Eisprung-Rechner usw.
Bei anderen wiederum ist es nicht so einfach zu erkennen, wonach sie auswerten, vor allem wenn die Basaltemperatur und der Zervixschleim erfasst werden können und damit suggeriert wird, dass anhand der symptothermalen Methode nach Sensiplan ausgewertet wird. Leider ist die reine Erfassung solcher Daten noch keine Garantie dafür, dass auch nach diesen Symptomen ausgewertet wird. Das gilt auch für Apps, die zusammen mit einem günstigen Bluetooth-Thermometer verwendet werden können. Für Laien ist nur schwer erkennbar, dass die kontrazeptive Sicherheit gering ist. Grundsätzlich sollte man immer davon ausgehen, dass eine Zyklus-App nicht zur Verhütung geeignet ist. Es hilft daher nur: ausprobieren, gegenchecken und zunächst durchgehend verhüten. Um so vorzugehen, ist es unerlässlich, die Regeln der symptothermalen Methode vorab zu erlernen und zu verstehen. Und auch dann gilt: Eine App ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird. So kann beispielsweise nur die Nutzerin selbst wissen, ob an einem Morgen ein Störfaktor vorlag oder nicht.
myNFP mobile unterstützt tadellos die symptothermale Methode nach Sensiplan und bietet sowohl eine manuelle als auch automatische Auswertung. Weiterhin ist die App klar und selbstverständlich aufgebaut, nicht nur wer die dazugehörige Website kennt, wird sich in ihr problemlos zurechtfinden. myNFP mobile zeigt durch eine grüne Farbmarkierung deutlich, wann die Nutzerin Unfruchtbarkeit annehmen kann – etwas, das andere Apps nicht tun und stattdessen mit ungenauen Begriffen hantieren. Das NFP-Regelwerk, dem die App zugrunde liegt, kann jederzeit eingesehen werden, sodass die Nutzerin die Möglichkeit hat, ihr Wissen stets aufzufrischen und die Auswertung der App zu überprüfen.
Maggie Fricke auf netzwerk-frauengesundheit.com [4]
1 Frank-Hermann R et al., Gynäkol Endokrinol 2021; 19: 219–27
2 Kramer KL, Hallett J, Scientific Reports 2021; 11: 883
3 Struck D, Gerhard I, Privatarzt Gynäkol 2020; 11: 34–5
4 https://www.netzwerk-frauengesundheit.com/verhuetungs-apps-wie-sicher-sind-sie-wirklich/